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Großaufnahme von Tassilo Wallentin im Gespräch
Wallentin ist Jurist und Autor.
Wallentin ist Jurist und Autor.
Christian Mikes/weekend.at

Tassilo Wallentin: "Man hat uns blamiert und verzwergt"

30.09.2022 um 14:18, Stefanie Hermann & Robert Eichenauer
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Wallentin hat große Ziele: Der Präsidentschaftskandidat über seine Pläne gegen zerstörerische EU-Politik, Gender-Wahnsinn und nicht-gewählte Politiker.

48, Anwalt, Alleinerzieher und Ex-Krone-Kolumnist: Das ist Tassilo Wallentin. Vor einigen Jahren noch Herzenskandidat der FPÖ für den Verfassungsgerichtshof, marschiert der Wiener jetzt auf rechtem Kurs im Alleingang Richtung Hofburg. Unterstützung erfährt er dabei von Unternehmer Frank Stronach.

Weshalb kandidieren Sie für das Amt des Bundespräsidenten und nicht für den Nationalrat?
Tassilo Wallentin:
Die Funktion des Bundespräsidenten wird unterschätzt. Der Bundespräsident ist mehr als eine Repräsentationsfigur. Er soll auch ein glaubhaftes Gegengewicht zur Regierung darstellen. Wenn man nicht von einer Partei kommt und auch nicht zum etablierten Politikbetrieb gehört, würde die Regierung ganz anders agieren. Diese Stillstandsbewegung, die wir jetzt haben, gäbe es nicht.  Der amtierende Präsident, war selbst Grünen Chef, die Grünen sind in der Regierung. Was soll das für ein Gegengewicht sein?

Als Sie Ihre Kandidatur bekannt gegeben haben, hat es schon drei Kandidaten aus einem ähnlichen Lager gegeben.
Tassilo Wallentin:
Ich trete als unabhängiger Kandidat ohne Parteihintergrund an. Gerald Grosz war Berufspolitiker, Walter Rosenkranz ist Berufspolitiker, Brunner hat die MFG hinter sich, Wlazny die Bierpartei. Das ist ein ganz anderer Zugang. Eine Reform ist nur möglich, wenn jemand antritt, der nicht aus dem etablierten Politikbetrieb kommt.

Was soll das für ein Gegengewicht sein?

Als Anwalt gegen das Establishment

Sie sind Anwalt, Buchautor und Journalist, fühlen sich aber trotzdem nicht dem Establishment zugehörig. Was ist dann das Establishment?
Tassilo Wallentin:
Establishment ist für mich die Blase des etablierten Politikbetriebs, zu dem auch Oppositionspolitiker gehören, die sich in der Seifenblase ihrer Privilegien sehr bequem eingerichtet haben. Ich habe dieses Establishment immer so weit wie möglich gemieden. Wie sagte Hans Dichand: Journalisten gehören nur in den Vorhof der Macht.

Und doch werden Sie von Frank Stronach, der nicht nur Unternehmer ist, sondern auch eine politische Vergangenheit hat, unterstützt. Warum tut er das?
Tassilo Wallentin:
Frank Stronach kenne ich seit Jahren, ich bin ihm freundschaftlich verbunden. Er hat eine Anlauffinanzierung gegeben, die sich im Inserat erschöpft hat. Er kennt mich und meine Ansichten, er vertraut mir. Inhaltliche Absprachen gibt es nicht, sonst hätte ich seine Unterstützung abgelehnt.

>>> Stronach: So unterstützt er Wallentin

Angelobungen und Enlassungen

Einige Kandidaten überbieten sich regelrecht, wer die Regierung am schnellsten entlässt. Wie stehen Sie dazu?
Tassilo Wallentin
: Jemanden, der bei seiner Aufgabe den Erwartungen nicht entspricht, einfach zu entlassen, ist für mich kein Zeichen von Führungskraft. Ich würde zunächst Gespräche mit der Regierung führen und Konzepte zur Lösung der anstehenden Probleme fordern, inklusive einem Zeitplan. Die Entlassung der Regierung ist für mich ein Extremszenario.

Ein weiteres großes Thema sind Angelobungen. Welche Kriterien würden Sie grundsätzlich anlegen und wann würden Sie einen Minister ablehnen?
Tassilo Wallentin:
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn der jeweilige Minister Fachexperte ist. Auf der anderen Seite ist rein fachliche Kompetenz nicht ausreichend. Minister müssen Managerqualitäten mitbringen. Die Zusammensetzung des Parlamentes ist vom Bundespräsidenten vorbehaltlos zu akzeptieren. Aber, wenn jemand so dumm ist, dass er nicht weiß, wie dumm er ist, dann wird man ihn ablehnen müssen.

Ich hätte als Bundespräsident den Alleingang eines Kanzlers, der nicht gewählt wurde, sondern aufgrund einer Chat-Affäre ins Amt gekommen ist, nicht geduldet.

Bei welchen Krisen hätte der Bundespräsident in den letzten Jahren stärker eingreifen müssen?
Tassilo Wallentin:
In der Covid-Krise hat die Regierung sehr leichtfertig Gesetze verabschiedet, Politiker haben offen gesagt: “Es ist mir egal, wenn der Verfassungsgerichtshof das hinterher aufhebt.” Ebenso in der Frage der Sanktions- bzw.  Neutralitätspolitik. Ich hätte als Bundespräsident den Alleingang eines Kanzlers, der nicht gewählt wurde, sondern aufgrund einer Chat-Affäre ins Amt gekommen ist, nicht geduldet. Es hätte eine Abstimmung zwischen Präsidenten, Ballhausplatz und Parlament sowie eine Volksabstimmung gebraucht.

>>> Wer zieht mit ihm in die Hofburg ein? Tassilo Wallentin ganz privat

Frank Stronach und Tassilo Wallentin präsentieren auf einer Dachterrasse mit Blick auf de
Stronach und Wallentin sind sich bereits vor der Kandidatur nahe gestanden.

Volksabstimmung über Sanktionen

Glauben Sie nicht, dass diese Abstimmung stattgefunden hat?
Tassilo Wallentin:
Als Beobachter von außen sage ich "Nein'', und wenn, dann eine schlechte.

Hätten Sie sich gegen die Sanktionen entschieden?
Tassilo Wallentin:
Der Ukraine-Konflikt hat eine lange, komplizierte Vorgeschichte. Aktuell würde ich mir eine Volksabstimmung über die Sanktionen wünschen. Die Menschen sollen selber entscheiden, ob sie die Belastungen, die dadurch kommen tragen wollen oder nicht. Ich bin gegen die Sanktionen.

Man hat uns blamiert und verzwergt und unsere Position als neutraler Vermittler verspielt.

Realpolitisch ist es in Österreich belanglos, ob es eine Volksabstimmung gibt oder nicht. Die Sanktionen sind auf EU-Ebene beschlossen worden.
Tassilo Wallentin:
Wir sind ein neutrales Land und man hat uns immer versichert, dass Neutralität und EU-Beitritt kein Widerspruch sind. Das bedeutet, dass wir als EU-Mitglied einen neutralitätspolitischen Sonderweg bei den Sanktionen gehen könnten. Man muss Friedenspolitik betreiben und nötigenfalls auch einen Kompromiss-Frieden schließen. Die Weltkriegsgefahr und dass der Bündnisfall Nato einsetzt, ist viel zu groß, um damit herumzuspielen.

Interview-Situation: Tassilo Wallentin im Profil.
Wallentin im Gespräch mit den weekend-Redakteuren Stefanie Hermann und Robert Eichenauer.

"Man muss mit Russland sprechen"

Glauben Sie, dass Österreich dafür genug Gewicht hat? Der Bundeskanzler war immerhin schon bei Putin - mit einem Nullergebnis.
Tassilo Wallentin:
Vor dem Termin hatte Österreich vier russische Diplomaten ausgewiesen, die sich nichts zu Schulden kommen haben lassen. Wenn Sie so etwas machen und dann vier Tage später zu Putin reisen, dann können Sie sich den Weg sparen. Man hat uns blamiert und verzwergt und unsere Position als neutraler Vermittler verspielt.

Welche möglichen Szenarien gibt es für die nächsten Monate und Jahre?
Tassilo Wallentin:
Es ist schwer vorauszusagen, aber jedenfalls muss man mit Russland sprechen. Ein Szenario, das sich bestimmt keiner wünschen kann, ist der Weltkrieg. Und wenn selbst Henry Kissinger davon spricht, ist das nicht übertrieben, sondern eine reale Gefahr.

Das ist nicht die einzige Gefahr, vor der Sie in der Vergangenheit gewarnt haben. Wörtlich haben Sie gesagt: “Das Land geht vor die Hunde”. Sehen Sie das wirklich so?
Tassilo Wallentin:
Wir haben multiple Krisen, die sich wechselseitig verstärken. Wir haben die Migrationskrise an den Grenzen, 2015 wiederholt sich. Wir haben Rekordinflation, Altersarmut, Gaskrise.

"Die Dauerrettung zerstört uns"

Vieles davon kann Österreich schwer alleine stemmen. Wie sollten wir uns in der EU positionieren?
Tassilo Wallentin:
Der Grundfehler Österreichs in der Europäischen Union war, dass wir uns als Musterschüler gesehen und überall vorbehaltlos mitgestimmt haben. Letztlich ist die EU ein unfertiges Projekt in Entwicklung. Der Schengenvertrag funktioniert nicht, weil die Außengrenzen nicht dicht sind. Gegen die Inflation brauchen wir eine Währungsreform. Der Euro ist eine Umverteilungsmaschine geworden.

Sollte man den Euro an sich überdenken?
Tassilo Wallentin:
Man muss sich Alternativszenarien überlegen. Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber man muss darüber nachdenken, ob es nicht Austritts- und Wiedereintrittsoptionen für Krisenländer geben soll, um den Euro zu stabilisieren. Die Dauerrettung zerstört uns, wie man sieht.

>>> Wolf Interview: Wallentin ortet Zensur

"Die deutsche Sprache wird ins Lächerliche gezogen"

Zurück nach Österreich: Sie haben auf Twitter Ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass keine weibliche Kandidatin antritt.
Tassilo Wallentin
: Ich bin selbst Alleinerzieher, deswegen weiß ich um die Sorgen und Nöte vieler Frauen. Das ist eine unglaublich schwierige Situation. Es muss auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit endlich durchgesetzt sein und pensionsrechtliche Nachteile beseitigt werden. Das unheilige Gendern hingegen bringt niemanden weiter.

Was stört Sie am Gendern?
Tassilo Wallentin:
Dass es eine Sprachdiktatur ist. Die Sprache gehört den Menschen, Sprache unterliegt einer Entwicklung. Es kann nicht sein, dass von oben herab diktiert wird, welche Worte ich verwenden darf und welche nicht. Die deutsche Sprache wird damit ins Lächerliche gezogen.

"Van der Bellen wirkt amtsmüde"

Der amtierende Bundespräsident stellt sich bekanntlich keinen TV-Konfrontationen. Was würden Sie ihm gerne sagen?
Tassilo Wallentin:
Ich hätte Fragen an ihn: Wie er zum Beispiel zu seinem Amtsverständnis kommt. In einer Rede hat er gesagt, die Regierung solle das tun, wofür sie gewählt wurde, nämlich arbeiten. Diese Regierung wurde von niemandem gewählt, er hat sie ernannt. Und wenn er meint, dass sie arbeiten soll, dann muss er ihr das auch sagen. Es ist ein grundsätzlich falsches Amtsverständnis, dass Van der Bellen meint, er sei ein hilfloser Kommentator, der nichts machen kann. Diese Hilflosigkeit sehen wir auch, wenn er in Hinblick auf Arbeitslosigkeit und Teuerung zu Jugendlichen sagt: “Zähne zusammenbeißen, das wird schon werden.” Das kann nicht ernsthaft sein Ratschlag sein.

Können Sie auch ein wenig verstehen, dass er sich nicht mit allen in die Arena setzen will?
Tassilo Wallentin:
Nein. Ich verstehe es nicht. Wenn Sie sich einer Wahl stellen, müssen Sie sich auch an die politischen Spielregeln halten und an ihnen messen lassen. Egal wer mein Gegenkandidat ist, ich muss mich mit meinen Mitbewerbern auseinandersetzen. Ich kann nicht sagen: “Das ist mir zu minder.”

Was glauben Sie, steht als Motiv dahinter?
Tassilo Wallentin:
Auf mich wirkt Van der Bellen amtsmüde. Möglicherweise hofft man, den Wahlkampf auf diese Weise unbeschadet zu überstehen. Ich denke nicht, dass er in einer einstündigen freien Diskussion bestehen könnte.

Würde er sich den Duellen stellen, müsste er das mit jedem Kandidaten machen. Können Sie sich vorstellen, dass man sich als Bundespräsident mit Konkurrenten auseinandersetzt, die konstant nur pöbeln, oder solchen, die ernsthaft eine CIA-Verschwörung hinter MeToo wittern?
Tassilo Wallentin:
Ich sehe die Problematik. Aber auf der anderen Seite ist es so, wie ich es gesagt habe: Das ist eine Präsidentenwahl, alle Kandidaten haben die Antrittshürde genommen und offensichtlich setzt sich die Bevölkerung auch aus Menschen zusammen, die so ein Naturell besitzen. Dem muss sich ein Präsident stellen. Schließlich ist Van der Bellen kein Monarch, der den Thron gepachtet hat.

 

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