Autohandel - Generation Zukunft
In kaum einem anderen Sektor ist der Umbruch derzeit so deutlich, wie in der Automobilbranche. Nicht nur Hersteller müssen sich umorientieren wie nie zuvor in ihrer Geschichte, um im Geschäft zu bleiben, sondern auch Händler. Wie sehr das Modell der individuellen Mobilität im Wandel ist, zeigt ein Besuch bei BMW Reichhart in Mauthausen. Rund 30 Ladepunkte stehen am Gelände des Autohauses für Elektroautos zur Verfügung. Eine 2022 eröffnete E-Lounge mit sechs Schnellladepunkten ist ein gut sichtbares architektonisches Statement für das neue Tanken. Die Selfservice-Lounge kann von allen Verkehrsteilnehmern rund um die Uhr genutzt werden. In die Lounge gelangt man mit jeder Lade- oder Bankomatkarte. Der Innenbereich ist mit Snack- und Kaffeeautomaten ausgestattet, Sitzgelegenheiten und WLAN verlocken zum Arbeiten oder Surfen während des halbstündigen Ladevorgangs.
E-Lounge ist Leuchtturmprojekt
„Es ist frustrierend, während der Ladezeit im Regen oder in der Kälte stehen zu müssen. Daher haben wir dieses Projekt verwirklicht“, sagt Simon Reichhart, der seit 2021 in dritter Generation das 1973 gegründete Unternehmen in die Zukunft führt. Und auf diese sieht sich der 1996 geborene Absolvent der HTL für Maschinenbau und Fahrzeugtechnik in Steyr gut gerüstet. Reichhart ist als Digital Native mit den Segnungen des Internets bestens vertraut, hat aber auch „Benzin im Blut“. Er sei im Autohaus aufgewachsen, hat bei BMW Motoren in Steyr im Forschungszentrum wichtige Erfahrungen gesammelt und wurde bereits mit 25 Jahren alleiniger Geschäftsführer des Familienunternehmens. Ein bewusster Schritt – und ein klarer Schnitt. Vater Franz Reichhart hat die Firma an seinem 60. Geburtstag übergeben. Er kümmert sich um das florierende BMW-Classic-Geschäft mit den Oldtimern und „steht mit Rat und Tat zur Seite“.
Technologieoffenheit wichtig
Dass auch ein weiterer Reichhart-Händler in Mauthausen seinen Sitz hat, der neben Volvo auch die chinesische Elektroauto-Marke BYD anbietet, macht die Transformation des Autohandels quasi im erweiterten Familienkreis deutlich. „Die Branche ist in einem extremen Wandel. Das ist für mich eine wirklich spannende Zeit. Umso wichtiger ist es, dass man technologieoffen hinsichtlich Digitalisierung und E-Mobilität ist“, sagt Reichhart. Technologieoffenheit ist in der teilweise ideologisch geführten Diskussion um künftige Antriebsformen für die einen ein Reizwort und für die anderen ein Erfolgsweg. „Mit der Power-of-Choice-Strategie, nämlich alle Antriebsformen inklusive Verbrenner anzubieten, hat BMW auf das richtige Pferd gesetzt. Es gibt auch nicht die eine Antriebsform, die für alle passt. Man muss breit aufgestellt sein“, ist der junge Autohaus-Chef überzeugt.
Agenturmodell kommt 2026
Der BMW-Claim „Freude am Fahren“ sei auch für morgen passend, nur mit einem anderen Fokus. Nicht nur der Sechszylinder mit 500 PS erzeuge dann die Emotionen, sondern auch Themen wie der Wohlfühlfaktor im Fahrzeugraum. „Neben dem Eigenheim zählt das Auto zu den teuersten privaten Investitionen, dafür muss man als Marke und als Autohaus auch etwas bieten – und das macht BMW sehr gut“, sagt Reichhart. Hier komme der Faktor Familienunternehmen ins Spiel. „Bei uns wird viel Wert auf persönlichen Kontakt gelegt. Insbesondere wenn wir als Händler bald im Direktvertrieb unterwegs sein werden, dann kochen alle exakt mit demselben Wasser.“ Das sogenannte Agenturmodell löst die althergebrachte Vertriebsform im Autohandel mit den üblichen Rabatten bei Neuwagen ab. Es gibt österreichweit ein einheitliches Angebot „mit einem fairen Preis“. Nicht nur für den Kunden habe das Vorteile, sondern auch für den Händler. „Das Risiko wird geringer, weil die Lagerfinanzierung reduziert wird. Wir glauben, dass wir als Autohändler trotzdem wirtschaftlich profitabel arbeiten können. Lackiererei und Spenglerei werden ein gutes Geschäft bleiben. Für die Werkstatt rechne ich mit Rückgängen, weil E-Autos wartungsarm sind. Differenzieren können wir uns nur durch guten Service“, so Reichhart. Und dieser sei nur mit Top-Leuten zu erreichen. Für die rund 50 Mitarbeiter wird daher einiges geboten, unter anderem ein eigener Fitnessraum.