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Karl Nehammer im Porträt beim Sommergespräch
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht keinen Bedarf für einen Sparkurs.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht keinen Bedarf für einen Sparkurs.
MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

"Kein Sparbedarf": Nehammer heftig unter Beschuss

05.08.2024 um 11:39, Stefanie Hermann
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Budgetloch hin oder her: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) lehnt ein neues Sparpaket ab. Er setzt auf Wirtschaftswachstum. Die Reaktionen darauf fallen heftig aus.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat mit einer bemerkenswerten Aussage zum Budget und den notwendigen Sparmaßnahmen für gehörigen Wirbel gesorgt. Im Interview mit der APA erklärt der Kanzler, dass er keinerlei Notwendigkeit für ein Sparpaket nach der Nationalratswahl sieht. Vielmehr, so Nehammer, könne man das Budget durch Wirtschaftswachstum stabilisieren. Experten und Opposition zeigen sich alarmiert. 

Nehammer: "Kein Sparbedarf"

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer stellt sich entschieden gegen die Sparaufforderungen von IHS, Wifo und Fiskalrat. "Ich habe da eine gegenteilige Auffassung dazu", betont er. Für ihn sei es wichtiger, Wirtschaftswachstum zu fördern und Unternehmen zu entlasten. "Durch mehr Wirtschaftswachstum habe ich auch die Chance, tatsächlich das Budget zu stabilisieren", erklärt. Maßnahmen wie die Entlastung bei der Besteuerung von Überstunden und den Lohnnebenkosten sollen die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs steigern.

Einen echten Spar- oder Änderungsbedarf vermag der Chef der Volkspartei nicht zu erkennen. Er verweist stattdessen auf die positiven Rückmeldungen der Ratingagenturen. Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern habe Österreich keinen Mahnbrief erhalten. Den Vorwurf, dass er das Wort Einsparungen nur nicht in den Mund nehmen möchte, weil man sich im Wahljahr befände, weist er zurück. "Nein, das Thema ist tatsächlich, dass wir in vielen Bereichen schon wirklich herzeigbare Erfolge erzielt haben", so der Kanzler.

Fachleute fordern Sparkurs

Die Expertenmeinungen zeichnen ein gänzlich anderes Bild. Ökonomen vom IHS, Wifo und Fiskalrat plädieren für kurzfristige Sparpakete in Milliardenhöhe, um das prognostizierte hohe Budgetdefizit bis 2028 zu reduzieren. "Dieser Grad der Expansion ist wohl nur politisch erklärbar in einem Vorwahljahr", kritisiert Fiskalratspräsident Christoph Badelt. Auch der wirtschaftsnahe Thinktank Agenda Austria zeigt sich "ernüchtert" über die hohen Ausgaben und die Neuverschuldung.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr zieht ein ambivalentes Fazit und kritisiert vor allem die hohen Pensionszahlungen, die fast ein Drittel der Einnahmen verschlingen würden.

NEOS entsetzt

Von Seiten der Opposition zeigt man sich wenig begeistert. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos wirft Nehammer "Realitätsverweigerung und versuchte Wählertäuschung" vor. "Sämtliche Wirtschaftsforscher bis hin zur EU-Kommission und zur OECD sind sich einig, dass es kein 'Weiter wie bisher' geben kann." Hoyos betont, dass die nächste Regierung harte, aber notwendige Reformen umsetzen müsse und dass die NEOS dazu bereit seien.

SPÖ fassungslos

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim zeigt sich "fassungslos". "Nehammer ist verantwortlich für das Milliardenbudgetloch Österreichs und belügt die Österreicher*innen", attestiert er via Aussage. Er erinnert an das "unsägliche Burger-Video" und sieht in Nehammer "das Paradebeispiel eines abgehobenen Kanzlers".

FPÖ: Leere Phrasen der ÖVP

FPÖ-Chef Herbert Kickl teilt besonders hart aus. Er bezeichnet Nehammer als "Schmähtandler und Rosstäuscher". Kickl wirft Nehammer vor, durch leere Phrasen und fehlende Maßnahmen das Wirtschaftswachstum zu gefährden. "Mit den leeren Phrasen Nehammers wird man höchstens an den Baron von Münchhausen erinnert und nicht an einen staatstragenden Kanzler."

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