Wie lässt sich Schüchternheit überwinden?
Schüchternheit überwinden
Ich war ein schüchternes Mädchen und teils bin ich es immer noch. Gegen diesen lästigen, dauernden Begleiter anzukämpfen, ist eine harte und vor allem tägliche Aufgabe – die mal besser, mal weniger gut gelingt. Letzteres mündet wiederum in Ärger und das ist gleichzeitig Ansporn fürs nächste Mal.
Tipp 1: Aus dem Schatten treten
So gesehen habe ich viel Zeit verloren. Es gibt Menschen, die mutig geboren werden, und solche wie mich und viele da draußen in der weiten Welt, die sich weniger (zu)trauen. Die gute Nachricht: Mut und Selbstvertrauen kann man lernen, wenn sie einem nicht schon in die Wiege gelegt wurden. Je früher, desto besser! Die schlechte Nachricht: Es wird ein langer, steiniger Weg bis dorthin und das Ziel wird man wahrscheinlich nie ganz erreichen. Wir kommen auf 99 Prozent, nicht auf die vollen 100. Aber 99 ist ein hoher Wert, wenn man vorher bei zehn Prozent stand, oder?
Ich bin mittlerweile 35 und meine „Erleuchtung“ kam erst vor einigen Jahren. Ich schreibe Kindergeschichten, habe mich aber lange Zeit geweigert, meine Geschichten selbst vorzulesen. Ich soll vor einer Gruppe sprechen? Jeder soll Zeuge werden, wie meine Hände zittern und meine Stimme sich vor Nervosität überschlägt? Was, wenn keiner kommt? Wäre das gut, weil ich dann nicht vorlesen muss, oder schlecht, weil gleichbedeutend mit peinlich? Also habe ich das Lesen jemand anderem überlassen.
Eines Tages sagte ein Mann, der selbst gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, zu mir: „Wenn du nicht selbst liest, kassiert ein anderer deine Lorbeeren. Das ist deine Geschichte und nur du kannst sie so vortragen, wie du dir das beim Schreiben ausgemalt hast.“ Auch wenn die Autorin genannt wird, das graue Mäuschen steht nicht vorne vor den Zuhörern, sondern sitzt hinten verschüchtert in der Ecke. Das war der Knackpunkt. Ich wollte nicht mehr länger die sein, die den Ruhm anderen überlässt. Es war Zeit, aus dem Schatten zu tre-ten.
Tipp 2: Langsam vortasten
Kennt ihr das Lied „Read All About It“ von Emeli Sandé? Hört mal bewusst auf den Text! Es spricht mir, dem schüchternen kleinen Mädchen, aus der Seele. Wer soll mich hören, wenn ich es nicht wage, den Mund aufzumachen?! Als Schülerin habe ich die Leute, die uns durch Museen geführt haben, immer bewundert. So wollte ich sein. Aber ich war die, die sich im Unterricht nicht die Hand heben traute (obwohl ich die richtige Antwort wusste) – aus Angst, doch etwas Falsches zu sagen und zur Lachnummer der Klasse zu werden. Und auch aus Angst davor, die Antwort zu wissen. Wer schüchtern ist, gerne und leicht lernt, wird häufig gemobbt. Leute, die sich nicht auflehnen, sind ideale Opfer.
Viele Träume bleiben unerreichbar, wenn wir schüchtern sind. Heute mache ich das, was ich damals wollte. Ich führe Besucher*innen ehrenamtlich durch ein Museum. Komischerweise hat mir das von Anfang an weniger ausgemacht als das Vorlesen. Ich führe schon länger, als ich vorlese. Wir Schüchternen tasten uns eben langsam vor. Und wie so oft, gilt auch in die-sem Fall: Übung macht den Meister. Je öfter ich etwas tue, desto erfahrener, souveräner und sicherer werde ich darin. Das hilft.
Tipp 3: An sich glauben
Zuerst kommt der Knackpunkt, das persönliche Erleuchtungserlebnis. Du musst aus deinem schützenden Schneckenhaus ausbrechen WOLLEN. Es schützt dich nämlich nicht, es blockiert und behindert dich. Dann arbeitest du Tag für Tag daran, mehr an dich selbst zu glauben, dein Selbstvertrauen zu stärken. Nicht zu vergessen auf den Feenstaub: Der Glaube ans Leben, von mir aus auch ans Schicksal, eine positive Grundeinstellung ist wichtig! Es wird Rückfälle geben, Momente, in denen du dich erneut zurückziehen wirst, statt für dich einzustehen. Lerne daraus für die Zukunft und mache es beim nächsten Mal besser! Fange klein an: Weise jemanden, der sich vordrängelt, darauf hin. Es reicht laut und deutlich zu sagen: „Hey, Entschuldigung! Ich war vorher da!“ Rufe an, statt ein Mail zu schreiben. Klar, wäre es bequemer, sich hinter der Tastatur zu verstecken, aber jeder persönliche, wenn auch nur telefonische Kontakt bringt uns einen Schritt weiter. Frag‘ im Supermarkt nach dem Produkt, das du nicht findest, und geh nicht ohne den Artikel nach Hause, nur weil du dich nicht traust, aktiv zu werden.
Später sprichst du Dinge an, die dich stören – in der Beziehung, unter Freunden und im Job. Musst du vor einer Gruppe sprechen, bereite dich darauf vor. Mache dich darauf gefasst, dass du für die nächsten Minuten ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken wirst. Tief durchatmen. Je kleiner die Notizzettel, desto weniger fällt das Zittern auf. Ich lege mir das Buch, aus dem ich vorlese, zum Beispiel im Sitzen auf die Oberschenkel. Das mache ich nicht, weil es bequem ist, sondern um meine Aufregung zu kaschieren. Sind die ersten paar Minuten überstanden, legt sich die Anspannung von ganz allein.
Kannst du in der Nacht davor nicht schlafen? Es reicht, kurz vor dem Termin nervös zu sein. Wir sollten uns nicht die Nacht davor versauen. Leg dir ein Mantra zurecht. Ich denke mir mit Blick auf den Wecker immer: Morgen um diese Zeit habe ich es geschafft. Ich habe es nicht „hinter mich gebracht“, sondern „geschafft“. Positive Einstellung oder nennen wir es die klei-ne Portion Feenstaub im Alltag!
Zur Autorin
Ungewöhnliche Trends und wenig Alltägliches - von leichter Hand präsentiert: Dem hat sich Passion Author Hanna E. Lore buchstäblich verschrieben.