FPÖ-Chats: ORF-Stars laufen Sturm
Es ist ein erschütterndes Bild, das die neu aufgetauchten Chats zeichnen. Die FPÖ hat versucht zu intervenieren - und einige ORF Redakteure haben mehr als bereitwillig mitgespielt.
Der von der ÖVP initiierte Untersuchungsausschuss über "rot-blauen Machtmissbrauch" hat bislang unveröffentlichte Chatprotokolle ans Licht gebracht. In einer WhatsApp-Gruppe aus den Jahren 2018 bis 2019 lassen hochrangige FPÖ-Funktionäre, darunter unter anderem Harald Vilimsky, Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Hans-Jörg Jenewein und Norbert Steger ihrem Unmut freien Lauf.
FPÖ-Pläne für den ORF
Gewälzt werden dabei auch Pläne für einen blau-freundlichen Umbau des Öffentlich-Rechtlichen. Sie zeigen, wie die FPÖ während ihrer Regierungsbeteiligung Medienpolitik betrieb bzw. wie weit sie bereit war, politisch in die Personalentscheidungen und Berichterstattungen einzugreifen.
Programmgestaltung
Unter anderem war der damaligen FPÖ-Spitze die Programmgestaltung ein Dorn im Auge. Mehr Gabalier auf Ö3, dafür kein FM4 mehr, so der Wunsch der Partei. Dafür setzte sich Strache sogar persönlich ein: "Bitte auch dahinter sein, dass Andi Gabalier endlich auf Ö3 gespielt wird."
Strukturpläne
Die Strukturpläne der FPÖ überraschen unterdessen wenig: Abschaffung der GIS-Gebühren, radikale Kürzung des Budget und Zurückstutzung der Strukturen des ORFs. Die Änderungen wären massiv gewesen: Die Abschaffung von ORF 1, Zusammenlegung von Landesstudios, Ende der ORF-Gebühr (allerdings erst später) und ein kompletter Austausch des Managements dürften auf der blauen Agenda gestanden sein. Das Auftauchen des Ibiza-Videos verhinderte die geplanten Gesetzesänderungen zur Reform des ORF durch ÖVP und FPÖ. Mit dem illustren Pläne-Wälzen in der Gruppe war mit Veröffentlichung abrupt Schluss.
Personalpolitik
Dass die Freiheitlichen mit der ORF-Berichterstattung nicht glücklich waren, ist kein Geheimnis. "Keine öffentlichen Angriffe mehr auf ORF/Leute, müssen sie abschießen, nicht aufwerten!", heißt es von Seiten Straches an einer Stelle im Chat. Mit Stiftungsrat Norbert Steger werden stattdessen Pläne gewälzt, wie man die Redaktionen politisch günstig umbesetzen könnte.
Blaue Personal-Liste
Offen geht aus den Chatprotokollen nicht nur hervor, wie FPÖ-Chef Strache Personen für diverse Funktionen im ORF empfohlen hat und wen er dabei als blaue Vertrauensleute angesehen hatte.
Blaue Abschussliste
Klar auf der Abschussliste: heutiger ZIB2-Moderator Martin Thür und der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Vilimsky im Februar 2019: "Thür verarscht uns zudem auf Twitter. Müssen endlich auf den Tisch hauen. Wrabetz weg, Gebühren weg."
Wunschkandidat Wehrschütz wehrt sich
Gefeiert wird dafür die Installierung der blauen Vertrauensfrau Kathrin Zierhut als ORF-Personalchefin. Diskutiert wurde unterdessen die Aufwertung des Korrespondenten Christian Wehrschütz. Für ihn hatte Strache besonders große Pläne: Vorstellen konnte er ihn sich als oberösterreichischen Landesstudiodirektor oder sogar ORF-Unterhaltungschef. Wehrschütz könne sich auch ein eigenes Sendeformat vorstellen, legt sich Strache für das ehemalige FPÖ-Mitglied (Austritt 2002) ins Zeug. Geworden ist aus all dem nichts. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine berichtet der preisgekrönte Reporter aus dem Kriegsgebiet.
Mittlerweile hat Wehrschütz auf die Veröffentlichungen und Vorwürfe gegen seine Person reagiert. Er sei nicht involviert gewesen, gibt er an. Seine Überlegung, nach Moskau zu gehen, hätten rein familiäre Gründe gehabt.
Straches Fitness-Guru
Ein deutlich unangenehmeres Sittenbild zeichnet die teils direkte Beteiligung von ORF-Redakteuren. Auffallend ist hier vor allem Straches persönlicher Fitnesstrainer Philipp Jelinek. Seinen Jobwunsch schickt der blaue Parteichef in der internen Jobbörse gleich mit. Für einen Job bei "Guten Morgen Österreich", verspricht er ORF-Interna. "Lieber Heinz, der Kuchen wird jetzt verteilt ... wir müssen dringend die Weichen für mich stellen." Von Jelinek liegt bislang noch kein Statement zu der Causa vor.
Mit ist ja an sich völlig egal, wer im Fernsehen vorzeigt, wie man Kniebeugen macht, aber dieser Dialog sollte doch eher für einen Job bei FPÖ-TV qualifizieren als in einem Sender, dessen Mitarbeiter·innen per Gesetz zur Unabhängigkeit verpflichtet sind. https://t.co/veu6dwZtwL pic.twitter.com/jBHoBaulHR— Armin Wolf (@ArminWolf) March 29, 2024
ORF-Redakteure zornig
Kein Wunder jedenfalls, dass die Chats so manchem ORF-Kollegen sauer aufstoßen. Der Redakteursrat unter Leitung von Dieter Bornemann, Chef der Wirtschaftssendung Eco, hat gestern prompt via Aussendung reagiert: "Die Chats zeigen ein trauriges Sittenbild, wie wenig politische Parteien - allen voran die FPÖ - von unabhängigem Journalismus halten. Der ORF soll von Leuten, die der Partei genehm sind, geführt werden - oder aber zusammengestutzt. Das war in Zeiten der FPÖ-Regierungsbeteiligung so und das ist auch heute noch so, wie zahlreiche öffentliche Stellungnahmen der FPÖ in letzter Zeit belegen."
Die Interventionsversuche würden klar zeigen, dass Reformpläne wenig mit der Qualität des ORF-Angebots zu tun habe, sondern lediglich Deckmäntelchen für politische Parteiinteressen seien. Aber auch mit den beteiligten Kollegen geht der Rat hart ins Gericht: "Bedauerlich ist, dass es immer wieder Leute gibt, die sich bei Parteien anbiedern und sich dadurch eine Karriere im ORF erhoffen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Journalistinnen und Journalisten im ORF, die für kritische, objektive und unabhängige Berichterstattung stehen." Geteilt wurde das Redaktionsstatement auch von ZIB2-Mann Thür.
In eine ähnliche Kerbe schlägt ZIB2-Starmoderator Armin Wolf. "Das Eine ist ja, wie brachial die Regierungspartei FPÖ in den ORF hineinregiert hat - aber noch mehr empört mich, wie sich manche 'Kollegen' bei Parteien anbiedern u. damit die professionelle Arbeit aller unabhängigen Journalist·innen im ORF diskreditieren", schimpft er auf X.
„Bedauerlich ist, dass es immer wieder Leute gibt, die sich bei Parteien anbiedern und sich dadurch eine Karriere im ORF erhoffen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Journalistinnen und Journalisten im ORF, die für kritische, objektive und unabhängige Berichterstattung stehen.“ https://t.co/wC8DJUAt8j— Martin Thür (@MartinThuer) March 29, 2024