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Mt. Fuji-Heritage-Centre. Das trichterförmige Gebäude steht am Fuße des höchsten Berges Japans und wurde von Architekt Shigeru Ban entworfen.
Mt. Fuji-Heritage-Centre. Das trichterförmige Gebäude steht am Fuße des höchsten Berges Japans und wurde von Architekt Shigeru Ban entworfen.
Markus Kirchgessner / laif / picturedesk.com

Bauen wie in Japan

27.03.2025 um 14:56, Klaus Schobesberger
6 min read
Die Weltausstellung 2025 in Osaka rückt auch die japanische Bauphilosophie wieder ins ­Zentrum – uralte Tradition trifft auf zukunftsweisende Konzepte.

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Weltausstellungen boten immer schon willkommene Anlässe für smarte Bauten der Superlative. 1851 war es der lichtdurchflutete Kristallpalast im Londoner Hyde Park. Ein luftiges Gewächshaus aus Eisen und Glas mit so riesigen Ausmaßen, dass vier St.-Pauls-Kathedralen darin Platz gefunden hätten. Entworfen und erbaut wurde der „Palast der Weltausstellung der Werke der Industrie aller Nationen“, wie er offiziell hieß, von Joseph Paxton, der kein Architekt, sondern eigentlich Gärtner war. Geklotzt wird auch rund 170 Jahre später auf der Weltausstellung auf der Insel Yumeshima in der Bucht von Osaka, Japan. Die Expo wird am 13. April eröffnet und steht unter dem Allerweltsmotto „Designing Future Society for Our Lives“. Der Joseph Paxton des Jahres 2025 ist der japanische Stararchitekt Sou Fujimoto (54). Standen im Zeitalter der Eisenbahn und Industrialisierung die erstaunlichen technischen Fortschritte im Zentrum der Aussteller, so sind es heute nachhaltige Zukunft und Kreislaufwirtschaft. Dementsprechend symbolträchtig ist das Konzept eines riesigen kreisrunden Arkadengangs aus Holz, der das Ausstellungsgelände luftig umschließt. 150 Nationen und Organisationen werden sechs Monate lang ihre Konzepte für eine lebenswerte Zukunft präsentieren, auch Österreich ist mit einem eigenen Pavillon vertreten. Fujimotos haushoher „Grand Ring“ ist mit einem Durchmesser von 700 Metern die Hauptattraktion der Expo und lenkt die ­Blicke auf spannende architektonische Konzepte – und auf große japanische Designer. 
 

Expo 2025 in Osaka. Der „Große Ring“ wurde von Sou Fujimoto entworfen und ist die Attraktion der Weltausstellung in Japan.

Alte Kultur, modernes Denken

Der „Große Ring“ ist die größte Brettschichtholz-Konstruktion der Welt und wird ohne metallische Bauteile nur durch Steckverbindungen zusammengehalten. Diese alte japanische Zimmermannstechnik, die schon beim Bau von Tempeln angewendet wurde, ermöglicht einen einfachen Rückbau nach Ende der Ausstellung … Kreislaufwirtschaft eben. Die neue Generation von japanischen ­Architekten wie Sou Fujimoto erfindet nicht nur das Haus mit interessanten Formen neu – bekannt ist sein „House N“ in Tokio –, sie geben seit ­Jahren auch Antworten auf dringliche ökologische und ökonomische Fragen, indem sie auf den Prinzipien ihrer Vorgänger aufbauen und sie in innovativer Weise weiterentwickeln. Ihr Einfluss auf die internationale Architekturszene und unsere Alltagskultur ist deutlich spürbar. Zu erwähnen ist etwa Kengo Kuma (70), dessen Wirken in Osaka auch zu bewundern ist. Kuma gilt als einer der bekanntesten zeitgenössischen japanischen Architekten. Er entwarf etwa das V&A Museum in ­Dundee, Schottland, oder Teile der Filmkulisse von „Inception“ (2010). 
 

Kathedrale St. Marien, Tokio. Die Beton-Stahl-Konstruktion von Kenzo Tange war stilprägend.

Salonfähiger Sichtbeton

Osaka ist auch die Heimatstadt des wohl international gefeiertsten japanischen zeitgenössischen Architekten: Tadao Ando (83). Wie der eingangs erwähnte Joseph Paxton ist Ando Autodidakt – und dennoch hat er den Pritzker-­Preis erhalten, immerhin die höchste Auszeichnung für Architekten, vergleichbar mit dem „Oscar“ in der Filmbranche. Zur Architektur kam er über die Auseinandersetzung mit Le Corbusiers Brutalismus. Im Japan der 1960er Jahre baute er im ­wurlenden Großstadtdschungel die ersten Wohnhäuser als geschützte Räume für Menschen im Getriebe. Seine internationale Karriere begann mit dem Bau des japanischen Pavillons auf der Weltausstellung in Sevilla 1992. Andos Markenzeichen sind der ikonische Sichtbeton, ­glatte Oberflächen, klare geometrische Formen und die Verwendung von natürlichem Licht, um eine meditative Atmosphäre zu schaffen. ­Seine Gebäude stellen oft eine fließende Verbindung zwischen Innen- und Außenraum her, indem er Höfe, Gärten und Wasserflächen in die Architektur integriert. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Kirche des Lichts in Ibaraki bei Osaka. Japanischer Minimalismus trifft auf streichelzarten Beton-Buddhismus mit superglatten Oberflächen. Ando erweckte die graue Materie Beton zum Leben und machte ihn salonfähig. „Geist und Schönheit der Natur durch Architektur erlebbar zu machen“, ist das Ziel seiner Baukunst. Deshalb holte ihn auch Milliardär und Unternehmer François Pinault (88) für den behutsamen Umbau der Pariser Bourse de Commerce, die heute Ort seiner Sammlung internationaler Gegenwartskunst ist. Auch für den Umbau ­zweier historischer Gebäude in Venedig engagierte Pinault den Pritzker-Preisträger aus Osaka. Für Aufsehen sorgte 2020 das „Tokyo Toilet“-­Projekt, bei dem 17 öffentliche Toiletten im Bezirk ­Shibuya von Designern und Architekten wie Ando umgestaltet wurden. 
 

Fuji Broadcasting center. Das Gebäude ist ein Wahrzeichen in Tokio und wurde nach den Plänen von Kenzo Tange gebaut.

Übervater der Nachkriegsarchitektur

Japans moderner Architekturstil ist sprichwörtlich aus den Ruinen erwachsen – und zwar mit Kenzo Tange (†91), dem ­Übervater der japanischen Nachkriegsmoderne. Er ist einer der wichtigsten Vertreter des Metabolismus. Diese Bewegung propagierte mit ihrem Fortschrittsoptimismus des Wiederaufbaus eine organische, an biologischen Prozessen orientierte Stadtplanung, deren Ideen sich auch am Buddhismus orientieren. Insgesamt geht es in der metabolischen Architektur darum, Gebäude als dynamische, anpassungs­fähige und nachhaltige Systeme zu konzipieren, die auf die Bedürfnisse der Nutzer und die Veränderungen der Umwelt reagieren können. Zu seinen bekanntesten Werken zählt der 1949 entworfene Friedenspark in Hiroshima, der an den Atombombenangriff von 1945 erinnert. Der Park und seine Gebäude sind heute ein wichtiges Mahnmal. Tange war auch der Chefarchitekt für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio. Er entwarf unter anderem die ­Yoyogi National Sporthalle, die für ihre charakteristische Hängedachkonstruktion bekannt ist. Einer seiner bekanntesten ­Sakralbauten ist die Kathedrale von Tokio, die er 1964 im Stil des Brutalismus entwarf. Außerhalb Japans baute Tange das Hauptquartier der UNESCO in Paris (1957 – 1958) oder die markanten Hochhäuser im „Centro direzionale“ Neapels.
 

Pritzker-Preisträger. Tadao Ando ist der international gefeiertste zeit-genössische japanische Architekt.

Postmoderne Bauten für die USA

Ein Schüler Kenzo Tanges war der Städtebau-Visionär Arata Isozaki (†91), der allerdings nie ein Gefangener seines Stils war und schon bald mit dem Sichtbeton-Brutalismus der 1960er Jahre eigene Wege gehen sollte. Isozaki gilt auch als einer der Wegbereiter der Postmoderne in der ­Architektur, womit ihm erstmals stilprägende ­Entwürfe außerhalb Japans gelangen. Ein Beispiel dafür ist das Museum of Contemporary Art in Los  ­Angeles (MOCA). Mit seinen roten ­Sandsteinfassaden, den ­geometrischen Formen und den großen Glasfronten samt pyramidenförmigen Oberlichtern hebt es sich nicht nur von der Geschäfts­kulisse des Viertels ab, sondern bietet genügend Tageslicht für die überwiegend unterirdischen Galerien. In den 1990ern folgten die Disney-Zentrale in Orlando sowie das Olympiastadion Palau Sant Jordi in ­Barcelona, das er in Form und Farbe an die Umgebung anpasste und für dessen riesige Kuppel das Pantadome-Prinzip zum Einsatz kam. ­Viele von Isozakis Entwürfen waren stark konzeptuell geprägt und setzten sich mit philo­sophischen Fragen auseinander. Das 2011 eröffnete Qatar National Convention Centre (QNCC) in Doha ist ein Beispiel dafür, wie er Architektur als Medium für ­konzeptuelle ­Überlegungen nutzte. Die Architektur des Gebäudes soll die Verbindung zwischen Natur und Kultur in Katar symbolisieren. Der baumähnliche Entwurf verweist auf die Bedeutung der Natur in der arabischen Kultur. Mit einer Gesamtfläche von über 200.000 Quadratmetern und einer Höhe von bis zu 60 Metern ist das QNCC eines der größten Kongress­zentren weltweit. Konstruktion und Destruktion sind für Iso­zaki zwei ­Seiten derselben Medaille, die ­Ruine ist für ihn gleichzeitig Zukunft der Stadt. 
 

Spektakuläre Museen. Arata ­Isozaki plante das MoCA in Los Angeles, Kengo Kuma das V&A Dundee in Schottland.

Glasperlen und sensible Türme

Gerade für Museen in den USA wurden ­japanische Architekten über Jahrzehnte engagiert. So gilt Yoshio Taniguchi (†87) mit seiner „Baukunst der Subtraktion“ als Meister der subtilen Museumsarchitektur. Er ­machte sich mit der Erweiterung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York 2004 international einen Namen. Dass zeitgenössische Architektur aus Japan mit ihrer konstruktiven Eleganz und Leichtigkeit hoch im Kurs steht, zeigt sich an der Vielzahl an Auszeichnungen und spektakulären Bauten im privaten und öffentlichen Sektor. Der preisgekrönte Architekt Shigeru Ban (67) schuf das Mt.Fuji World Heritage Center (2017), ein trichter­förmiges Gebäude am Fuße des höchsten Bergs in Japan, und ein ­Stadtmuseum mit ­hölzerner Architektur in der japanischen Autostadt Toyota. Im schweizerischen Biel gestaltete Ban die Swatch-Omega-Zentrale neu und in Paris entwarf der Pritzker-Preisträger das Konzerthaus La Seine Musicale, eine gigantische Glasperle der Musik an der Seine. Zu den einflussreichsten Denkern seiner Disziplin gehört auch Toyo Ito (83). Berühmt ­wurde er mit dem „Tower of Winds“ inmitten eines Kreisverkehrs am Hauptbahnhof von Yokohama. Der 21  Meter hohe Turm steht für das „Netz verschiedener Ströme“ japanischer ­Metropolen. Seine transparente, sensorische Medienfassade reagiert auf Reize der ­Umgebung wie Wind und Geräusche und verwandelt sie in elektronische Lichtspiele. 

Schmuckstück. Die Fenster des Mikimoto Stores im Tokioter Viertel Ginza erinnern an Edelsteine.

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