Wenn sich Mittdreißiger benehmen wie Harry Potter
Ich bin Jahrgang 1989. Also gehöre ich genau zu der Generation, die darauf gehofft hat, einen Brief zu erhalten. Nicht irgendeinen Brief, sondern DEN Brief. Der Brief, der die riesigen Türen von Hogwarts öffnet. Der Brief, der mich dazu zwingt, samt Gepäck durch eine Mauer zu rasen, um den Zug auf Gleis 93/4 zu erwischen. Der Brief, der mich in eine magische Welt mit gefährlichen Drachen, rasanten Quidditch-Spielen und blubbernden Zaubertränken befördert. Es kam kein Brief. Die Realität sieht anders aus als erträumt: Ich bin Muggel.
Ein paar Stunden Hexe sein
Trotzdem durfte ich vor einiger Zeit ein bisschen Zaubererluft schnuppern. Die Wanderausstellung „Harry Potter. Die Ausstellung (Wizarding World)“ gastierte in Wien. Plötzlich findet sich der eigene Name auf der Karte des Rumtreibers; Alraunen kreischen, wenn sie aus der Erde gezogen werden. Ich sagte Irrwichten den Kampf an und lieferte mir ein Zauberstab-Duell vor düsterer Kulisse. Dazwischen wurden Original-Kostüme der Darsteller*innen präsentiert. Nun weiß ich, dass Draco tatsächlich kleiner war, als er mir in meiner Fantasie erschien. Lupin etwas korpulenter als gedacht und Voldemorts Kleidung gleichzeitig schlicht wie gruselig ist.
Ich sah den Grimm, den Sprechenden Hut und den Elderstab. Und merkte zum ersten Mal, wie aufwändig verziert diese Requisiten allesamt sind. Deswegen werde ich beim nächsten Filmabend umso genauer und aufmerksamer hinschauen.
Ich war hingerissen, begeistert und baff, ob all dieser Eindrücke, die auf mich einprasselten. Ich fühlte mich wirklich wie eine Schülerin, die zum ersten Mal die Große Halle betritt und vor Staunen den Mund nicht mehr schließen kann. Dabei bin ich nicht einmal ein Über-Drüber-Super-Fan, sondern ein ganz normales Mädchen, das eben insgeheim (ja, ich weiß: naiv) hoffte, ein Teil dieser magischen Welt zu werden. Und da das nicht klappte, gaben wir uns eben mit den Büchern, den Filmen und zahlreichen Merchandise-Artikeln zufrieden.
Phänomen „Harry Potter“
Mit „wir“ meine ich meine Generation. Erwachsene Frauen und Männer zwischen Mitte zwanzig und Anfang vierzig. Klar, auch Kinder und ältere Menschen waren mit dabei, aber hauptsächlich flanierte meine Generation durch die Ausstellungshalle. Wir, die mit dieser Parallelwelt aufgewachsen und somit schlussendlich doch ein Teil davon geworden sind.
Benommen haben wir uns aber eher wie Elfjährige. Natürlich, immerhin haben wir Hogwarts und Co. zum ersten Mal wirklich betreten. Nicht nur mit unserer Vorstellungskraft, sondern im wahren Leben. Dementsprechend euphorisch brauten wir Zaubertränke und wählten unseren Patronus, haben versucht, auf Besen zu reiten, und mittels Wahrsagerkugel in unsere Zukunft geblickt. Da wir alle wissen, wie „treffend“ (haha!) die Prophezeiungen von Professor Trelawney meistens waren, dürfte es euch nicht verwundern, dass ich auf meine versprochenen Bertie Botts Bohnen bis heute warte.
Ein Zauberschüler erobert die Welt
Joanne K. Rowling schuf mit ihrem Titelhelden eine Figur, die Massen an Leser*innen nach wie vor in ihren Bann ziehen. Sie schildert den Internatsalltag und die Abenteuer eines Zauberschülers, die Kraft der Freundschaft und den Kampf Gut gegen Böse. Wie jede Autorin hoffte sie wahrscheinlich darauf, mit ihrer Geschichte die Leser*innen zu fesseln. Ja, insgeheim träumt man davon, einen Bestseller zu landen (da spricht jetzt die Autorin aus mir). Dieser Traum erfüllt sich jedoch nur für die wenigsten. Im Falle der Harry Potter-Reihe ist es gelungen … mehr als das.
Zur Autorin
Ungewöhnliche Trends und wenig Alltägliches - von leichter Hand präsentiert: Dem hat sich Passion Author Hanna E. Lore buchstäblich verschrieben.