Andi Babler: "Müssen den freien Markt zurückdrängen"
Quasi last minute hat der Traiskirchner Bürgermeister Andi Babler seine Kandidatur für den SPÖ-Parteisitz bekanntgegeben. Chancen rechnet sich der als hemdsärmelig geltende Underdog für seinen klaren Kurs und seine Botschaft an die Basis aus. Von Kritikern wird der Erzrote mitunter sogar in die kommunistische Ecke gestellt. Plant er wirklich den totalen Linksruck für die Sozialdemokraten? Wir haben Babler zum Gespräch in seinem Büro getroffen.
"Stolz und Würde zurückgeben"
weekend: Herr Babler, zu Ihrem Antritt haben Sie mehrfach gesagt, man müsse der Partei “Stolz und Würde zurückgeben”. Wie stellen Sie sich das vor?
Andi Babler: Derzeit läuft es in der SPÖ so: Im Hinterzimmer wird irgendwas getuschelt, vielleicht gibt es Auseinandersetzungen und am Ende teilt irgendjemand mit, was jetzt die Parteilinie ist. Ich sehe die SPÖ aber als Bewegung von Menschen, die Visionen haben und mit Leidenschaft für etwas brennen. Man muss die Partei den Mitgliedern zurückgeben.
weekend: Und auf Funktionärsebene? Den Krawall gibt es ja vor allem auch “ganz oben”. Wie soll da der Prozess aussehen?
Andi Babler: Was den Krawall angeht, darf man mich nicht fragen, ich bin kein Teil davon. Ich fahre seit Jahren durch die Bundesländer und fühle mich am wohlsten, wenn ich mit den Mitgliedern zusammenkomme.
weekend: Wenn wir davon ausgehen, dass Sie als Erstgereihter aus der Befragung hervorgehen und vom Parteitag zum Parteiobmann gewählt werden, dann kommen Sie nicht umhin, sich auch auf dieser Ebene um den Prozess zu kümmern.
Andi Babler: Logisch, aber die Frage ist doch, wie Beteiligung aussieht, wenn wir eine Mitgliederpartei sein wollen. Was wir jetzt brauchen, sind positive Ansagen und Einsatz.
Gemeinsam beginnt jetzt: Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, die SPÖ wieder zu vereinen. Eine geeinte SPÖ sehe ich als Grundvoraussetzung, um endlich wieder zu einer starken Bewegung zu werden, die Wahlen gewinnt. Dafür habe ich einen konkreten Plan. (1/6) pic.twitter.com/Wp1hplF3TX— Andi Babler (@AndiBabler) April 24, 2023
Bablers Dreamteam
weekend: Wie würde Ihr Dreamteam aussehen?
Andi Babler: So, dass wir in Bewegung kommen. Ich versuche alle Kanäle offen zu lassen, mit den Ländern zu telefonieren. Auch wenn jetzt viel Emotion mitspielt, man muss auch an Tag 1 nach der Mitgliederbefragung denken. Wir haben eine Gesamtverantwortung und müssen als Team zusammenarbeiten können. Die Hand ist ausgestreckt an jeden, der Positives beitragen will. Wir wollen, dass die SPÖ wieder selbstbewusst wird.
weekend: Sehr selbstbewusst zeigt sich auch der aktuelle Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch was seine Zukunft in der Partei angeht. Würden Sie da einen Wechsel vornehmen oder gibt es eine Chance, dass er bleibt?
Andi Babler: Soweit kann ich das schon verraten: Die Bundesgeschäftsführung braucht eine Neuaufstellung.
Bürgermeister will Kanzler werden
weekend: Warum wären Sie der bessere Chef?
Andi Babler: Die SPÖ ist kein Kasperltheater, auch wenn es einige Leute so aussehen lassen. Die SPÖ ist eine ernstzunehmende Bewegung und Teil meines Lebensinhalts. Zum einen, will ich von den Streitigkeiten wegkommen und zum anderen gemeinsam mit den Mitgliedern als Bewegung arbeiten.
weekend: Reichen Visionen, Ideologie und Leidenschaft dafür aus?
Andi Babler: In den letzten zehn Jahren haben wir Traiskirchen mit positiven Ansätzen nach vorne gebracht. Wir bieten heute das dichteste Netz an sozialer Unterstützung für die ältere Generation, garantieren jedem Kind ein warmes Essen. Anti-Teuerungsmaßnahmen verbinden wir konkret mit dem Kampf gegen die Erderhitzung, indem wir sozial Schwächeren Öffi-Tickets zahlen.
weekend: Warum funktionieren diese Dinge in Traiskirchen und an anderen Orten nicht?
Andi Babler: Wir denken Politik von unten und überprüfen jede Maßnahme darauf, welche Auswirkungen sie auf Leute hat, die es sich nicht richten können, aber konkret leiden. Menschen sind keine Bittsteller, sondern haben Rechte; auf leistbare Wohnungen, auf gerechte Löhne, auf Gratis-Gesundheitsversorgung. Kinder haben ein Recht auf beste Bildungsmöglichkeiten, auf ein warmes Essen. Ältere Menschen haben ein Recht, in Würde alt werden zu können.
https://t.co/0qZaeib6qj war Augenzeuge: @AndiBabler unterschreibt Kandidatur für @SPOE_at-Vorsitz. pic.twitter.com/gr8rAcwTNw— weekend.at (@WeekendMagazin) March 31, 2023
Unterschiede zu Rendi-Wagner und Doskozil
weekend: Wie unterscheiden Sie sich damit von Rendi-Wagner und Doskozil?
Andi Babler: Meine Perspektive ist eine andere. Ich habe positive Gegenkonzepte zu der Politik, die aktuell herrscht. Thematisch muss man aufpassen. Wir reden hier nicht über einen Nationalratswahlkampf, wir reden über Bewerbungen innerhalb der Sozialdemokratie. Unsere Programme unterscheiden sich in vielen Punkten gar nicht - wir teilen als Mitglieder derselben Partei dieselben Grundsätze.
weekend: Trotzdem geht es um eine Neuausrichtung innerhalb der SPÖ?
Andi Babler: Zurück zur Gesinnung, das ist der Kampf um Rechte. Etwa im Bereich von Frauen, wo es noch immer die doppelte Ausbeutung gibt: Arbeit zuhause, die ungleich verteilt ist und, dass Frauen für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn kriegen. Ich habe das hautnah miterlebt und nie verstanden. Die Kollegin neben mir in der Schichtarbeit hat an der gleichen Position, die exakt gleiche Arbeit gemacht und 35 Prozent weniger verdient. Selbe Arbeit, selbe Arbeitszeit, selbe Nachtschichten. Wir brauchen konkrete Maßnahmen dagegen. Immer nur von gläsernen Decken sprechen, die durchbrochen werden müssen, hilft nicht.
weekend: Frauenquote, ja nein?
Andi Babler: Ja, unbedingt! Alles andere würde strukturell von Männern verhindert werden.
Babler will freien Markt zurückdrängen
weekend: Ihre drei wichtigsten Themen nach Priorität?
Andi Babler: Das ist schwierig, weil alles ineinander greift. Recht auf Leben in Würde – alles andere leitet sich daraus ab. Politik für die vielen heißt, konsequent Verbesserungen für die arbeitenden Menschen in diesem Land zu schaffen. Dazu muss man endlich diesen freien radikalen Markt stärker regulieren.…
weekend: Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Andi Babler: Zum Beispiel das Recht auf Wohnen, wo die SPÖ den Menschen immer garantiert hat: “Wir schauen, dass ihr ein Recht auf Wohnen habt, das auch eine gewisse Qualität hat.” Heute braucht man dazu Mietpreisregeln mit festgesetzten Obergrenzen, damit nicht einige Wenige unmoralische Übergewinne auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung machen. Das muss man klar artikulieren Andere Länder sind hier schon viel weiter.
weekend: Spanien.
Andi Babler: Ja, Spanien hat einfach gesagt: “Ok, das kassieren wir jetzt ab, beinhart.” Zeitgleich hat man das mit einer sozialen und ökologischen Frage verbunden. Sozial schwache Menschen können den Nahverkehr gratis nutzen. Vielleicht braucht es da mehr Bewusstsein in der SPÖ.
Linksruck: Umverteilung und Vermögenssteuern
weekend: Sie plädieren klar für eine Umverteilung und zusätzliche Steuern - fällt da auch eine Erbschaftssteuer darunter?
Andi Babler: Natürlich! Übergewinne, Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer: Wir haben fertige Konzepte mit der Expertise der Arbeiterkammer und den Gewerkschaften in den Schubladen liegen - und die Parteiführung nutzt sie nicht. Es fehlt manchmal ein bisschen der Mut. Stattdessen gehen wir schon mit Kompromissen in Verhandlungen.
weekend: Braucht die SPÖ einen Linksruck?
Andi Babler: Sie braucht eine Rückbesinnung auf die Sozialdemokratie und ein modernes sozialdemokratisches Verständnis. Von unserer DNA her sind wir eine Protestpartei, die um Rechte für Arbeiter gekämpft hat. In Österreich sind 3,5 Millionen Menschen unselbstständig erwerbstätig. Wurscht, ob du im Supermarkt oder als Angestellter in einem Büro hackelst. Die große Aufgabe, die die SPÖ hat, ist es, jene zu unterstützen, die wenig zur Verfügung haben und abhängig sind von jenen, die besitzend sind.
weekend: Zu den komplexen Fragen …
Andi Babler (unterbricht): Es ist eigentlich einfach. Wenn man die eigene Position kennt, kann man alles ableiten.
weekend: Die eigene Positionierung mag einfach sein. Aber die Kommunikation an potenzielle Wählerinnen und Wähler ist vielleicht umso komplizierter. Wie muss sich die Kommunikation der SPÖ ändern, damit sie ihr Programm auch anbringt?
Andi Babler: Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich auch in den Bundesländern für volle Hallen sorge. Die Leute mögen meine Message, Sprache und die Art, wie ich kommuniziere.
"Flüchtlingsthema wird hochgekocht"
weekend: Wie stellen Sie sich aus österreichischer Perspektive eine gelungene Flüchtlingspolitik vor?
Andi Babler: Flüchtlingspolitik? Das ist der kleinste Bereich. Das wird nur politisch hochgekocht. Eine Mindestpensionistin hat keinen Euro mehr davon, wenn in den Medien über Flucht und Migration gesprochen wird.
weekend: Aber es ist jenes Thema, das am lautesten diskutiert wird.
Andi Babler: Ein absolut falscher Ansatz. Das ist auch ein Problem von Teilen der Sozialdemokratie, dass sie glauben, rechts blinken zu müssen. Mir ist nicht klar, was man sich mit dem Verlassen des SPÖ-Grundkurs, nämlich dem Respekt gegenüber Menschen, verspricht. Das hat schon damals Haider und dann Strache groß gemacht, jetzt gerade Kickl. Aber wo haben wir sie immer im Zaum gehalten? Da, wo wir Gegenpositionen hatten. Ich muss nur an den Wahlkampf von Michael Häupl denken, der zu Strache gesagt hat: “Wie, du willst ein Match? Gut, dann stellen wir einen humanistischen Kurs dagegen.” Die FPÖ ist runtergesaust und die SPÖ rauf - weil man Kante gezeigt hat. Die Leute sehnen sich nach einem klaren Kurs, klaren Positionierungen, nicht nach dem Geschwafel: “Steht der jetzt rechts, blinkt er rechts, will er law and order?”
weekend: Was wollen Sie?
Andi Babler: Wir sind für Erstaufnahmezentren an den Grenzen, das betone ich ganz klar. Aber keiner diskutiert, was dort passiert. Wie sind die Zustände? Der Zugang zu Asyl? Die Rechtslage? Das ist die entscheidende Frage: Nicht, wo das Haus steht, sondern was dort passiert. Flucht ist nicht das große Thema, sondern Arbeits- und Wirtschaftsmigration. Das sollte nüchtern diskutiert werden. Wir brauchen Arbeitsmigration und nicht nur die Top IT-Kräfte aus Indien und Pakistan, oder die, die Pflegediplome haben. Wir brauchen uns nur Wirtschaft und Hotellerie anschauen. Wenn wir zwei essen gehen würden, würde es auch jemanden brauchen, der den Salat und das Drecksgschirr wäscht. Wichtig ist, zu verhindern, dass die Gastarbeiter oder Migrantinnen als Lohndrückerinstrument eingesetzt werden. Dafür braucht man gesetzliche Regeln und Integrationsmaßnahmen. Es bringt nix, medial zum 15. mal die Balkanroute zu schließen.
weekend: Jetzt hat aber das, was Sie genannt haben, sehr große Zustimmung in der Bevölkerung.
Andi Babler: Was wir unterschätzen, auch bei Leuten, die manchmal durch den Boulevard, Politik oder Stimmungen beeinflusst werden, ist die Sehnsucht, endlich wieder jemanden zu treffen, der authentisch und klar für etwas eintritt, ohne sich von Spindoktoren oder Meinungsumfragen davon abbringen zu lassen.
Familienentscheidung und Mitglieder-Support
weekend: Es hat vor der Befragung einen enormen Mitgliederzuwachs gegeben. Werden sie bleiben oder ist in Folge eher eine Austrittswelle zu befürchten?
Andi Babler: Ich hoffe, dass sich das hält! Wir spüren die Leidenschaft von Mitgliedern, die seit Jahrzehnten auf so eine Gelegenheit warten. Die sind wie wir dauergefrustet über das, was aufgeführt worden ist.
weekend: Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie kandidieren?
Andi Babler: Das war die wichtigste Entscheidung. Die ist auch ganz spät getroffen worden. Es war alles fertig, das Kampagnenteam, es war alles ready und mit wahnsinnig viel Leidenschaft. Aber es gab Respekt und Geduld für die Entscheidung. Der Grundtenor war schon: Bitte mach es, wir sind so unglücklich mit den zwei.
weekend: Und Ihre Frau hat dann gesagt …
Andi Babler: Nein, nein, nicht "die Frau hat gesagt". Wir diskutieren und entscheiden soetwas miteinander. Schlussendlich ist es ja eine ganz persönliche und private Entscheidung, die die ganze Familien betrifft, auch wie dann die Arbeit zuhause verteilt wird. Wenn man es nicht schafft, im Kreis der Familie Verantwortung zu übernehmen, sollte man auch nicht in die hohe Politik gehen.