Direkt zum Inhalt
Steuerberater
Steuerberater müssen bei den sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen stets am Ball bleiben.
Steuerberater müssen bei den sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen stets am Ball bleiben.
CentralITAlliance / iStock / Getty Images Plus

Sie nehmen das Steuer in die Hand

25.11.2024 um 08:38, Jürgen Philipp
min read
Steuern sollten „steuern“. Doch viele Unternehmer sehen vor lauter ­Steuern das Lenkrad nicht mehr. Ein Berufsstand mit Überblick sind die Steuerberater.

Inhalt

Hinter dem Wort „Steuer“ steckt „steuern“. Die Einnahmen des Staates sind das zentrale ­Lenkungsinstrument eines Landes. Doch die Steuergesetze ähneln eher einer kryptischen Schatzkarte anstatt einer übersichtlichen Roadmap. Ein Berufsstand muss trotzdem immer die Übersicht bewahren: die Steuerberater. Wie behalten sie bei dieser Komple­xität stets den Überblick? „Mein Vater hat immer gesagt, Steuerberater zu sein heißt lebenslanges Lernen und lebenslange Anpassung an ein sich ständig veränderndes Umfeld“, ­schildert ­Andreas Mitterlehner, Managing Partner von ICON. Bei der aktuellen ­Nachrichtenflut sei es aber oft gar nicht so einfach, den Überblick zu bewahren. Man tausche sich in der Branche aus, besucht regelmäßige Fortbildungen und nutzt Netzwerke: „Besonders die Digitalisierung und KI-Tools helfen uns, stets die neuesten Entwicklungen im Blick zu behalten und rasch die wesentlichen Informationen zu erhalten“, doch „so bleibt man jung“, meint der 38-Jährige. 

Hang zum Masochismus

Verena Trenkwalder, Präsidentin der der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Oberösterreich, ist bereits seit 37 Jahren im Geschäft. „Man braucht schon einen gewissen Hang zum Masochismus, aber es macht unheimlich viel Spaß.“ Steuerberater erleben die Entwicklung der (Wirtschafts)Welt hautnah mit: „Bei uns ging es seit dem Zweiten Weltkrieg immer bergauf. 2008/09 gab es einen Dämpfer, doch den haben wir längst vergessen. Seit Corona ist die Welt nicht mehr so, wie wir sie gekannt haben.“ Eine Komplexität, die nach mehr Spezialistentum verlangt, wie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Bernhard Dietachmair sie sieht: „Der Universalist als Alleinunterhalter seiner Klienten tut sich schwer, alles abzudecken. Eine Kanzlei braucht heute eine Mindestgröße von ca. 20 bis 30 Mitarbeitern, damit das Vier-Augen-Prinzip, Steuerthemen oder neue Herausforderungen wie etwa die Förderungen in der Covidzeit abgedeckt werden können.“ Dabei zeigt sich ein Trend: Die Beratung steht immer mehr im Fokus. „Der Steuerberater der Vergangenheit mit Schwerpunkt auf reine Dokumentation hat keinen Einfluss. Ein betriebswirtschaftlich orientierter Steuerberater mit Blick auf die Zukunft hat hingegen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg.“ 

Welche Chancen bieten Krisen? 

Die Beziehung zu den Klienten ist oft eng. Kanzleien betreuen Unternehmen viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, da tut es besonders weh, wenn man einige dieser treuen Kunden in die Insolvenz begleiten muss. „Wir haben viel zu lange gedacht, wir seien die Besten der Welt. Wir lebten in einer gewissen Selbstherrlichkeit. Aktuell gibt es viele Insolvenzfälle, bei denen es falsche Prognosen gab, die weit besser waren als die Wirklichkeit“, so Trenkwalder. Prognosen, die oft auch die Instabilität der aktuellen Lage nicht vorhersehen konnten: „Wir haben eine Volatilität in der Wirtschaft, wie wir sie noch nie hatten. Die Energiekosten stiegen um 300 Prozent, die Beschaffungskrise, die Zinsbelastung, sprich die gesamte Finanzierung ist aus dem Lot geraten. Da wird es verdammt eng für gewisse Branchen, drei bis vier Jahre Rezession auszuhalten.“ Kein Wunder, wenn in vielen Kanzleien derzeit Umstrukturierungen, Umschuldungen oder Kostensparprogramme an der Tagesordnung stehen. „Man leidet bei solchen Fällen natürlich mit.“ Für die Präsidentin könnte die aktuelle Insolvenzwelle noch größer werden. Dennoch sieht sie darin auch einen kleinen Hoffnungsschimmer: „Der aktuelle Leidensdruck macht vielleicht den Weg frei für mehr Kreativität und Innovation. Wenn es Unternehmen schlecht geht, machen sie vielleicht mutigere ­Schritte.“ Vielleicht wagt auch der Staat einiges, etwa sich an den Empfehlungen der Kammer der Steuerberater zu orientieren. Im Kern fordert die Interessenvertretung eine deutliche Vereinfachung des Steuerrechts und zielgerichtete Förderungen mit Lenkungsmaßnahmen. „Die Lenkung ist die Kernaufgabe des Steuerrechts. Bei vielen Fördermaßnahmen fehlt der Fokus.“

Andreas Mittlehner, Managing Partner ICON

ZUR PERSON

Andreas Mitterlehner stieg 2015 bei ICON ein, wurde 2019 Head of Corporate Tax und ist seit 2024 Managing Partner. Zu seinen Schwerpunkten zählen Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, Forschungsprämie, Tax Compliance sowie Förderungen. Mitterlehner studierte „Steuern und Rechnungslegung“ sowie „Wirtschaftsrecht“ an der WU Wien.

Viele neue Fragen

Der Branche fehlt dieser Fokus nicht, im Gegenteil, man muss sich stets an den Fragen der Klienten orientieren. „Aktuell hat die Finanzbehörde wieder die Prüfungstätigkeit verstärkt. Das heißt: Nach den Covid-Berechnungen und -Kontrollen sind wir jetzt wieder mit normalen Prüfungen beschäftigt. Außerdem ist aufgrund der wirtschaftlichen Lage bei vielen Unternehmen die Frage der Überlebensfähigkeit wieder aufgetaucht“, so Dietachmair. Auch Andreas Mitterlehner sieht einige drängende Fragen seiner Klienten: „Momentan beschäftigen sich viele von ihnen mit den neuen Berichtspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit und der ­Lieferkette sowie mit der Digitalisierung ihrer Prozesse. Auch hier geht es darum, für den jeweiligen Klienten die passende Lösung zu finden. Eine KI-Lösung oder ein KI-Bot mag für einen großen Konzern gut geeignet sein, für einen kleinen Mittelständler stehen jedoch häufig die Implementierungskosten in keinem Verhältnis, oder es fehlen die internen Schnittstellen, um ein solches Projekt sinnvoll umzusetzen.“ Die Grenze zwischen reinem Steuer- und Unternehmensberater verschwimmt dabei immer mehr. Viele Kanzleien vereinen ­diese Kompetenzen unter einem Dach: „In der mittelgroßen Kanzlei, also mit etwa 20 bis 30 Mitarbeitern, verschwimmt es. Bei kleineren Kollegen ist Spezialistentum empfehlenswert“, so Dietachmair. Mitterlehner bestätigt das: „Die ­einfachste steuerliche Lösung eines Sachverhalts ist nicht immer diejenige, die für unseren Klienten auch in der Praxis umsetzbar oder anwendbar ist.“ Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, muss das Geschäft bzw. das Geschäftsmodell der Klienten verstanden werden.

Neue Bürokratiewelle rollt

Klienten, die umgekehrt aber viele Verordnungen, neue Pflichten oder Erklärungen eben nicht verstehen. Wie sind sie auf Taxonomie, Lieferkettengesetz und Co vorbereitet? Dietachmair: „Gar nicht. Das Thema ist derzeit nur bei den betroffenen Großunternehmen an der Tagesordnung. Die meisten KMU schauen sich das aus der zweiten Reihe einmal an. Der Gesetzgeber ist außerdem mit dem NaBeG (Nachhaltigkeitsbericht-Gesetz) im Rückstand.“ Bei ICON sieht man Ähnliches. Neben einigen ­Early Adopters stehen viele Unternehmen bei den Vorbereitungen auf diese Neuerungen noch in den Kinderschuhen. „Das ist auch verständlich, da die Themen neu und oft sehr komplex sind bzw. teilweise noch die endgültige gesetzliche Umsetzung fehlt. Dies macht sowohl die Planung als auch die Umsetzung für die Unternehmen und uns als Beratende sehr schwierig.“ Aktuell wird fieberhaft daran gearbeitet die Klienten zu informieren und zu sensibilisieren. „Wir haben schon zwei Informationsveranstaltungen dazu abgehalten – mit mäßigem Interesse“, berichtet Dietachmair.

Bernhard Dietachmair CEO Dietachmair & Partner

ZUR PERSON

Bernhard Dietachmair ist seit 2008 in der Branche tätig. Er gründete Dietachmair & Partner mit Niederlassungen in Wien und Linz. Das Unternehmen berät knapp 1.000 Klienten und ist spezialisiert auf Corporate Taxation, Business Development sowie M & A. Dietachmair studierte in Linz, Toronto, Köln, Brüssel und Shanghai und ist als Lektor und Autor tätig.

Entbürokratisierung leicht gemacht

Die aktuelle bürokratische Flut lässt ­viele Unternehmen stöhnen. Von Lenkungsaufgabe und Steuern, die „steuern“, scheinen sich die Gesetzgeber zu entfernen. Wie könnte man dieses ­Steuer wieder herumreißen? „Es geht darum, dass sich Unternehmen wieder auf das konzentrieren können, worin sie gut sind und womit sie ihr Geld verdienen – und damit auch Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Viele (steuerliche) Regelungen sind ­mittlerweile jedoch so komplex, dass selbst ­Fachleute sie nicht mehr auf Anhieb verstehen“, so Mitterlehner. Dass es geht, glaubt auch Bernhard Dietachmair: „In der Pandemie sind plötzlich einfache Lösungen aufgetaucht. Das sollte beibehalten werden. Es wurden beispielsweise die steuerfrei und in der Höhe begrenzte Covidprämie oder dann die Teuerungsprämie eingeführt. Das hat die Lohnverrechnungsabteilungen echt entlastet. Aber auch in der Umsatz- und Einkommensteuer wurden neue Höchstgrenzen bzw. Ausgabenpauschalen für Kleinunternehmer eingeführt. Das hat viele Unternehmer ermutigt, positiv in die Zukunft zu schauen.“ Weniger Bürokratie sei dabei nicht nur eine Entlastung für die Unternehmen, wie Mitterlehner meint, sondern auch für die Behörden. „Die Themen müssten daher klarer und weniger aufwendig gestaltet werden. Gerade bei Meldungen und Erklärungen wäre oft eine Vereinheitlichung notwendig, um den Aufwand für Unternehmen und Berater zu senken.“

more