007 und die Damen: Ist James Bond frauenfeindlich?
Ich starte mit einer Einschränkung. In diesem Beitrag wird es nicht um die Spionageromane und Kurzgeschichten von Ian Fleming gehen, auch nicht um die Filme vor der Ära Craig. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels ist der oder die neue 007 noch nicht bekannt. Daher kann ich meinen Blick nicht nach vorne in die Zukunft richten, sondern nach hinten in die Vergangenheit. Und diese umfasst für mich fünf Filme: Casino Royale, Ein Quantum Trost, Skyfall, Spectre, Keine Zeit zu sterben. Wenn ich an James Bond denke, habe ich exakt jenen Kerl im Kopf, den Daniel Craig verkörpert.
James Bond und seine Attraktivität
Fast jede Frau, die seinen Weg kreuzt, schläft mit ihm. Anders ausgedrückt: Er nimmt sich, wen er will. Und er kriegt alle, die er haben will. Woran liegt das? Vielleicht daran: James Bond schaut blendend aus, ist charmant, ein wenig unnahbar, bringt dort, wo er auftaucht, einen Hauch von Gefahr mit, und agiert gleichzeitig als Beschützer – immerhin ist er ein gut gebauter Kerl und beherrscht atemberaubende Kampftechniken, die Actionfilmen würdig sind.
Er trägt perfekt sitzende Kleidung, ist eine Mischung aus Macho und Lebemann. Ganz ehrlich, ich würde sexy Daniel … äh, James auch nicht von der Bettkante stoßen. Warum stelle ich dieses Gedankenspiel überhaupt an? Mein Leben verläuft definitiv ruhiger und sicherer ohne ihn. Mit ihm würde vermutlich auf uns geschossen. Wir würden verfolgt werden und müssten vor einem verbrecherischen Psychopathen fliehen. Nein, danke. Das ist zu viel Nervenkitzel.
James Bond und seine Wirkung auf Frauen
Braucht James Bond Informationen, fragt er nicht einfach nach. Er schläft mit der Informantin und fragt im Zuge dessen nach. Beispiel gefällig? Monica Bellucci als Witwe, die ihm von einer Spectre-Zusammenkunft erzählt. Ist ihm einfach nur danach, seinen Trieben zu folgen, findet sich immer eine Gespielin griffbereit, die gern und bereitwillig mitmacht. Erinnert ihr auch an die Konsulatsmitarbeiterin Fields aus dem zweiten Bond-Film? Es ist riskant, mit Bond das Bett zu teilen. Später wird Fields von Leuten, die Bond schaden wollen, bestialisch ermordet, nämlich in Öl ertränkt.
Auch wenn er eine Dame bewachen, schützen oder retten soll, wird früher oder später mehr daraus. James und Lady Wer-auch-immer-gerade-aktuell-ist kommen sich näher. Das gilt sowohl für Camille, die sich an General Medrano rächen will, sowie für Madeleine Swann in den letzten beiden Teilen. Übrigens sind die Bond-Frauen nicht immer ganz hilflos. Manche wissen sich durchaus schlag- und schusskräftig zu wehren.
James Bond und sein Vertrauensproblem
Er hat seine Eltern früh verloren und ist damit ideales Futter für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6. Dort werden für die brandgefährlichen, weltweiten Einsätze bevorzugt Waisen oder junge Männer ohne feste (familiäre) Wurzeln und Bindungen rekrutiert. Schon im ersten Teil will sich Bond aus dem Berufsleben zurückziehen. Er lernt Vesper Lynd kennen und lieben. Sie hintergeht ihn und stirbt.
Von da an traut er niemandem mehr. Deshalb ist es für ihn auch ganz selbstverständlich, dass Madeleine, mit der er sich im allerletzten Bond-Streifen zur Ruhe setzen will, ihn verraten hat. Dass dies eine geschickt eingefädelte Intrige sein könnte – auf diese Idee kommt er nicht einmal! Er setzt sie in einen Zug und verbannt sie aus seinem Leben … bis sie sich lange Zeit später wieder begegnen.
James Bond und seine Nebendarsteller
Miss Moneypenny, die Sekretärin des Chefs M, ist als Agentin zu ungeschickt für den Außendienst. Sie schießt auf Bond und verletzt ihn. Das hat einen Bürojob für sie zur Folge. Ein tapsiges Fräulein, das nicht mit einer Waffe umgehen kann, so sieht man uns, das weibliche Geschlecht, also? Jein. Hier zeigt sich einmal mehr, dass James Bond auch eine warme Seite hat. Er schenkt Miss Moneypenny eine Kleinigkeit zum Geburtstag, der Chef hat diesen Tag schlicht vergessen. Wobei der Chef nicht ganz korrekt ist. In den ersten drei Teilen ist Bonds Chef M eine Frau: die resolute Judi Dench.
Eine Frau in einer Führungsposition? Ja, hurra! Getrübt wird das Bild dann gleich wieder von einem launigen James, der sich liebend gern seiner Chefin widersetzt, und einem Technikgenie und Computerfreak namens Q. Zu viel lassen uns die Bond-Macher dann doch nicht in die vermeintlichen Männerdomänen eintauchen. Ein emanzipatorischer Lichtblick ist Bonds Nachfolgerin, nachdem er sich im letzten Teil aus dem operativen Geschäft zurück-gezogen hat. Der neue 007 ist EINE neue 007. Eine, die rasante Verfolgungsjagden beherrscht, genauso geschickt wie intelligent kombinieren kann und gemeinsam mit James schwer bewaffnet eine Insel stürmt.
James Bond und seine liebenswerte Seite
Kehren wir zur eingangs gestellten Frage zurück: Ist James Bond frauenfeindlich? Eindeutig lässt sich das meiner Ansicht nach nicht beantworten. Es gibt ein Für und ein Wider, mal ja und mal nein. Seit Teil eins der Reihe mit Daniel Craig hat sich einiges getan. Die Mühlen mahlen, wenn auch langsam.
James Bond ist ein Beschützer, nicht nur knallharte Killermaschine. Er ist einer, der das Herz am rechten Fleck und auch eine weiche, liebenswerte Seite hat; auch wenn er diese die meiste Zeit über geschickt verbirgt. Wenn ihm jemand wirklich am Herzen liegt, tut er alles für diese Person(en). Das macht das ultimative Ende deutlich. Ein Ende, das mich zutiefst gerührt und gleichzeitig fassungslos zurückgelassen hat.
Zur Autorin
Ungewöhnliche Trends und wenig Alltägliches - von leichter Hand präsentiert: Dem hat sich Passion Author Hanna E. Lore buchstäblich verschrieben.