Schrecklich nette Mieter
Passende Mieter zu finden kann Zeit und Nerven kosten – und ob man die richtige Entscheidung getroffen hat, weiß man meistens erst einige Monate später. Auf Bauchgefühl und Sympathie alleine sollte man sich bei der Auswahl seiner Mieter nicht verlassen. „Vor der Vermietung sollte man unbedingt rechtliche Beratung einholen – auch aufgrund der Komplexität des österreichischen Mietrechts“, rät Simon Spendlingwimmer, Obmann des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes Linz (ÖHGB Linz), der seinen Mitgliedern mit Information, Beratung und Betreuung zur Seite steht. Viele kommen erst dann, wenn der Mietvertrag bereits abgeschlossen wurde und es zu Schwierigkeiten gekommen ist: „Aber vieles ließe sich schon im Vorfeld mit einer guten Beratung und mit einem vernünftigen Mietvertrag vermeiden.“
Risiko Anwendungsbereich
Abgesehen von einer detaillierten Beschreibung des Mietobjekts sollte jeder Mietvertrag eine gültige und klar ablesbare Befristung enthalten. Bei der Befristung und auch bei der Festlegung des Mietzinses ist wesentlich, in welchen Anwendungsbereich des österreichischen Mietrechts das Mietobjekt fällt: Im Vollanwendungsbereich, der vor allem historische Gebäude mit mehr als zwei Mietgegenständen und einer vor dem 09.05.1945 bzw. vor dem 01.07.1953 erteilten Baubewilligung betrifft, ist der Mietzins bei Wohnungen nicht frei und es bestehen eine Mindestbefristung sowie ein Kündigungsschutz für den Mieter. Als Basis für den Mietzins wird für jedes einzelne Bundesland ein Richtwert vorgegeben. „Hier sollte man sich genau erkundigen, denn wenn man die Miete zu hoch ansetzt, können Rückzahlungen an den Mieter fällig werden – bis zu zehn Jahre rückwirkend“, warnt Spendlingwimmer vor Fehlkalkulationen. Im Teilanwendungsbereich beruht die Miete zwar auf einer freien Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter, aber es gibt nach wie vor die Mindestbefristung und den sogenannten Bestandsschutz oder eben Kündigungsschutz. Der Mieter muss also zumindest drei Jahre lang in der Wohnung bleiben können – das gilt auch im Fall einer Vertragsverlängerung. Mietverhältnisse in der sogenannten Vollausnahme – z. B. vermietete Ein- und Zweifamilienhäuser – unterliegen weder einem Preis- noch einem Bestandsschutz und auch keiner Mindestbefristung. Hier gilt grundsätzlich, was Mieter und Vermieter im Vertrag vereinbaren. In allen Mietverträgen sollte nicht nur die Höhe und Zusammensetzung der Miete genau festgelegt sein, sondern sie sollten auch eine sogenannte Wertsicherungsklausel, auch Indexklausel genannt, beinhalten.
Unleidliche Mieter
Aber auch wenn der Vertrag gut aufgesetzt wurde, lassen sich Streitigkeiten und Probleme mit Mietern nicht immer vermeiden. Eines der häufigsten Probleme, mit dem Spendlingwimmer und sein Team konfrontiert sind, sind Zahlungsprobleme des Mieters, weil sie ihre Zahlungskraft überschätzt haben oder in eine finanzielle Notlage geraten sind. „Aber statt mit dem Vermieter das Gespräch zu suchen, gehen viele dann auf Tauchstation.“ Streitigkeiten können aber auch daraus entstehen, dass der Mietvertrag nicht eingehalten wird oder die Wohnung in einem schlechten Zustand zurückgegeben wird, es also zu Schäden oder sogar Zerstörungen gekommen ist. Herausfordernd sind auch Fälle, in denen ein sogenanntes „grob unleidliches Verhalten“ des Mieters vorliegt, weil er z. B. die Nachtruhe nicht einhält oder seine Nachbarn bedroht, aber auch solche, in denen der Mieter von seiner Wohnung, z. B. durch das Ansammeln von Müll, einen „erheblich nachteiligen Gebrauch“ macht – Stichwort Messie-Wohnung.
Vorsicht statt Nachsehen
„Wenn jemand eine Wohnung anmieten will, zeigt er sich ja meist von seiner besten Seite“, erläutert Spendlingwimmer, warum es kaum vorherzusagen ist, ob man bei der Wahl seines Mieters richtig liegt. Aber es gibt Warnsignale, auf die man achten kann. „Empfehlenswert ist eine Abfrage z. B. beim KSV oder der Creditreform, um zu sehen, ob die Person in der Vergangenheit schon einmal die Miete schuldig geblieben ist.“ Und man sollte eine Kaution vorsehen. „Und diese muss vom Mieter auch einbezahlt worden sein, bevor man die Schlüssel übergibt.“ Wer bereits Probleme hat, die Kaution aufzubringen, bei dem besteht auch ein hohes Risiko, dass die Miete nicht bezahlt wird. Außerdem ist die Kaution eine Versicherung gegen Schäden am Mietobjekt und gegen Mietzinsrückstände, auf die der Vermieter im Fall der Fälle relativ unkompliziert zurückgreifen kann. „Wir empfehlen unseren Mitgliedern drei Bruttomonatsmieten. Das sollte eigentlich ausreichen, um bei Problemen genügend Sicherstellung zu haben.“
Bitte warten
Was unleidliches Verhalten betrifft, gibt es eine Bestimmung im Mietrecht, die eine Aufkündigung des Mietvertrags erlaubt, wenn sich der Mieter unmöglich verhält. „Allerdings ist das nicht so leicht und die Zins- und Räumungsverfahren dauern in Österreich leider sehr, sehr lange.“ Im schlimmsten Fall kann sich ein Fall über mehrere Jahre hinziehen. „Entscheidend ist es, sich möglichst schnell Unterstützung zu holen, damit das Verfahren schnell eingeleitet werden kann“, erklärt Spendlingwimmer. Wobei derartige Fälle für Vermieter aktuell besonders belastend werden können: Als Teil des Corona-Maßnahmenpakets wurden Räumungsverfahren bis zum 30. Juni 2022 komplett ausgesetzt. Für Spendlingwimmer eine überschießende Regelung: „Es macht einen Unterschied, ob jemand einen temporären finanziellen Engpass hat oder ob jemand ein unleidliches Verhalten an den Tag legt oder eine Wohnung so nachteilig gebraucht, dass man befürchten muss, dass es zu Schäden kommt. Man müsste hier viel stärker differenzieren, anstatt alles über einen Kamm zu scheren.“ Auch wenn dieses Szenario abschreckend wirken könnte, so darf man aber bei allen potenziellen Problemen eines nicht vergessen, wie Spendlingwimmer betont: „Streitereien sind die Ausnahme, in den allermeisten Fällen gibt es keine Probleme zwischen den Mietern und ihren Vermietern.“
Die Giwog Gruppe verwaltet fast 26.000 Wohneinheiten. Bei gemeinnützigen Bauvereinigungen steht das Gemeinwohl im Vordergrund – im Interview spricht Vorstandsvorsitzender Wolfgang Modera darüber, was das für die Giwog als Vermieter bedeutet.
CHEFINFO: Was unterscheidet einen gemeinnützigen von einem privaten oder gewerblichen Vermieter?
Wolfgang Modera: Im Endeffekt ist es ganz einfach: „Gemeinnützig“ bedeutet, dass wir nicht gemein und eigennützig sind, sondern gemeinschaftsstiftend und gemeinschaftsbildend. Aufgrund der Grundlage der Gemeinnützigkeit ist unser Geschäftsmodell eigentlich wirtschaftlich völlig abgesichert. Wir kennen nur ein wirklich bedrohliches Szenario, und das ist der Wohnungsleerstand. Beim Leerstand liegen wir umgelegt auf den gesamten Wohnungsbestand derzeit bei 0,42 Prozent. Und wir haben eine Fluktuation von unter 7 Prozent, ich denke, das sind sehr gute Werte.
CHEFINFO: Was bedeutet gemeinnützig für Sie im Umgang mit den Mietern?
Modera: Wir sehen unsere Mieter als Partner. Mieterbeschwerden sind daher in unserem Selbstverständnis keine Bedrohung oder kein Angriff, sondern Beiträge, damit wir unsere Qualität halten können.
CHEFINFO: Aber wie sieht es aus, wenn Mieter z. B. mit unleidlichem Verhalten auffallen?
Modera: Für uns gelten hier die gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie für jeden anderen Vermieter. Aber unser Zugang ist ein anderer: Wenn es z. B. Beschwerden über einen Mieter gibt, dann stellen wir uns diesem Thema und versuchen, alle Beteiligten in eine konstruktive Kommunikation zu bringen. Viele Probleme ergeben sich, weil Menschen oft gar nicht mehr wirklich miteinander sprechen. Man ärgert sich, hat aber nicht den Willen, die Kraft oder die Energie, beim Nachbarn einfach mal anzuläuten und das Problem anzusprechen. Und dann wenden sie sich stattdessen an uns. Wir haben in der Giwog einige Leute, die über eine zusätzliche Mediationsausbildung verfügen. Fast immer können gute Lösungen gefunden werden, wenn Menschen wirklich miteinander reden. Das bedeutet für uns zwar etwas Aufwand und Energie, aber dadurch haben wir auch sehr gute Zufriedenheitswerte, wie uns eine aktuelle Mieterbefragung zeigt.
CHEFINFO: Gibt es auch Fälle, wo die Mediation nicht hilft?
Modera: Natürlich gibt es auch Fälle, wo wir scheitern – aber zum Glück sehr wenige. Man muss immer auch bereit sein, den nächsten Schritt mitzudenken – also was mit diesen Menschen passiert, wenn wir die Wohnung kündigen. Die stehen dann ja auf der Straße. Häufig ist die Ursache für auffälliges Verhalten eine ernste Erkrankung, wie z. B. Demenz. Da muss man überlegen, wie man das so abwickeln kann, dass es für alle passt, etwa indem man im Fall einer Selbstgefährdung das Magistrat involviert, um eine betreute Unterbringung zu organisieren.
ÜBER DIE GIWOG
Die Gemeinnützige Industrie-Wohnungsaktiengesellschaft (Giwog) mit Sitz in Leonding wurde 1948 als Tochtergesellschaft der Voest gegründet und ist heute eine Anlaufstelle für Wohnungssuchende in Oberösterreich, der Steiermark, Niederösterreich, Wien und Kärnten. Vorsitzender des Vorstands Giwog