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Viktor Orbán
Laszlo Balogh / AP / picturedesk.com

Viktor Orbán: Der böse Fußball-Diktator

23.06.2021 um 15:34, Robert Eichenauer
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Viktor Orbán hat Ungarn in einen autoritären Fußballstaat verwandelt. Das aktuelle Hick-Hack um die Münchner Stadionbeleuchtung ist Anlass genug, sich die sportpolitische Lage in unserem Nachbarland genauer anzuschauen.

Bundeskanzler Christian Kern rückte Ungarn einst in die Nähe eines „autoritären Führerstaats“ und bekam dafür vom ungarischen Außenminister Peter Szijjarto eine Retourkutsche. Seitdem hat sich wenig geändert: Orbán ist in Europas so etwas wie der „bad guy“, der sich genüsslich über so manche EU-Richtlinie hinweg setzt und durch die Verabschiedung von umstrittenen Gesetzen, wie dem Mediengesetz oder aktuell dem Homosexuellen-Gesetz für böses Blut sorgt.

Brot und Spiele

Viktor Orbán ist fußballverrückt und lässt daran auch politisch gesehen keine Zweifel aufkommen. Er hat Fußball bei seinem Amtsantritt 2010 zu einer nationalen Angelegenheit gemacht. Der Regierungschef hat  in den letzten Jahren mehrer Milliarden in seine Lieblingssportart investiert – das meiste davon aus Steuergeldern! Begonnen haben die Investitionen mit einem kleinen, aber umso feineren fußballerischen Denkmal in seinem Heimatort Felcsút, wo Orbán selbst zwei Jahrzehnte die Fußballschuhe schnürte. Und da Kleckern nicht die Sache des Rechtspopulisten ist, ließ er sich den Bau der „Pancho Arena“ (benannt nach Ferenc Puskás) satte 12,4 Millionen Euro kosten. Das Stadion bietet 4.000 Zuschauern Platz – nicht schlecht für ein 1.800 Seelen Dorf. Finanziert wurde das „Orbán-Denkmal“ über Oligarchen, denen speziell für solche „Projekte“ ein Teil der Gewinnsteuer erlassen wurde. Für Orbáns Heimatdorf läuft es überhaupt ziemlich gut. Neben einem neuen Gemeindeamt wurde ein Gymnasium errichtet und auch eine Lizenz für einen Flughafen soll bereits erteilt worden sein.

Die Puskás Aréna in Budapest
Ungarisches Nationalheiligtum: Die Puskás Aréna in Budapest.

Neue Dimensionen

Schon etwas andere Dimensionen hat die 2014 eröffnete neue Heimstätte von Ferencváros Budapest. 45 Millionen investierte die Regierung Orbán in das knapp 24.000 Zuschauer fassende Stadion. Selbstverständlich ist der Präsident Gábor Kubatov Mitglied von Fidesz und sitzt für diese im Parlament. Generell hat Orban dafür gesorgt, dass an alle wichtigen Hebeln im Fußball enge Vertraute sitzen, schließlich will man nichts dem Zufall überlassen. Das besondere am neuen Ferencváros-Stadion ist übrigens der Venenscanner. Man erhält nur dann ein Jahresabo, wenn man vorher seine Daten bekannt gibt und die Hand in diesen Venenscanner legt. Offiziell will man so die gewaltbereite Szene aussperren, in Wahrheit hat diese Maßnahme aber auch eine politische Dimension. Orban will so den oft von aktiven Fußball-Fans ausgehenden Regierungsprotest im Keim ersticken.

Heiligtum

Das absolute Prunkstück ist aber das neue Nationalstadion, das 2019 mit einem Freundschafsspiel seine Tore öffnete. 556 Millionen betrugen die Baukosten für die rund 68.000 Zuschauer fassende Arena. Dieses Stadion war der Schlüssel für die erfolgreiche Bewerbung für die EURO 2020 sowie das Europa-League-Finale 2022/23.

New Deal

Neben den zum Teil absurden Investitionen in die Infrastruktur – der Zuschauerschnitt in der Ungarischen Liga liegt bei 3.000 – wurde auch die Sportförderung völlig umgekrempelt. Der mit Abstand größte Teil des Kuchens geht in den Fußball, alle anderen Sportarten haben sich hinten anzustellen. Besonders perfid: Orbans Privat-Stiftung in Felcsút, unter der auch die ortsansässige Akademie beheimatet ist, bekam 2013 ungefähr gleich viel Förderung wie der gesamte ungarische Eishockey-Verband.

Ungarische Fans bei der Europameisterschaft
Für Viktor Orbán ist Fußball ein Weg seine Macht auszubauen. Die ungarischen Fans freuen sich über die Investitionen.

Machterhalt

Es gibt für Orbán wohl zwei Gründe, warum er sich so stark für den Fußball einsetzt. Einerseits ist es ganz einfach das Ausleben seiner persönlichen Neigung, andererseits weiß der gewiefte Politiker natürlich genau, dass „Brot und Spiele“ schon immer ein probates Mittel zur Machterhaltung waren. Und von der Macht hat der Ministerpräsident noch lange nicht genug.

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