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Werner Kogler im Interview mit der APA
Kogler fürchtet keinen Malus durch die Causa Schilling.
Kogler fürchtet keinen Malus durch die Causa Schilling.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Werner Kogler: "Bin privat gern ein echter Öko"

17.09.2024 um 12:44, Stefanie Hermann
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Vizekanzler Werner Kogler über den Schilling-Malus, Kompromisse in der Koalition und wie grüne Klimapolitik Österreichs Wirtschaft sichern soll.

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Die Grünen stehen am Scheideweg: Während für die FPÖ laut Umfragen die Macht in Reichweite ist, muss der Junior-Koalitionspartner härter denn je um Kurs und Wähler kämpfen. Eine künftige Regierungsbeteiligung scheint unwahrscheinlich. Vizekanzler Werner Kogler warnt eindringlich: Ohne die Grünen droht ein Klima-Rückschritt; die Hartnäckigkeit in der Regierung habe sich ausgezahlt.

Kompromisse & Glaubwürdigkeit

Nach den letzten Umfragen drohen den Grünen herbe Verluste. Was fürchten Sie bei der kommenden Wahl eher: Einen Schilling- oder einen Regierungs-Malus?
Werner Kogler: Ich fürchte mich bei Wahlen vor gar nix eigentlich. Ein Wahlkampf sollte ein Wettkampf um die besten Ideen sein und die haben wir. Bei uns Grünen ist glasklar wofür wir antreten: Echten Klima- und Naturschutz gibt es nur mit uns. Gemeinsam mit Leonore Gewessler, Alma Zadic, Johannes Rauch und vielen mehr bin ich in ganz Österreich unterwegs, um möglichst viele Menschen mit unseren Ideen zu begeistern.

Sie mussten in der Koalition oft Kompromisse eingehen. Wo ziehen Sie die Grenze, um die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei zu bewahren?
Werner Kogler: In einer Demokratie gibt es immer Kompromisse, das liegt im Wesen der Sache: Unterschiedliche Positionen werden ausdiskutiert und am Ende finden sich Lösungen – das gehört dazu und ist auch gut so. Uns Grünen ist es dabei sehr oft gelungen, uns durchzusetzen und Dinge auf den Boden zu bringen, die das Leben von vielen Menschen ein Stück weit besser machen. Ich denke da zum Beispiel an das Klimaticket, mit dem die Menschen mit allen Öffis kostengünstig und bequem durch Österreich düsen können, die Einführung des Plastikpfands, die automatische Anpassung der Sozial- und Familienleistungen an die Inflation und die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung. Und das wohl wichtigste, wenn es um Glaubwürdigkeit und Vertrauen geht: Wir halten unsere Versprechen. Wir sind angetreten, um ehrlichen Klimaschutz zu machen. Und siehe da: die Emissionen sinken erstmals. Das unterscheidet uns Grüne von anderen Parteien. Bei denen ist der Klimaschutz Teil der Sonntagsrede und dann betonieren sie eine Autobahn durchs Naturschutzgebiet, wenn sie an der Macht sind.

Klimaschutz & Wirtschaft: Ein Widerspruch?

Kritiker sagen, dass Ihre Klimapolitik auf Kosten des Standorts geht. Wie wollen Sie Klimaschutz und eine florierende Wirtschaft in Einklang bringen?
Werner Kogler: Mir geht es schon seit meiner Studienzeit darum, Wirtschaft, Klimaschutz und soziale Tragfähigkeit unter einen Hut zu bringen. Und das geht, man muss den Rahmen und Planbarkeit für Betriebe schaffen und sie auf dem Weg zu einer Wirtschaft, die mit der Natur statt gegen sie arbeitet, unterstützen. Ganze viele österreichische Unternehmen wollen das, und sind damit auch viel weiter als es Funktionäre in den angeblichen Vertretungen behaupten. Sie setzen auf grünen Strom statt Öl und Gas, schauen auf kleine Kreisläufe und Regionalität. Auch große Brummer wie die Voest produzieren bald grünen Stahl. Sie wissen: Auf einem kaputten Planeten gibt es keine Wirtschaft. Moderner Klimaschutz ist gut für die Menschen, weil ihre Lebensgrundlage gerettet wird. Und gut für die Wirtschaft, weil neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist kein Entweder-oder. In vielen grünen Jobs schaut in der Zukunft auch mehr Geld für die Jungen heraus. Immer mehr wollen ihren Lebensunterhalt nämlich mit Klimaschutz und nicht mit Naturzerstörung verdienen.

Bei denen ist der Klimaschutz Teil der Sonntagsrede und dann betonieren sie eine Autobahn durchs Naturschutzgebiet, wenn sie an der Macht sind.

Werner Kogler

Wie kann man den Spagat zwischen Klimaschutz und persönlicher Mobilität schaffen?
Werner Kogler: Ich glaube, das muss kein Spagat sein. Persönliche Mobilität kann klimafreundlich und einfach sein – das zeigt das Klimaticket. Wir kämpfen dafür, dass noch mehr Menschen ein gutes Öffi-Angebot zur Verfügung haben – mehr Strecken, mehr Züge und Busse, bessere Taktungen. Wir wollen, dass die klimafreundliche Alternative die bequemere, günstigere und sicherere für alle wird.

Was tun Sie persönlich für den Klimaschutz?
Werner Kogler: Beruflich liegt das, glaub ich, auf der Hand: Jeden Tag für Gesetze und Vorhaben kämpfen, die unser Klima schützen und unseren Planeten für die Kinder und Enkerl bewahren. Klar, bin ich auch privat gern ein „echter Öko“, fahre gern Zug und trenne – etwas sehr akribisch – Müll. Wichtig ist, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, damit jene, die das Klima schützen, nicht die Dummen sind. Klimaschutz soll sich auszahlen – weniger Dreck in der Luft, mehr Geld im Börserl sozusagen. Nach fünf Jahren Grünen in der Regierung klappt das immer mehr: Dank Klimabonus, Reparaturbonus, Erneuerbaren-Förderungen, Klimaticket und so weiter. Ohne Grüne in der Regierung kann es leicht sein, dass diese Fortschritte wieder zu Grabe getragen werden und Österreich wieder Dreck in der Luft fördert.

Die wichtigsten Regierungsziele

Welches Problem in Österreich muss die neue Regierung sofort angehen?
Werner Kogler: Das drängendste Problem unserer Zeit ist ganz klar die Klimakrise. Die Auswirkungen spüren wir schon heute. Dürreperioden und extreme Hitze, dass Ernten kaputtgehen und die Menschen in der Stadt nicht mehr gut schlafen können auf der einen Seite. Und extreme Niederschläge und Unwetter auf der anderen Seite, die große Schäden und menschliches Leid verursachen. Die erste Grüne Regierungsbeteiligung hat dazu geführt, dass die Emissionen sinken und wir etwas gegen die Klimakrise tun können. Nur: Ohne Grüne kein Klimaschutz. Wenn Kickl und Co in die Regierung einziehen, drohen Fortschritte wie Klimaticket, Erneuerbaren-Förderungen oder Klimabonus einfach abgedreht zu werden.

Welche drei Maßnahmen würden Sie umsetzen, wenn Ihre Partei die absolute Mehrheit im Nationalrat hätte?
Werner Kogler: Uns ist sehr, sehr viel gelungen in den letzten Jahren. Ich denke da an den Boom der Solarenergie, an das Klimaticket, den Reparaturbonus oder die Förderungen für den Heizungstausch, die Abschaffung der Maklergebühr oder das Ende der kalten Progression. Gerade beim Klimaschutz bremsen und blockieren aber ÖVP und SPÖ unisono – von den Klimawandelleugnern der FPÖ ganz zu schweigen. Ganz oben auf der grünen Liste stünde der Natur- und Ackerschutz. Wir Grüne würden sofort verbindliche Bodenschutzziele einführen und dem ungezügelten Zubetonieren unserer Heimat endlich einen Riegel vorschieben. So könnten wir Wiesen, Wälder und Äcker bewahren und uns gleichzeitig vor Hochwässern, Hitze und Wasserknappheit schützen, anstatt mit leeren Fachmarkzentren unsere Landschaft zu verschandeln. Verbindliche Ziele braucht es auch für den Klimaschutz, damit Wirtschaft und Industrie planen können und die Emissionen weiter zurückgehen. Und wir müssen endlich davon wegkommen, Transitmagnet Europas zu sein. Gäbe es nicht so viel altes Denken bei anderen Parteien, wäre der Tanktourismus, der Abgase, Lärm und Luftverschmutzung bringt, längst Vergangenheit.

Teuerung: Folge des russischen Angriffkriegs

Würde es mit Ihnen in einer Regierung zu einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters kommen?
Werner Kogler: Wichtig ist – und dafür tun die Grünen auch viel – dass das faktische und das gesetzliche Pensionsantrittsalter sich treffen. Da sind wir noch ziemlich weit davon entfernt. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters macht für uns keinen Sinn. Es muss klar sein, dass jemand, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, die Pension genießen kann.

Vor allem Inflation und Teuerung machen vielen zu schaffen. Müssen wir uns an einen Wohlstandsverlust gewöhnen?
Werner Kogler: Die Teuerung war eine Folge des brutalen Angriffskriegs Putins auf die Ukraine und sie hat uns einmal mehr gezeigt: Wir müssen endlich unabhängig werden von Despoten. Deswegen: Raus aus den Fossilen und rein in die Erneuerbaren. Also auch die Grüne Energiewende statt die nächste Staffel Putinseilschaften. Darüber hinaus ist uns in der Anti-Teuerungs-Politik wichtig, dass jene, die weniger haben auch viel stärker entlastet und unterstützt werden. Wir haben deshalb unter anderem durchgesetzt, dass wenn die Preise z. B. im Supermarkt steigen, auch die Sozial- und Familienleistungen mitwachsen. Jedes Jahr, automatisch. Uns war es wichtiger, dass wir die Alleinerzieherin so gut es geht durch die Krise bringen und nicht, dass der Manager sich einen zweiten SUV kaufen kann.

Russland und die Sanktionen

Wie stehen Sie zu den aktuellen Sanktionen gegen Russland und deren wirtschaftliche Auswirkungen auf Österreich?
Werner Kogler: Ich stehe voll und ganz hinter den Sanktionen. Putin führt einen brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das dürfen wir nicht dulden. Wenn Putin aufhört, ist der Krieg vorbei. Wenn die Ukraine aufhört, ist sie ausgelöscht. Deswegen tragen wir die gemeinsame europäische Sanktionslinie mit. Die Freiheit, die Souveränität und das Lebensrecht der Menschen in der Ukraine dürfen kein Preisschild haben.

Was würden Sie Wladimir Putin bei einem Gespräch in einem Kaffeehaus sagen?
Werner Kogler: Ich glaube nicht, dass es dazu jemals kommen würde, der zieht wohl lieber mit den blauen Putinbrüdern um die Häuser. Da gibt’s ja das eine oder andere Selfie. Wichtig ist natürlich trotzdem, Gesprächskanäle offenzuhalten und gleichzeitig unmissverständlich solidarisch mit der Ukraine zu sein.

Migration & Asyl

Festung Österreich oder offene Grenzen?
Werner Kogler: Wir Grüne stehen für Menschlichkeit und Ordnung in der Migrationspolitik. Das heißt, es braucht klare Regeln und Kontrollen für Migration und gleichzeitig muss klar sein, dass jemand, der vor Krieg und Verfolgung flieht, auch Schutz in Europa bekommt. Von diesem zukunftsvergessene Festungsgerede der Kickl-FPÖ halte ich gar nichts. Ich wüsste gerne, wer unsere Eltern und Großeltern pflegen soll in dieser absurden Fantasie. Europaweit kämpfen Länder um Fachkräfte. Österreich darf sich da nicht isolieren und muss für Arbeitskräfte attraktiv bleiben.

Wie viel Zuwanderung und welche verträgt Österreich?
Werner Kogler: Wir brauchen in der Migration Menschlichkeit und Ordnung. Das ist keine Entweder-oder-Frage. Klar ist: Wer vor Krieg und Verfolgung flieht, braucht Schutz. Genauso klar ist aber: Grenzen müssen kontrolliert werden, um Schutz zu gewährleisten, und Asylverfahren sollen schnell und fair sein. Alle EU-Länder müssen sich endlich an den Verteilungsschlüssel halten – es kann nicht sein, dass zum Beispiel Ungarn niemanden aufnimmt. Völlig klar ist auch: Wer nach Europa kommt, muss sich auch an die Regeln, die hier gelten, halten.

"Hartnäckigkeit zahlt sich aus"

Es gibt immer mehr unzufriedene Bürger. Was sagen Sie den Menschen, die sagen: „Politiker kümmern sich nicht um uns?”
Werner Kogler: Denen kann ich nur versichern: Mein Team und ich geben unser Bestes, um für euch zu arbeiten. Ich verstehe den Frust, den Ärger und die Angst in so schwierigen Zeiten wie den aktuellen. Setzen wir uns zusammen, reden wir darüber, finden wir Lösungen. Gemeinsam haben wir eine Zukunft zu gewinnen.

Die letzten Jahre waren von verschiedenen Krisen geprägt. Was haben Sie aus dieser Zeit persönlich und politisch mitgenommen?
Werner Kogler: Sehr viel. Zum Beispiel, dass sich Hartnäckigkeit und Zuversicht immer auszahlen, auch wenn es dazwischen schon mal hoffnungslos aussieht. Wir haben viele Kämpfe gegen das alte Denken gekämpft und oft den längeren Atem gehabt: Klimaticket, Plastikpfand, Renaturierungsgesetz, Informationsfreiheit und vieles mehr. Ich glaube, in einer Zeit mit so massiven globalen Krisen Verantwortung zu haben, heißt auch ab und an falsche Entscheidungen zu treffen und Fehler eingestehen zu können.

Was ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Bundeskanzler/in mitbringen muss?
Werner Kogler: Ich würde sagen, Integrität und ein ehrliches Interesse daran, wie es den Menschen in Österreich geht.

Gemeinsames vor Trennendem

Spaltung der Gesellschaft und aufgeheizte politische Debatte: Was werden Sie persönlich in der kommenden Legislaturperiode tun, um das politische Klima zu verbessern?
Werner Kogler: Ich glaube, das Wichtigste ist: Zuhören. Hören wir den Menschen zu, die sich vor immer heißeren Sommern fürchten. Hören wir den Jungen zu, die Angst vor dem Rechtsruck haben, weil sie sich davor fürchten, ihre Freiheiten zu verlieren. Und: Stellen wir das Gemeinsame vor das Trennende.

Mit welchem österreichischen Politiker – der nicht aus Ihrer Partei stammt – würden Sie auf ein Achterl Wein gehen?
Werner Kogler: Da gibt’s sicher viele. Mit Othmar Karas kann man sich sicher gut unterhalten. Auch Doris Bures hätte sicher einiges zu erzählen. Und mit dem Kollegen Schellhorn, hat man auch immer eine Gaudi.

Das Interview wurde schritftlich geführt.

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