Nehammer nach Kickl-Treffen: "Mache nicht den Steigbügel-Halter"
Inhalt
- Kickl nicht regierungsfähig
- Mangelndes Demokratieverständnis
- Kickl als Sicherheitsrisiko
- Verschwörungstheorien als Problem
- Verantwortung für FPÖ-Wähler
- Mögliche Koalition
Am Dienstag war es so weit: Wie von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gefordert, haben sich Karl Nehammer und Herbert Kickl zu einem Vieraugengespräch getroffen. Dem war ein harter, medial ausgetragener Schlagabtausch zwischen Kickl und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker vorausgegangen. Kurz nach dem Gespräch ist ÖVP-Chef Nehammer erstmals mit einem viel erwarteten Statement vor die Presse getreten.
Auf Basis des Wahlergebnisses hatte Alexander Van der Bellen die drei stimmenstärksten Parteien zu Gesprächen aufgerufen. "Diesem Wunsch bin ich gerne nachgekommen und habe mich deshalb zum Gespräch mit Herbert Kickl getroffen", erklärt Nehammer. Wie gerne, daran darf nicht erst nach der anschließenden Pressekonferenz gezweifelt werden.
Kickl nicht regierungsfähig
"Ich habe ihm meine Haltung und meinen Zugang zu den Gesprächen geschildert, das war wichtig. Ansonsten sind die Gespräche vertraulich, und das ist auch gut so," lässt er wenig über Inhalt und Atmosphäre nach außen dringen.
Seine Einschätzung, dass der FPÖ-Chef regierungsunfähig sei, habe sich auch nach der Wahl nicht geändert. Es gehe dabei nicht um "Sympathie oder Befindlichkeiten und ob der eine den anderen mag". Es gehe um politisches Tun und die Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen. "Kickl hat mehrfach bewiesen, dass er nicht bereit ist, das zu tun. Während der Corona-Krise hat er mehrfach gezeigt, dass ihm das Angstverstärken wichtiger ist als der Schulterschluss und das Übernehmen von Verantwortung", betonte der noch amtierende Bundeskanzler.
Mangelndes Demokratieverständnis
Darüber hinaus teile er Kickls Demokratieverständnis nicht. "Ich lehne es zutiefst ab, angebliche Fahndungslisten zu schreiben oder 'nach oben zu treten'." Das Problem sei mangelndes Demokratieverständnis: "Demokratie wird nicht durch Fahndungslisten oder Treten gelebt, sondern durch Zuhören und Verhandeln."
Kickl als Sicherheitsrisiko
Dass er Kickl weiterhin für ein Sicherheitsrisiko hält, daraus macht der aktuelle Regierungschef keinen Hehl. Durch sein Handeln – nicht zuletzt in seiner Zeit als Innenminister – habe er die Sicherheit Österreichs gefährdet, "mit seiner Zuneigung zu Pferden, aber auch der Weigerung, Verantwortung zu übernehmen." Der Kanzler bringt harte Anschuldigungen vor: Die Russische Föderation habe sich gefreut; Kickl habe ihr ein Einfallstor geöffnet.
Einen weiteren Beleg sieht Nehammer in Kickls Haltung zum Luftabwehrprogramm "Sky Shield". Dabei gehe es weniger um die Meinung zum Abwehrsystem selbst, hier könne man einen differenzierten Standpunkt einnehmen. "Gefährlich ist aber, dass er damit behauptet, die Neutralität sei gefährdet." Auch die Schweiz ist Partner in diesem Projekt, betont der ÖVP-Obmann.
Verschwörungstheorien als Problem
Für mangelndes Verantwortungsgefühl und Regierungsfähigkeit sieht Nehammer ein weiteres Beispiel: "Er ist jemand, der der Verschwörungstheorie gerne anheimfällt und sie auch lebt," verweist er auf die Ausführungen Kickls über die WHO. Das könne man sagen, aber es sei unglaubwürdig, wenn man zeitgleich Verantwortung für Österreich übernehmen wolle.
Verantwortung für FPÖ-Wähler
Die blaue Rhetorik sei geprägt von Angst und Radikalisierung. Radikalität sei – egal ob von links oder rechts – immer abzulehnen. "Ich werde nicht den Steigbügelhalter für Herbert Kickl machen. Ich halte es für eine historische Verantwortung, auch aus der Geschichte heraus, und ich halte es auch für meine Verantwortung aufgrund von 1,3 Millionen Wählerstimmen."
Die Wähler der FPÖ hingegen nehme er sehr ernst, betont Nehammer. Vor allem, wenn es um innere Sicherheit, Integration und den Kampf gegen illegale Migration oder den politischen Islam geht. Aber auch hier sei wichtig, bei allen berechtigten Sorgen, Rechtsstaatlichkeit, Seriosität und Augenmaß anzuwenden.
Mögliche Koalition
"Meine Prämisse ist klar: Das, was ich vor der Wahl gesagt habe, gilt auch nach der Wahl. Der Herr Bundespräsident hat uns beauftragt, Gespräche zu führen, das habe ich auch getan. Ich werde ihm berichten, und wir werden sehen, wie er dann entscheidet."
Nehammer unterscheide weiterhin zwischen Kickl und der FPÖ. Die Freiheitlichen als gesamte Partei wolle er aber nicht ausschließen. Dass sich diese jedoch von ihrem überaus erfolgreichen Parteichef trennen wird, dürfe als ausgeschlossen betrachtet werden.
Wie also soll eine künftige Koalition aussehen? Darauf lässt sich Nehammer in einer kurzen Fragerunde nicht festnageln. Von einer Koalition mit der SPÖ und einer dritten Partei könne man nicht automatisch ausgehen, betont er.