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Meinl-Reisinger im Gespräch mit Martin Thür bei den Sommergesprächen vor der Kulisse des Traunsees
Meinl-Reisinger betont im ORF-Sommergespräch, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen.
Meinl-Reisinger betont im ORF-Sommergespräch, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen.
Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com

Klartext: Meinl-Reisinger will an die Macht

06.08.2024 um 09:43, Stefanie Hermann
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Im ORF-Sommergespräch fordert NEOS-Chefin Meinl-Reisinger radikale Reformen. Für sie ist klar: Eine künftige Regierung braucht die NEOS.

Die ORF-Sommergespräche sind zurück. Den Auftakt vor der malerischen Kulisse des Traunsees hat gestern NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger gemacht. Eines hat die energische NEOS-Frontfrau bei Interviewer Martin Thür sofort klargemacht: Es gibt viele Bereiche, die sie am liebsten gestern statt morgen ändern würde.

Fokus: Bildung

Besonders unglücklich macht Beate Meinl-Reisinger die Bildungspolitik. "Die letzte große Bildungsreform war im Jahr 1962", moniert sie. Aktuell würden aber vor allem die Schulen in Wien in der Kritik stehen, und dort würden immerhin die NEOS das Bildungsressort verantworten, erinnert Thür. Über die Arbeit des NEOS-Bildungsstadtrats will Meinl-Reisinger nichts kommen lassen. Er habe administratives Unterstützungspersonal an die Schulen geschickt, die Sprachförderung in Kindergärten aufgestockt und das Angebot an Ganztagesplätzen ausgebaut. Dennoch gebe es viel zu tun: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen." Bei vielen Dingen stünde ja vor allem auch das Bildungsministerium in der Pflicht. "Die Schulen in Wien haben hohe Qualität, aber wir können nicht alles alleine machen", so Meinl-Reisinger, die auch eine ihrer Kernforderungen hervorhebt: "Alle Kinder sollten alle Chancen haben, sonst wird Potenzial vernichtet."

Neuer Kurs bei Integration

Ein großer Teil der Bildungsprobleme sei eng mit der Integration von Zuwanderern verbunden – ein Thema, bei dem die gebürtige Wienerin neuerdings ungewohnt harte Töne anschlägt. "Wir müssen beim Thema Integration Klartext sprechen und sagen, dass wir drei Dinge verlangen: Dass Menschen, die zuwandern, unsere Werte respektieren, unsere Sprache sprechen und so rasch wie möglich arbeiten und Steuern zahlen." Hier fordert sie mehr Engagement von der Politik und klare Vorgaben von Anfang an. Die NEOS-Chefin sieht nicht nur auf politischer Ebene und bei Erwachsenen Handlungsbedarf. "Es braucht einen verpflichtenden Demokratieunterricht zusätzlich zum Religionsunterricht“, fordert sie. Das Unverständnis vieler Menschen über die hohen Mindestsicherungssätze kann sie verstehen, auch wenn die Bezüge legal ausgezahlt würden. "Ich kann das Unverständnis über die 4.600 Euro gut nachvollziehen. Das System muss überarbeitet werden."

Harter Sparkurs

In punkto Finanzen würde die pinke Frontfrau gerne so einiges "überarbeiten."Meinl-Reisinger kritisiert die steigenden Staatsausgaben und das wachsende Budgetloch in Österreich. "Wir können so nicht mehr weitermachen", sagt sie unter Verweis auf die steigenden Staatsausgaben und das wachsende Budgetloch. Sie habe bereits eine Reformgruppe eingesetzt, um Einsparungspotenziale auszuloten. "Ganz viel ist ineffizient eingesetzt", bemängelt sie. In Bereichen wie Bildung und Gesundheit würde Österreich mehr ausgeben als andere Länder, aber schlechtere Ergebnisse erzielen. "Ohne Reformen wird das nicht gehen. Wir müssen es auf jeden Fall angehen, wir können nicht so weitermachen." Für den Zugang des Bundeskanlzers hat sie klare Worte: "Dass Nehammer keine Notwendigkeit für ein Sparpaket sieht, ist absurd."

Reformbedarf bei Pensionen

Im Gegenteil, der Reformbedarf im Land sei enorm. Weiterer wunder Punkt: das finanziell auf wackeligen Beinen stehende Pensionssystem. "Eine künftige Regierung wird um eine Pensionsreform nicht umhinkommen. Es geht sich einfach nicht aus", attestiert Meinl-Reisinger. Sie fordert eine Kopplung der Pensionen an die steigende Lebenserwartung und setzt sich für eine stärkere private Pensionsvorsorge ein. "Ein solidarisches Pensionssystem geht sich schon lange nicht aus", so die Wirtschaftsliberale. Ihr Plan, die Pensionslücke zu schließen, sieht einen stärkeren Einbezug des Kapitalmarkts und flexible Pensionsantritte mit ein. "Das Pensionsalter muss angehoben werden, sonst wird sich das nicht ausgehen", mahnt sie zur Ehrlichkeit: "Das wird sich sonst nicht ausgehen." In Betracht gezogen solle dabei aber auch, wann jemand zu arbeiten begonnen habe. 

Dreierkoalition denkbar

Trotz ihrer scharfen Kritik an SPÖ und ÖVP zeigt sich Meinl-Reisinger offen für eine Koalition mit ÖVP und SPÖ, deren Ideen jenen der NEOS relativ diametral gegenüberstehen. "Natürlich ist das nicht leicht mit diesen Parteien, die nur an Macht interessiert sind", befindet sie. Die beiden großen Parteien seien ausgepowert und reformunwillig. Gerade deshalb, würde es aber auch nicht ohne NEOS gehen: "Die brauchen uns für Reformen." In einer Dreierkoalition würde sie als "Antreiberin" fungieren wollen. "Wir sind der Garant, dass diese Reformen angegangen werden."

Für eine etwaige Regierungsbeteiligung hat sie klare Vorstellungen. Ihr Blick richtet sich dabei nur mäßig überraschend auf das Finanzministerium. "Das Justizministerium gehört in unabhängige Hände", meint sie danach gefragt, ob sie es noch einmal der ÖVP überlassen würde. Die derzeitige Verwaltung kritisiert sie scharf und fordert eine "100-prozentige Transparenz" selbiger. "Unser Ziel ist es, Österreich durch mutige und notwendige Reformen wieder auf Kurs zu bringen." Dazu zählt auch eine konkrete Strategie zur Bekämpfung der hohen Inflation. "Es braucht mehr Wettbewerb und weniger staatliche Eingriffe, insbesondere bei Energiepreisen und Supermärkten", betont sie. Auch bei der Mindestsicherung soll ein stärkerer Fokus auf Sachleistungen anstelle von Geldzahlungen gelegt werden. "Wir müssen Anreize schaffen, arbeiten zu gehen."

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