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Mir geht's nicht gut

01.03.2023 um 19:16, Magdalena M. Fuchs
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Es gibt gute und schlechte Zeiten. Freunde & Familie sind wertvolle Begleiter bei Höhen und Tiefen, doch wenn die Seele leidet, kann eine Therapie unterstützen.

"Wie geht es Dir?" Eine ganz einfache Frage, die einem so leicht über die Lippen kommt wie ein „Guten Tag“ im Kaffeehaus oder ein Händeschütteln zur Begrüßung. Vier unscheinbare Wörter, die aneinander gereiht eine Frage ergeben, die man eigentlich jedem stellen kann – zwischen Tür und Angel, dem Fahrer im Autobus, den Nachbarn am Gang oder der sympathischen Friseurin. Und doch steckt viel mehr dahinter. Denn obwohl wir die Frage mit einem kurz angebundenen „Danke, gut und Dir?“ meist nur oberflächlich behandeln, geht es uns doch nicht immer gut, oder?

Reden hilft. Natürlich wird man nicht jedem, der sich nach unserem Befinden erkundet, seine Lebensgeschichte erzählen. Manchmal gibt es auch einfach keinen Rahmen dafür, um seine Gefühle wirklich auszudrücken. Meistens ist die Frage eine gesellschaftlich erlernte Höflichkeit, die aber wenig Raum dafür lässt, ganz offen zu sagen: „Es geht mir leider nicht gut, ich mache gerade eine sehr schwere Zeit durch.“ Das erfordert viel Mut. Und ein Gegenüber, das mit so einer Antwort auch umgehen kann. Wenn man also sein Gegenüber fragt, wie es ihm geht, sollte man auch bedenken, dass die Antwort eben auch anders ausfallen kann als das gewohnte „Gut“. Sich vertrauten Menschen gegenüber zu öffnen, wird oft als Hürde wahrgenommen, oft entsteht aber gerade, wenn man sich einander offen mitteilt, ein tiefergehender Austausch, denn Reden hilft.

Verhalten umlernen. In den vergangenen Jahren, gerade auch veranlasst durch eine pandemiebedingte Distanz zwischen den Menschen, wurde deutlich, wie wichtig unser emotionales Wohlbefinden ist. Nicht nur unsere körperliche Gesundheit ermöglicht uns ein zufriedenes und erfülltes Leben. Eben auch unsere emotionale Gesundheit trägt maßgeblich zu einer guten Lebensqualität bei. Dazu zählen sowohl das Erkennen von Bedürfnissen und Wünschen als auch ein Gefühl von Vertrauen, Sicherheit und Verständnis. Jeder Mensch wird bereits als ungeborenes Kind von seinem Umfeld beeinflusst. Kinder lernen von ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten, wie man sich im sozialen Umfeld verhält, sie schauen sich ihre Vorbilder genau an und lernen durch Erfahrungen. Wie Beziehungen vorgelebt werden, Gesprächs- und Streitkultur, das Zeigen von Liebe und Anerkennung, Lob oder Kritik – all das erlernen wir in unserer frühen Kindheit und geben es, ob wir wollen oder nicht, weiter. Oft erkennt man als Erwachsener, dass genau diese Strategien, die erlernt wurden, im erwachsenen Leben Schwierigkeiten bereiten. Dass wir mit unseren Kindern sprechen, wie es unsere Mutter mit uns früher getan hat und wir uns doch selbst so geschworen hatten, das niemals zu wiederholen! Oder man sich dabei erwischt, wie man den eigenen Partner manipuliert, obwohl man sich genau erinnert, wie schrecklich man das selbst findet, wenn man so eine Situation bei bekannten Paaren miterlebt. Diese Muster, die man sich über Jahre hinweg angeeignet hat und wiederholt, können reflektiert und aufgebrochen werden. Eine gute Hilfe dabei ist ein Psychologe. Der Seelenklempner, wie er früher abwertend bezeichnet wurde, wird heute als hilfreicher Begleiter in herausfordernden Zeiten anerkannt. Man muss längst nicht an der eigenen Belastungsgrenze angelangt sein, um Unterstützung zu erhalten! Ganz im Gegenteil, es beweist große Stärke und Selbsterkenntnis, zu bemerken, dass man buchstäblich ansteht und aktiv um Beistand bittet

Eine professionelle Therapie kann dabei helfen, nicht hilfreiche Muster aufzubrechen und neue Strategien zu erlernen, um für sich gute Entscheidungen zu treffen

For you. Wie es Unterschiede in den Persönlichkeiten gibt, gibt es auch eine Auswahl an Therapieformen. In Österreich sind derzeit 23 psychotherapeutische Methoden gesetzlich anerkannt. Dabei wird je nach ihrer Orientierung in vier Hauptgruppen unterschieden: die tiefenpsychologisch-psychodynamischen Schulen, die humanistisch-existenziellen Schulen, die systemischen Schulen und die verhaltenstherapeutische Schule. Diese Schulen wurden von unterschiedlichen Forschern und Therapeuten entwickelt, haben sich teilweise gegenseitig beeinflusst und ermöglichen heute vielseitige Zugänge, um Menschen zu helfen.

Worauf es ankommt. Am Anfang steht die Erkenntnis. Ob man in einer herausfordernden Zeit/Situation steckt und Hilfe braucht, ungesunde Mechanismen aufbrechen möchte oder sich einfach in seiner Haut besser fühlen will: Die Bereitschaft, an sich arbeiten zu wollen, ist entscheidend. Dann sollte die Wahl der Methode getroffen werden – je nachdem, mit welcher Arbeitsweise man sich persönlich wohlfühlt. Eine wesentliche Rolle spielt das Verhältnis zum Therapeuten, man sollte die Psychotherapie daher mit einer Person durchführen, die einem sympathisch ist und zu der man Vertrauen aufbauen kann. Bei einigen psychotherapeutischen Methoden steht das Gespräch im Vordergrund, andere bieten zusätzlich Übungen oder die Arbeit mit kreativen Mitteln an, mit denen der Zugang zum eigenen Erleben und zu inneren Konflikten unterstützt werden soll.

Das Ziel einer Psychotherapie ist es, seelisches Leiden zu heilen oder zu lindern und in Lebenskrisen zu unterstützen.

Wenn die Seele Hilfe braucht. Professionelle Hilfe und Gesprächstherapie ersetzen keine sozialen Kontakte wie Freundschaften, Familie und Partnerschaft. Genauso wenig können soziale Kontakte eine professionelle Hilfe ersetzen. Der Mensch ist so individuell, dass auch die Unterstützung individuell sein muss. Es kann im Leben immer wieder vorkommen, dass man sich in einer Sackgasse befindet, nicht weiter weiß oder man sich überfordert fühlt. Sich dann Hilfe zu suchen und mit jemandem auszutauschen, der an unserem Wohlbefinden Interesse hat, aber ebenso genügend Distanz und Objektivität wahren kann, nimmt uns oft den sprichwörtlichen Stein vom Herzen. Außerdem erlernt man in der Therapie Strategien, um gut für sich selbst zu sorgen, schult seine Intuition und erkennt, was einem wirklich guttut. Wir können für unsere Liebsten da sein, sollen es sogar, jedoch ohne uns dabei selbst zu gefährden. Wenn wir also das nächste Mal den Kollegen, die Freundin, den Nachbarn oder den Vater fragen: „Wie geht es Dir?“ … vielleicht geben wir unserem Gegenüber dann Raum und Zeit, darauf offen und ehrlich zu antworten.

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