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Generaldirektor
Heinrich Schaller Generaldirektor Raiffeisenlandesbank OÖ
Heinrich Schaller Generaldirektor Raiffeisenlandesbank OÖ
Hermann Wakolbinger

Heinrich Schaller: „Sehr gefährliche Tendenz“

22.11.2024 um 12:26, Klaus Schobesberger
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Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ, über Österreich als „kranker Mann Europas“ und die prekäre Lage der Industrie.

CHEFINFO: Ist Österreich der kranke Mann Europas, wie Gunter Täuber, der Chefanalyst der Raiffeisenbank International, es formuliert hat?

Heinrich Schaller: Ich würde nicht sagen „der“, sondern Österreich ist einer der kranken Männer Europas.

Was muss passieren, damit es wieder aufwärts geht?

Schaller: Wir müssen die Ausgabenseite massiv durchforsten. Ein generelles Unterstützen der gesamten Bevölkerung etwa im Energiekostenbereich ist nicht notwendig. Der Staat ist gefordert, Investitionsanreize für Unternehmen zu schaffen und die Steuerquote ein Stück weiter nach unten bringen, denn auch da sind wir im europäischen Spitzenfeld. Als längerfristige Maßnahme sehe ich, die Bildung im Wirtschaftsbereich zu stärken. Wenn Menschen nicht verstehen, warum bestimmte Maßnahmen gesetzt werden oder gesetzt werden sollten, dann werden sie sich auch nicht damit auseinandersetzen können. Und schließlich müssen wir ganz entscheidend die Leistungsbereitschaft der Einzelnen fördern. Es kann nicht sein, dass jemand, der viel Leistung erbringen will, steuerrechtlich und finanziell so behandelt wird, wie jemand, der nur Teilzeit beschäftigt sein will. Ich sage bewusst „will“, nicht „kann“.

Österreichs Industrie befindet sich in einer Abwärtsspirale und auch unser wichtigster Handelspartner Deutschland erlebt eine Dämmerung der Industrie-Ikonen. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Schaller: Wir sollten nicht alles auf -unsere Nachbarn schieben. Für die extremen Lohnkostenerhöhungen und die hohen Energiepreise sind wir schon selbst verantwortlich. Wir sind im internationalen Vergleich bei Weitem nicht mehr so konkurrenzfähig, wie wir es einmal waren. Aufgrund dieser hohen Belastungen beginnen Unternehmen darüber nachzudenken, nicht nur außerhalb Österreichs, sondern außerhalb Europas zu expandieren. Die Tendenz einer Deindustrialisierung ist extrem gefährlich. Im europäischen Raum kommen andere Ursachen noch dazu, die bei uns auch wirken. Wenn Unternehmen immer stärker eingeschränkt werden, weil die Kosten aufgrund der Regulierungswut nicht mehr stemmbar sind, dann haben wir früher oder später ein Problem in der gesamten EU.

Die EU-Kommission hat zumindest signalisiert, das Problem erkannt zu haben.

Schaller: Ja, aber allein mir fehlt der Glaube, dass hier wirklich etwas in die Gegenrichtung unternommen wird. Ich denke auch, dass das sehr, sehr schwierig sein wird. Denn ich bin mir nicht sicher, ob es noch irgendjemanden gibt, der eine Übersicht über die gesamten Regulierungen in ihrer Detailliertheit allein der letzten vier Jahre hat. In diesem Zeitraum gab es 580 neue Vorschriften für Unternehmen nur zum Thema Nachhaltigkeit. Ausgedruckt sind das Tausende Seiten, die Unternehmen umzusetzen haben.

Sie feierten kürzlich Ihren 65. Geburtstag und sind rund 40 Jahre in der Finanzbranche tätig. Was reizt Sie am Bankgeschäft?

Schaller: Das Interessante am Bankgeschäft ist, dass man mit nahezu allen Bereichen des Wirtschaftslebens in Berührung kommt. Diese Vielfalt kann unglaublich spannend sein. Wir haben zudem eine gewisse Sonderstellung, da wir das Bank- und Finanzierungsgeschäft nicht nur über Fremdkapitalfinanzierung, also Kreditfinanzierung, abwickeln, sondern auch über Eigenkapitalfinanzierung in Form von Beteiligungen. Das macht das Tätigkeitsfeld noch viel interessanter.

Sie haben Ihre Nachfolge geregelt. Nächstes Jahr wird Ihnen Reinhard Schwendtbauer als Generaldirektor nachfolgen. Planen Sie schon für die Zeit danach?

Schaller: In den nächsten Monaten wird sondiert. Was mir wichtig ist: Ich möchte das ruhigere Leben auch dazu nutzen, mich mehr meinen Hobbys zu widmen. Eines davon ist das Reisen. 

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