Wie reich ist die Queen?
Am 25. April wird in einigen der 775 Zimmer und Salons des Buckingham Palace dezentes Klingen von Champagnergläsern zu hören sein. Queen Elizabeth II. wird an diesem Tag 95 Jahre alt. Gut einen Monat später feiert ihr Gemahl, Prinz Philip, Duke of Edinburgh, seinen 100. Geburtstag. Öffentliche Auftritte und Feiern wird es wegen der Pandemie nicht geben. Aber vielleicht im kommenden Jahr: Dann jährt sich ihre Thronbesteigung zum 70. Mal. Die britische Königin stellte 2015 den Rekord ihrer Ururgroßmutter Queen Victoria als die am längsten amtierende Monarchin ein. Als Victoria 1901 im Beisein ihres Enkels, des deutschen Kaisers Wilhelm II., im Alter von 82 Jahren stirbt, hat sie die Position des britischen Empires als Supermacht, die ein Viertel der Welt beherrschte, gefestigt. Aber nicht nur das: Sie vermacht ihren Nachkommen erstmals ein Privat-Vermögen, das der „Boston Globe“ in seiner Ausgabe von 1901 auf etwa 100 Millionen Dollar schätzte. Warum diese Nachricht eine Neuigkeit war, ist schnell erklärt: Die Vorfahren Queen Victorias vererbten nichts als Minusbilanzen, für die das britische Parlament bis zum Ableben des royalen Schuldners aufzukommen hatte. Victoria hingegen hinterließ – den Kolonien sei Dank – eines der reichsten Königshäuser der Welt, dem Queen Elizabeth II. seit 1952 vorsteht.
Reich und sparsam
Auch wenn die Royal Family derzeit wenig zu lachen hat – man denke nur an Brexit-Chaos, Corona-Drama, den Missbrauchsskandal um Sohn Prinz Andrew oder das Ausscheren von Harry und Meghan aus der Königsfamilie (Megxit) – so ist ihr doch eines fremd: Geldsorgen. Üppig ausgestattete Paläste, Heerscharen an Dienern und beträchtliche Ländereien: Der Lebensstil der Windsors gleicht jenem von Multimilliardären. In regelmäßigen Abständen hinterfragen Kritiker den Aufwand und Zirkus, der um die Royals mit viel Steuergeld betrieben wird, kritisch. Auf der anderen Seite bringen die Royals ihrem Land Geld ein. Elisabeth II. ist in der Bevölkerung beliebt und für ihre Sparsamkeit bekannt, die billige Elektrowärmestrahler aus dem Baumarkt verwendet und ihre Cornflakes in Tupperware-Boxen verstauen lässt, damit sie länger halten.
Während viele Adelsgeschlechter in Österreich und Deutschland verarmt sind, zählen die Royals nicht dazu. Die „Times“ schätzt das Privatvermögen der Queen auf umgerechnet 390 Mio. Euro. Damit liegt sie auf Platz 372 der reichsten Briten. Das ist beträchtlich, aber es sind andererseits nur etwa vier Prozent des Vermögens des derzeit reichsten Briten James Ratcliffe. Der 68-jahrige Industrielle soll laut „Forbes“ ein Vermögen von 11 Milliarden Dollar (9 Mrd. Euro) besitzen. Auch das thailändische Königshaus sticht mit geschätzten 30 Milliarden Euro Vermögen die Royals aus. Doch seit dem Tod von König Bhumibol im Jahr 2016 gewinnt die Frage im Inselstaat an Brisanz, ob alles rechtmäßig erworben wurde und wem der Reichtum gehört: dem Staat oder dem Königshaus?
Du lieber Schwan
„Die Queen ist die Dienerin der Monarchie und nicht so reich, wie viele denken“, erklärt Sally Bedell Smith in ihrer Biografie „Elizabeth the Queen: The Woman Behind the Throne“. Sie und ihr Ehepartner Prinz Philip verbringen einen Gutteil des Jahres im Buckingham Palace, dessen Wert auf mindestens 5 Milliarden Euro geschätzt wird. Viele Wochenenden im Jahr lebt das Paar im Windsor Castle, das als größtes bewohntes Schloss der Welt gilt. Beides ist nicht im Besitz „Ihrer Majestät“, sondern wird über den „Crown Estate“, eine Stiftung im Eigentum der britischen Nation, für künftige Generationen gehalten. Die Königin und ihre Familie haben das exklusive Nutzungsrecht über die Immobilien, aber sie zählen nicht zu ihrem Privatvermögen und sie dürfen nichts davon veräußern. Teil des Royal Business ist es auch, die Tore des Anwesens für zahlende Touristen zu öffnen. Zum „Crown Estate“ zahlen die Kronjuwelen, die Royal Art Collection, die Pferderennbahn von Ascot, die Lachszucht in Schottland oder Immobilien und Einkaufszentren im Zentrum von London. Auch alle Schwäne entlang der Themse sind formal im Besitz der Königin. Sie gelten bereits seit dem 12. Jahrhundert als Delikatesse. Schwäne werden zwar nicht mehr verspeist, aber von königlichen Schwanen-Zählern jährlich registriert – heute ein höfischer Knicks vor dem Brauchtum und ein edler Akt des Naturschutzes.
Labyrinthe und Grauzonen
Die Umsatzerlöse des „Crown Estate“ von zuletzt 345 Millionen Pfund (390 Mio. Euro) fließen in die Staatskasse. Im Gegenzug bekommt die Queen vom englischen Finanzministerium einen Anteil von 15 Prozent der Gewinne, den „Sovereign Grant“, als Entlohnung für ihre repräsentativen Pflichten, die kostspieligen Gebäuderenovierungen oder den standesgemäßen Lebenswandel überwiesen. Den Deal fädelte Georg III. im Jahr 1760 ein. Zuletzt betrug die Höhe dieser Aufwandsentschädigung 82,4 Millionen Pfund (etwa 93 Mio. Euro). Den monetären Wert der gesamten Monarchie taxierte die Beratungsfirma Brand Finance mit 57 Milliarden Pfund (64 Mrd. Euro). Mitgezahlt werden dabei echte Assets wie Schlösser, aber auch der Beitrag des Tourismus zur Volkswirtschaft bis hin zum „Royal-Baby-Effekt“, der sich in steigenden Umsätzen im Modeeinzelhandel auswirkt. Seit 1992 zahlt die Königin Steuern auf ihr Einkommen, wie zum Beispiel Kapitalerträge. Jeden britischen Staatsbürger kostet die Monarchie etwa 4,50 Pfund jährlich, so viel zahlt man in London für einen Tee. Die Kosten für die Monarchie sind also ein Schnäppchen im Vergleich, was sie erbringt. Allerdings wird die Coronakrise nicht spurlos an den Royals vorbeigehen. 15 Millionen Pfund könnten allein wegen der ausbleibenden Besucher im Buckingham-Palast oder auf Schloss Windsor ausfallen.
Bonds, Castles und andere Erbschaften
Was die Details ihres Privatvermögens betrifft, lässt sich die Queen nicht gerne in die Karten blicken. Laut jüngsten Medienberichten soll sogar Einfluss auf die Regierung und die Gesetzgebung genommen worden sein, um das Vermögen vor der Öffentlichkeit zu verschleiern. Das Königshaus dementierte verschnupft. Diese Grauzone macht es jedenfalls schwierig, den Wert der gesamten Habschaften zu bestimmen. Oder um es mit den Worten des texanischen Milliardärs Nelson Bunker Hunt zu formulieren: „Wenn eine Person genau weiß, was sie besitzt, dann ist es womöglich nicht sehr viel.“ Sicher ist: Verwaltet werden die Royal Assets von ihrer Hausbank Coutts & Co, die – 1692 gegründet – eines der ältesten Geldhäuser der Welt ist. Zum Privatbesitz der Queen zählt der rund 18.400 Hektar große Landbesitz des Herzogtums Lancester sowie Investment-Portfolio aus Aktien, Anleihen und Rohstoffen. Die „Paradise Papers“ enthüllten 2016, dass die Königsfamilie über das Herzogtum Lancaster Millionen in einen Fonds auf den Cayman Islands steuerschonend investiert hat. Aus den geleakten Papieren ging hervor, dass die jährlichen Einkünfte ihrer privaten Investments und Ländereien 20 Millionen Pfund jährlich betragen.
Die Windsors werden nicht verarmen, sollte die Monarchie abgeschafft werden. Die zwei ansehnlichsten Immobilien-Perlen im Privatbesitz der Royals sind Prachtbauten aus dem 15. und 19. Jahrhundert: das Balmoral Castle im schottischen Hochland, das von Queen Victoria 1848 gekauft wurde, und das Sandringham House inklusive 32 Quadratkilomenter Landfläche in der Grafschaft Norfolk. Insgesamt wird das Immobilien-Portfolio der Queen von Charles McDowell Properties auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Kämen die beiden herrlichen Anwesen tatsächlich auf den Markt, wäre der Liebhaberwert wohl um ein Vielfaches höher.
Pferde, Tauben, Hunde
„The Royal Stud“, der Stall der Königin in Sandringham, umfasst mehr als zwei Dutzend trainierte Rasse- und Rennpferde. Ihr Wert wird auf 9 Millionen Euro taxiert. In Sandringham hat die Queen, die sich im Krieg zur Automechanikerin ausbilden ließ und als einzige Person Englands ohne Führerschein fahren darf, zudem eine der wertvollsten Autosammlungen Großbritanniens. Neben einem 1900 Daimler Phaeton, der als erstes „Royal Car“ fungierte, findet sich auch ein 1954 Rolls-Royce Phantom IV als eines von zwölf automobilen Gustostückerln mit einem Gesamtwert von 9,6 Millionen Euro.
Bei den Windsors lagert zudem mit der Royal Philatelic Collection eine der größten Briefmarkensammlungen der Welt. Sie soll Raritäten wie die Blaue Mauritius (Two Pence Blue) enthalten. Allein ihr Schätzwert liegt – basierend am Verkauf der Briefmarkensammlung du Ponts im Jahr 2014 – zwischen 70 und 100 Millionen Euro. Zu erwähnen sind am Ende noch ein Schwarm hochgezüchteter Brieftauben, die für Wettkämpfe eingesetzt werden. Am berühmtesten sind aber andere Haustiere der Queen – ihre geliebten Corgis. Mehr als 30 dieser Zuchttiere soll sie während ihrer Amtszeit besessen haben. Weil die Queen nach ihrem Tod aber keine Hunde zurücklassen möchte, hat sie bereits vor einigen Jahren aufgehört, die kurzbeinige Hunderasse weiter zu züchten. Mittlerweile besitzt die Queen nur mehr einen Dorgi, einen Corgi-Dackel Mischling. Aber zeitweise war sie von einem ganzen Rudel von Corgis umgeben, für deren Wohl einige königliche Bedienstete exklusiv zuständig waren. Auch wenn die Hunde immer wieder für Chaos im Palast sorgten, durfte nur ein einziger Mensch über die „bloody dogs“ lästern: Ehemann Philip.