Warum wir historische Serien und Filme mögen
Die Geschichte von Sisi und Franz Teil 1
Seit jeher nahmen und nehmen sich die Menschen historischen Stoffen an – in Überlieferungen, im Theater, in Romanen, auf der Kinoleinwand und im Fernsehen oder bei Streaming-Anbietern. Die vermeintlich „gute alte Zeit“ war aber selten gut: mittelalterliche Intrigen, antike Dramen, royales Liebeskarussell, Kriminalfälle voriger Jahrhunderte, entbehrungsreiches Familienleben zu Zeiten der beiden Weltkriege … Die Vergangenheit bietet eine unerschöpfliche Quelle an spannenden Stoffen.
Die Sissi-Trilogie der 1950er mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen ist im Grunde nichts anderes als ein Fluchtversuch. Die Zeiten nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren nicht rosig, die grauenhaften Bilder des Krieges immer noch in den Köpfen präsent. Wonach sehnt man sich da? Nach schöner Landschaft, einem starken und hübschen Paar, einer wunderschönen, mitunter kitschigen Liebesgeschichte – nach einer heilen Welt. Und die erschuf man in einem Zeitalter, in dem – im Nachhinein betrachtet – anscheinend manches besser war: im Kaiserreich mit opulenten Kleidern, Tänzen und Bällen, klarer Rollenverteilung der Geschlechter. Alles, was damals nicht sonderlich gut lief – ja, später sogar zum Zerfall der Monarchie geführt hat –, klammerte man entweder völlig aus oder erzählte man nur am Rande, meist als geschönte Version der eigentlichen Ereignisse.
Die Geschichte von Sisi und Franz Teil 2
Nach historischen Ereignissen frei erzählt – darauf wird am Beginn jeder Episode der aktuellen Sisi-Serie mit Jannik Schümann und Dominique Devenport hingewiesen. Ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. gab es, aber nicht in der Kirche während der Taufe seines Kindes. Sisi, die ihren Sohn Rudolf nachts aus der Militärakademie entführt? Undenkbar! Zweifel, Eheprobleme, häufige Sexszenen, das Grauen der Schlachtfelder – all das wird im Vergleich zu den Vorgänger-Sisi-Versionen (und davon gibt es einige) gezeigt.
Der Kaiser und die Kaiserin werden zu Menschen wie du und ich, sie gewähren uns den Blick durchs luxuriöse Schlüsselloch mitten in ihr Privatleben. Sie lieben, sie hassen, sie kränkeln, sie haben Sorgen und Probleme. Manches Mal ähneln sie uns, manches Mal sind ihre Nöte in einen anderen zeitlichen oder gesellschaftlichen Kontext gebettet. Dennoch – sie werden greifbar für uns. Ein netter Nebeneffekt sind Hauptdarsteller, die sich optisch sehen lassen können. Und mit Herren dieser Sorte wird in historischen Serien nicht gespart.
Die Geschichte von Claire und Jamie
Einer von ihnen ist James Alexander Malcom MacKenzie Fraser, uns allen wohl bestens bekannt als Jamie. Die Serie „Outlander“, die auf der Buchreihe von Diana Gabaldon basiert, spielt mit unserer Vorstellungskraft. Sie macht sich genau das zunutze, wonach wir uns sehnen, wenn wir historische Serien sehen. Wir tauchen in eine uns fremde, entrückte Welt, in eine längst vergangene Zeit ein und erleben Abenteuer in uns völlig unbekannten Gefilden. Wer von uns würde sich nicht gern mitten in einen Steinkreis stellen und wenige Sekunden später im rauen Schottland des 18. Jahrhunderts landen – mit einem attraktiven, wagemutigen Kerl namens Jamie an der Seite?
Ich würde gern für ein oder zwei Tage in die Vergangenheit reisen, um hautnah und am eigenen Leib zu erfahren, wie die Menschen damals wirklich lebten. Historiker wissen viel, aber nicht alles. Manches bleibt im Dunkel der Vergangenheit unwiederbringlich verloren. Deshalb wäre eine Zeitreise reizvoll, um Lücken zu schließen. Dass die Frauenrechte in vielen Epochen der Vergangenheit nicht unbedingt hochgehalten wurden, müssten wir dann eben ein paar Stunden lang hinnehmen. Aber auch dieser Aspekt wäre aus rein wissenschaftlicher Sicht durchaus spannend. Wie unterwürfig mussten unsere Geschlechtsgenossinnen damals tatsächlich agieren, welche Schlupflöcher gab es? Und eventuell würden wir ein paar Überraschungen erleben. Vielleicht war einiges ganz anders, als wir uns das heute vorstellen und ausmalen.
Die Geschichte von Rose und Jack
Ich als Historikerin habe nichts gegen historische Filme, Serien oder Romane, solange sie – mit einigen kreativen Freiheiten – gut gemacht und grundsätzlich gut recherchiert sind. Solche fiktiven Erzählungen auf historischer Grundlage machen nämlich Lust auf Geschichte! Lust darauf, die Vergangenheit zu erkunden, sich tiefer in ein Thema einzulesen, ein Museum zu besuchen oder sich eine Doku anzusehen. Im Vergleich zu den neutralen, rein wissenschaftlichen Herangehensweisen schaffen die fiktiven etwas Besonderes: Sie erreichen uns auf einer anderen Ebene, der emotionalen.
1912 sank die Titanic, ein Schiff, das als unsinkbar galt, auf ihrer Jungfernfahrt. Der Koloss kollidierte mit einem Eisberg, etwa 1500 Menschen – das waren mehr als die Hälfte der Menschen an Bord – starben. Das sind nackte Fakten und Zahlen, die uns erschüttern. Noch viel mehr trifft uns ihr Schicksal, wenn wir begreifen, dass es um Menschen wie uns ging: Besatzungsmitglieder in Uniformen, die pflichtbewusst ihren Dienst tun; Passagiere der dritten Klasse, die von einem besseren Leben träumen; Prunk und Glanz in den Räumlichkeiten der ersten Klasse; der panische Kampf um einen Platz in den Rettungsbooten; der Schmerz, den Ehemann zurückzulassen und ihn dem sicheren Tod preiszugeben. Hoffnungen, Glück, Freude zu Beginn der Reise wurden zu Angst, Trauer und Wut wenige Stunden später. Liebesgeschichten endeten abrupt, Familien wurden zerrissen. Der Untergang der Titanic war nicht bloß irgendein Schiffsunglück, es war ein bildgewaltiges. Jack und Rose gaben den vielen Opfern dieser Katastrophe ein Gesicht.
Zur Autorin
Ungewöhnliche Trends und wenig Alltägliches - von leichter Hand präsentiert: Dem hat sich Passion Author Hanna E. Lore buchstäblich verschrieben.