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Bundespräsident Alexander Van der Bellen trifft FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Gesprächen zur Regierungsbildung in der Hofburg
Van der Bellen spricht mit Kickl erneut über eine mögliche Regierungsbildung.
Van der Bellen spricht mit Kickl erneut über eine mögliche Regierungsbildung.
Leonhard Foeger / REUTERS / picturedesk.com

Showdown um Kanzler Kickl: Wie es jetzt weitergeht

06.01.2025 um 08:33, Stefanie Hermann
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Kehrtwende zu Kanzler Kickl? Van der Bellen spricht mit dem FPÖ-Chef über eine mögliche Regierungsbildung. Drei Szenarien, wie es jetzt weitergehen kann.

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Heute um 11 Uhr treffen sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen und FPÖ-Chef Herbert Kickl erneut zu Gesprächen in der Hofburg. Die Einladung erfolgt nach dem überraschenden Verhandlungsaus zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS. Die Situation habe sich geändert, erklärt Van der Bellen in seinem gestrigen Statement. Aktuell stehen damit alle Zeichen auf Blau-Schwarz.

Van der Bellen ändert Meinung

Gleich zwei wesentliche Player haben in den vergangenen 24 Stunden eine erstaunliche Kehrtwende hingelegt. Hat Van der Bellen nicht nur vor, sondern auch nach der Wahl eine Regierung unter Kickl stets ausgeschlossen, dürfte das Staatsoberhaupt jetzt bereit sein, seine Meinung zu ändern. "Es hat sich ein neuer Weg aufgetan", so Van der Bellen gestern. Ursprünglich wollte er der Republik leere Kilometer ersparen, rechtfertigt er das Übergehen der FPÖ in punkto Regierungsauftrag. Nun würden die Stimmen in der ÖVP, die eine Zusammenarbeit mit der FPÖ unter Herbert Kickl ausschließen, aber leiser.

ÖVP steht bereit

Tatsächlich sind die Stimmen nicht nur leiser geworden. Mit dem Rücktritt von Noch-Kanzler und Kickl-Kritiker Karl Nehammer als ÖVP-Chef ist der Weg frei für Verhandlungen mit der FPÖ. Bereits gestern, Sonntag, hat sich die ÖVP offiziell zum neuen Kurs bekannt. "Wie es der Bundeskanzler bereits mehrfach betont hat, erwarte ich, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Bildung einer Bundesregierung erhält", sagt der neu designierte Parteichef Christian Stocker. "Wenn wir eingeladen werden, stehen wir für Gespräche zur Verfügung." Das habe der Parteivorstand einstimmig beschlossen.

Damit legt auch die Volkspartei eine 180-Grad-Wende hin. Unmittelbar nach der Wahl hieß es noch, mit der Kickl-FPÖ könne und wolle man nicht koalieren. Bereits im Sommer habe man festgehalten, dass man mit der FPÖ unter Kickl keine Koalitionsverhandlungen führen werde. "Wir stehen selbstverständlich auch nach der Wahl zu dem, was wir vor der Wahl gesagt haben”, so Stocker Mitte Oktober.

Kanzler Kickl: Mögliche Szenarien

Die Vorzeichen für einen Kanzler Kickl stehen damit gut wie nie. Ob die FPÖ aber tatsächlich auch offiziell den Regierungsbildungsauftrag erhalten wird, ist weiter unklar. Auch in seiner gestrigen Rede gab es vom Bundespräsidenten mahnende Worte. Unter anderem plädierte er erneut für Rechtsstaatlichkeit, liberale Demokratie und Zugehörigkeit zur EU als unumstößliche Grundpfeiler der Republik.

Nach dem Platzen der Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ sind nun sämtliche Optionen einer Mehrheitsregierung ohne blaue Beteiligung ausgeschöpft. Eine Minderheitsregierung unter nicht-freiheitlicher Führung lässt sich demokratiepolitisch schwer vertreten. Noch ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, dass Kickl auch offiziell den Regierungsauftrag erhält. Wie es nach dem Gespräch in der Hofburg weiter gehen kann.

Szenario A: Neuwahlen

Dass es unmittelbar zu Neuwahlen kommt, ist aktuell das unwahrscheinlichste Szenario. Sowohl ÖVP als auch FPÖ haben zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert. Inhaltlich stehen die Chancen gut, dass die beiden Parteien zueinander finden können. Mit einem drohenden EU-Defizitverfahren wären weitere Verzögerungen wirtschaftlich nicht zu vertreten. Ein neuer Wahltermin könnte frühestens Ende April über die Bühne gehen. Essenzielle und weichenstellende Entscheidungen würden von einer Übergangsregierung, die in der Regel lediglich verwaltend eingreift, nicht getroffen.

Auch dürften sich die Vorzeichen nach einem erneuten Urnengang nicht ändern. Laut aktuellen Umfragen befindet sich die ÖVP auf Talfahrt, ein Wechsel an der Spitze wird für eine Trendumkehr zu wenig sein. Umgekehrt freut sich die FPÖ über einen regelrechten Höhenflug. Eine Neuwahl dürfte an den gegebenen Mehrheiten also nur wenig ändern.

Szenario B: Kein Regierungsbildungsauftrag

In der Vergangenheit hat Van der Bellen immer wieder vor einer Regierung unter Herbert Kickl gewarnt. Dass die FPÖ, die derzeit alle Trümpfe in der Hand hält, auf ihren Parteichef oder den Kanzlersessel verzichtet, ist mehr als unwahrscheinlich. Sollte auch Van der Bellen auf seiner Meinung beharren, gebe es noch ein elegantes Schlupfloch bis zur Angelobung: Rein formal ist der Bundespräsident nicht verpflichtet, einen Regierungsbildungsauftrag zu vergeben. Zwar ist das offizielle Aussprechen des Auftrags Usance, generell kann sich eine Regierung aber auch ohne vorherige Aufforderung durch das Staatsoberhaupt bilden.

Zum Zug käme Van der Bellen dann erst wieder, wenn ihm eine Regierung vorgeschlagen wird. Neben formellen Anforderungen (unter anderem müssen alle Regierungsmitglieder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sie dürfen auch keine unvereinbaren Tätigkeiten oder Ämter innehaben) liegt das letzte Wort vor der Angelobung bei ihm.

In seinem Ermessen liegt, ob er die vorgeschlagenen Personen akzeptiert oder ob er Zweifel an der Eignung oder Integrität eines Kandidaten hegt. Van der Bellen könnte dann einzelne Personen ablehnen, wenn er sie als Gefahr für die demokratische Ordnung oder die Grundrechte ansieht.

Szenario C: Auftrag an Kickl

Am Wahrscheinlichsten dürfte nach aktuellem Stand allerdings sein, dass Van der Bellen Kickl auch offiziell den Regierungsauftrag erteilt. In seiner Rede hat Van der Bellen ein Umdenken bereits durchblitzen lassen. Nach 100 Tagen ohne Regierung drängt zudem die Zeit.

Wenn Kickl den Auftrag bekommt, könnte es schnell gehen. Bereits kurz nach der Wahl haben die Freiheitlichen einen zeitlich ambitionierten Verhandlungsplan vorgelegt.

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