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Meinl-Reisinger im Wahlstudio des ORF
Meinl-Reisinger will nach der Wahl Teil einer Reformkoalition werden.
Meinl-Reisinger will nach der Wahl Teil einer Reformkoalition werden.
Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com

Beate Meinl-Reisinger: "Wir sind der Stachel im Fleisch"

18.09.2024 um 15:58, Stefanie Hermann
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Umschwung in der Migrationspolitik, Pochen auf Reformen und Kassasturz: Meinl-Reisinger im Wahlinterview übers Anpacken, Umdenken und Willen zum Mitgestalten.

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Bildung, wirtschaftliche Freiheit und Entlastung für die Bevölkerung: Beate Meinl-Reisinger und die NEOS haben große Pläne für Österreich. Die Steuerquote soll gesenkt, das Pensionssystem reformiert und das Land wieder zukunftsfähig gemacht werden. Aktuelle Umfragen prognostizieren den Pinken ein Wahlergebnis knapp unter zehn Prozent. Für NEOS-Frontfrau Meinl-Reisinger ist trotzdem klar: Ohne NEOS in der Regierung geht es nicht.

Arbeitnehmer vs. Arbeitgeber

Ihre Partei wird oft als „Partei der Besserverdiener“ kritisiert. Wie wollen Sie auch die weniger Privilegierten ansprechen?
Beate Meinl-Reisinger: Ich halte das für billige Propaganda. Mir geht es darum, Politik für alle Menschen in Österreich zu machen, die sich aus eigener Kraft ein selbstbestimmtes Leben aufbauen möchten. Ich mache Politik für alle, die überzeugt davon sind, dass wieder zählen muss, was man kann, nicht, wen man kennt und die uns NEOS als die einzige unverbrauchte Reformkraft dabei unterstützen möchten, Österreich wieder an die Spitze zu bringen. Gleichzeitig geht es uns NEOS darum, allen Kindern, unabhängig ihres familiären Backgrounds, alle Chancen auf ein erfolgreiches und erfülltes Leben zu geben.

Die NEOS fordern mehr wirtschaftliche Freiheit. Wie wollen Sie gleichzeitig sicherstellen, dass Arbeitnehmerrechte nicht beschnitten werden?
Beate Meinl-Reisinger: Ich bin überzeugt, dass dieses gegeneinander Ausspielen von Arbeitgebern- und Mitarbeitern ein Ende haben muss. Weniger Bürokratie und Steuern für Unternehmen und Arbeitnehmerrechte sind kein Widerspruch. Gleichzeitig werden wir mit einer Steuersenkung auf Arbeit für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 10 Prozent mehr Netto vom Brutto durchsetzen. Leistung muss sich wieder lohnen. Es ist bezeichnend, dass dieses Versprechen nach 37 Jahren ÖVP in der Regierung noch immer nicht eingelöst ist.

Bereit für die Regierung

Als kleinere Partei werden die NEOS oft lediglich als „Zünglein an der Waage“ betrachtet. Wie wollen Sie verhindern, dass Sie in Koalitionen Ihre Prinzipien aufgeben müssen?
Beate Meinl-Reisinger: Wir wollen nicht in eine Regierung, wir sind bereit dazu. Es geht nicht darum, was ich will, Politik ist kein Selbstzweck. Die entscheidende Frage ist, ob es nach der Wahl gelingt, eine Reformkoalition zu bilden. Da haben wir eine wichtige Rolle, als Stachel im Fleisch und mit der nötigen Energie. Es geht darum, in welche Zukunft Österreich nach der Wahl geht. Gibt es wieder Schwarz-Blau oder Blau-Schwarz? Oder können wir die Zukunft in Österreich besser gestalten. Österreich steht wirtschaftlich schlecht da. Rot und Schwarz kriegen strukturelle Reformen ohne uns aber nicht zusammen. Wir stehen bereit und haben die Pläne dafür. Es braucht eine Kraft, die Mut und Energie für Veränderung hat. Das sind wir NEOS.

Harte Reformen sind notwendig

Den NEOS wird vor allem im Bildungsbereich große Themenkompetenz nachgesagt. Wie kann man die Bevölkerung vom restlichen Parteiprogramm überzeugen?
Beate Meinl-Reisinger: Viele Menschen in Österreich haben verstanden, dass ein “weiter wie bisher” keine Option ist. 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wissen, dass harte Reformen notwendig sind. In Österreich sind so viele Systeme – gerade im Bildungs- und Gesundheitsbereich – verkrustet, teuer und ineffizient. Sie bringen nicht mehr die Ergebnisse, die sich die Leute für das viele Steuergeld verdienen. Da haben es sich einige bequem gemacht, insbesondere aus dem ÖVP- und SPÖ-Umfeld. Auch das Thema saubere Politik treibt uns um. Wir NEOS sind die einzig unverbrauchte und unabhängige Kraft und stehen bereit, Reformen umzusetzen.

Der erste Schritt einer neuen Regierung muss ein ehrlicher Kassasturz sein.

Beate Meinl-Reisinger

Die drei wichtigsten Vorhaben

Welches Problem in Österreich muss die neue Regierung sofort angehen?
Beate Meinl-Reisinger: Der erste Schritt einer neuen Regierung muss ein ehrlicher Kassasturz sein. Die schwarz-grüne Bundesregierung hat in den letzten fünf Jahren über 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Diese Entwicklung müssen wir dringend umkehren. Wir werden jeden Cent umdrehen und ganz genau schauen, ob er auch sinnvoll eingesetzt wird. So schaffen wir Spielraum für die notwendige Entlastung der Menschen.

Welche drei Maßnahmen würden Sie umsetzen, wenn Ihre Partei die absolute Mehrheit im Nationalrat hätte?
Beate Meinl-Reisinger: Eine grundlegende Bildungsreform, um allen Kindern alle Chancen zu geben; echte Entlastung der Bevölkerung indem die Steuerquote auf unter 40% gesenkt wird und alle Menschen 10 Prozent mehr Netto verdienen; ein Kassasturz und das Durchleuchten aller Förderungen, um den finanziellen Spielraum für die ersten beiden Maßnahmen zu schaffen.

Klimaschutz

Wie kann man den Spagat zwischen Klimaschutz und persönlicher Mobilität schaffen?
Beate Meinl-Reisinger: Klimaschutz ist ein gemeinsamer, europäischer Kraftakt, bestehend aus einer Vielzahl an Maßnahmen. Leider war die schwarz-grüne Regierung zu mut- und kraftlos, ein effektives Klimaschutzgesetz vorzulegen. Wir NEOS zeigen in Wien aber, dass es besser gelingt, wenn man nicht dogmatisch an den Klimaschutz herangeht. Wir haben die Radwegkilometer deutlich erhöht und geschafft, dass Wien klimaneutral bis 2040 sein wird. Das war vorher nicht möglich.

Was tun Sie persönlich für den Klimaschutz?
Beate Meinl-Reisinger: Ich fahre in Wien meistens mit dem Rad, beruflich sehr viel Zug und bin im Wahlkampf mit einem Elektrobus unterwegs.

Teuerung & Pensionsreform

Vor allem Inflation und Teuerung machen vielen zu schaffen. Müssen wir uns an einen Wohlstandsverlust gewöhnen?
Beate Meinl-Reisinger: Durch die “Koste es, was es wolle”-Politik haben ÖVP und Grüne ein riesiges Loch ins Budget gerissen. Wir müssen daher vor allem den Haushalt sanieren – mit einem mutigen Sanierungsprogramm. Dadurch kann der Spielraum für echte Zunkunftsinvestitionen und die dringend notwendige Entlastung geschaffen werden, damit allen Menschen mehr Geld im Börserl bleibt.

Würde es mit Ihnen in einer Regierung zu einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters kommen?
Beate Meinl-Reisinger: Es wird zu einer grundlegenden Reform des Pensionssystem kommen, wie sie alle Expertinnen und Experten fordern. Unser Ziel ist ein flexibles Pensionssystem nach schwedischem Vorbild. Mittel- bis langfristig müssen wir also den Pensionsantritt an die Lebenserwartung koppeln. Ich will aber höhere Pensionen für alle! Wir müssen den Kapitalmarkt miteinbeziehen und Anreize setzen, ergänzend zum Pensionssystem, dass die Menschen auch eigenverantwortlich vorsorgen.

Migration und Asyl

Festung Österreich oder offene Grenzen?
Beate Meinl-Reisinger: Ein starkes Österreich in einem starken Europa.

Wie viel Zuwanderung und welche verträgt Österreich?
Beate Meinl-Reisinger: Klar ist: Diese irreguläre Migration überfordert alle und das wollen auch wir nicht. Es muss auch möglich sein, straffällig gewordene Asylwerber nach Syrien abzuschieben. Dass das nicht passiert, versteht mittlerweile niemand mehr. Und es entsteht auch der Eindruck der Machtlosigkeit des Staates, und das darf nicht sein. Was Österreich braucht, ist qualifizierte Zuwanderung. Und nach 37 Jahren ÖVP in der Regierung muss man sagen: Österreich ist kein attraktives Land für gut qualifizierte Menschen.

Russland und die Sanktionen

Wie stehen Sie zu den aktuellen Sanktionen gegen Russland und deren wirtschaftlichen Auswirkungen auf Österreich?
Beate Meinl-Reisinger: Es ist unsere europäische Verantwortung, uns konsequent gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu stellen.

Was würden Sie Vladimir Putin bei einem Gespräch in einem Kaffeehaus sagen?
Beate Meinl-Reisinger: Ich würde ihm die Fotos der toten Kinder in der Ukraine zeigen, die er auf dem Gewissen hat.

Aber nur der Politik symbolisch den Mittelfinger zu zeigen und dem Protest eine Stimme zu geben, reicht nicht.

Beate Meinl-Reisinger

Rückzug ins Private ist gefährlich

Es gibt immer mehr unzufriedene Bürger. Was sagen Sie den Menschen, die sagen: „Politiker kümmern sich nicht um uns?”
Beate Meinl-Reisinger: Ich verstehe euch. Aber nur der Politik symbolisch den Mittelfinger zu zeigen und dem Protest eine Stimme zu geben, reicht nicht. Wir müssen das gemeinsam wieder hinkriegen. Politik und Bevölkerung. Aber dafür braucht es Optimismus, Vertrauen und dringend notwendige Reformen.

Die letzten Jahre waren von verschiedenen Krisen geprägt. Was haben Sie aus dieser Zeit persönlich und politisch mitgenommen?
Beate Meinl-Reisinger: Viele haben sich ins Private zurückgezogen und schauen keine Nachrichten mehr. Dazu dieser massive Vertrauensverlust in die Politik. Das ist brandgefährlich. Dieser Rückzug ins Private, dieses Neo-Biedermeier, am Sofa zu kuscheln und Serien zu streamen oder ins Smartphone zu schauen, statt die Nachrichten – ich mach' das auch manchmal gerne. Aber diese Zeit heute ist so brenzlig, dass es politisches Handeln aller braucht. “Democracy dies in darkness”, schreibt die Washington Post – aber auch an dieser Einigelung im Privaten. Österreich braucht mutige Reformen. Und die werden wir angehen – dazu braucht es auch die Menschen in Österreich.

Was ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Bundeskanzler/in mitbringen muss?
Beate Meinl-Reisinger: Energie, Mut und Demut.

Fokus auf das Gemeinsame

Spaltung der Gesellschaft und aufgeheizte politische Debatte: Was werden Sie persönlich in der kommenden Legislaturperiode tun, um das politische Klima zu verbessern?
Beate Meinl-Reisinger: Da müssen wir uns alle an der Nase nehmen – auch wir. Ich habe das auch in meinem Buch erwähnt. Wir müssen uns wieder darauf konzentrieren, was gemeinsam geht.

Mit welchem österreichischen Politiker – der nicht aus Ihrer Partei stammt – würden Sie auf ein Achterl Wein gehen?
Beate Meinl-Reisinger: Ich habe mit vielen Politikern und Politikerinnen anderer Parteien eine gute Gesprächsbasis.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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