Der Top-Banker zieht Bilanz
Herr Generaldirektor, es liegt im Interesse der Banken, eine schlechte Stimmung nicht auch noch zu verstärken. Haben Sie eine gute Nachricht für unsere Leser?
Für unsere Kundinnen und Kunden ist es erfreulich zu hören, dass es uns als Raiffeisenlandesbank OÖ gut geht. Gerade in Krisenzeiten ist es für Privat- wie auch für Firmenkunden wichtig, dass sie sich über ihre Bank keine Sorgen machen müssen.
Wie wichtig ist die Stimmung für eine Wirtschaft?
Der Zustand der Wirtschaft ist immer auch eine Frage der Stimmung. Momentan ist die Stimmung nicht gut. Der Grund dafür sind die nicht sehr positiven Prognosen für die nächsten anderthalb Jahre. Solange kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar ist, werden wir wirtschaftlich wahrscheinlich nicht viel weiterkommen.
Ist die Stimmung schlechter als die Lage oder wollen wir es als gelernte Österreicher gar nicht so genau wissen, wie ernst es ist?
Ich glaube, die Stimmung entspricht der Lage.
Ist die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) – immerhin die dritte in diesem Jahr – eine gute Nachricht?
Ja, definitiv. Es ist ein deutliches -Signal der EZB, dass die Inflation zurückgeht – und zwar stark zurückgeht. Man muss dabei nicht nur die gesamte Inflation, sondern auch die absolute Inflation im Blick haben. Man spricht auch gerne von der Kerninflation, die weniger stark gesunken ist. Aber wir sind auch dort am richtigen Weg.
Werden die Zinsen weiter sinken?
Ob es in diesem Jahr noch eine Änderung geben wird, ist ungewiss. Aber im Laufe des nächsten Jahres werden weitere Zinsschritte folgen. Diese Maßnahme ist extrem wichtig für die Wirtschaft. Das starke und rasche Ansteigen der Zinsen hat das Wirtschaftswachstum gebremst und insbesondere die Bauwirtschaft zum Erliegen gebracht. Diese Anpassung wird sicherlich die Erholung der Wirtschaft unterstützen. Allerdings wird sie nicht so schnell erfolgen, wie wir es uns wünschen würden.
Ist die Inflation damit besiegt?
Ich denke schon, aber man muss sehr vorsichtig damit umgehen. Amerika hat im letzten Jahrhundert zweimal gezeigt, dass es sehr gefährlich sein kann, die Zinsen zu schnell zu senken, da die Inflation unmittelbar danach wieder steigen kann. Das ist Gift für die Wirtschaft. Daher ist ein langsames Vorgehen der EZB der richtige Weg. Allerdings muss man sagen, dass das Handeln der Zentralbank vor den ersten Zinsanhebungen definitiv falsch war. Man hätte viel früher damit beginnen müssen.
Menschen tragen aktuell ihr Geld lieber zur Bank, als es auszugeben. Macht jetzt der Begriff „Angstsparen“ die Runde?
Das ist in Krisenzeiten immer so. Wenn die Leute unsicher sind, wie es weitergeht, halten sie gerne mehr Geld zurück und sparen entsprechend mehr.
Also ein Trend, den Sie auch bestätigen können?
Ja, das können wir ebenfalls beobachten. Allerdings hemmt der starke Spar-Trend den Konsum. Das ist problematisch, denn Konsum ist ein wesentlicher Faktor für das Wirtschaftswachstum. Wenn der Konsum ausbleibt, kann die Wirtschaft nicht wachsen.
Wenn mehr gespart wird, ist das eine gute Nachricht für den Bankensektor, auch wenn der Weltspartag nicht mehr die gleiche Rolle spielt wie früher, oder?
Das stimmt. Wir beobachten jedoch, dass die Menschen am Weltspartag nach wie vor gerne kommen, insbesondere mit Kindern. Das ist uns sehr wichtig, weil wir glauben, dass man junge Leute frühzeitig an das Thema „Geld“ heranführen sollte.
„Eine Bank ist ein Ort, an dem man Geld geliehen bekommt, wenn man nachweisen kann, dass man es nicht braucht“, sagte der US-Komiker Bob Hope. Ist das eine Beschreibung der KIM-Verordnung, mit der die Finanzmarktaufsichtsbehörde die Vergabe von Immobilienkrediten regelt?
Es könnte sein, dass die Behörde sich davon inspirieren ließ. Aber Scherz beiseite – in der Realität ist das sicher nicht der Fall. Für Zukunftsinvestitionen, auch im privaten Bereich, sind Finanzierungen notwendig, da man sonst die Vorhaben nicht realisieren könnte. Daher stimmt dieser Satz sicher nicht.
Wer nicht geerbt hat oder vermögend ist, hat es schwer. Ist der Traum vom Eigenheim damit ausgeträumt?
Nein, das glaube ich nicht. Allerdings wird es den Menschen wesentlich erschwert, Finanzierungen für den Erwerb eines Eigenheims aufzunehmen. Das liegt vor allem an den gestiegenen Kosten und höheren Zinsen. Und wenn es sich dann jemand trotzdem leisten kann, kommt die KIM-Verordnung ins Spiel. Daher sollte diese KIM-Verordnung so schnell wie möglich abgeschafft werden. Denn vor ihrer Einführung sind private Insolvenzen nicht oder nur geringfügig gestiegen. Das bedeutet, die Leute wissen durchaus, wie viel sie an Rückzahlungen verkraften können. Und die Banken sind ja nicht der Feind des eigenen Geldes. Wir versuchen, mit unseren Kunden -kreative und gute Lösungen zu finden, falls es enger wird. Und das funktioniert offensichtlich auch.
Sie sind rund 40 Jahre in der Finanzbranche tätig. Was reizt Sie am Bankgeschäft?
Das Interessante am Bankgeschäft ist, dass man mit nahezu allen Bereichen des Wirtschaftslebens in Berührung kommt. Diese Vielfalt kann unglaublich spannend sein. Wir haben zudem eine gewisse Sonderstellung, da wir das Bank- und Finanzierungsgeschäft nicht nur über Fremdkapitalfinanzierung, also Kreditfinanzierung, abwickeln, sondern auch über -Eigenkapitalfinanzierung in Form von Beteiligungen. Das macht das Tätigkeitsfeld noch viel interessanter.
Sie sprechen die bankeigene Invest AG mit ihren 200 Beteiligungen an?
Ja, das ist eine absolute Erfolgsstory, die uns bisher in Österreich noch niemand nachgemacht hat.
Generaldirektor einer großen Bank zu sein, wurde immer auch mit Macht verbunden. Sehen Sie sich in einer Machtposition?
Ich würde das eher als Gestaltungsposition bezeichnen. Allerdings wird der Gestaltungsspielraum durch die vielen Regularien zunehmend eingeschränkt.
Die Berufswege sind vielfältiger denn je. Wie attraktiv ist eine Karriere in der Bank noch?
Sie ist nach wie vor sehr attraktiv. Es stimmt, dass nach der Finanzkrise das Image der Banken und der Bank-angestellten erheblich gelitten hat. Wir haben jedoch gesehen, dass während der Corona-Pandemie das Ansehen der Banken deutlich gestiegen ist. Einfach aus dem Grund, weil wir zeigen konnten, wie wichtig Institutionen wie die österreichischen Banken sind. Sie haben in dieser Zeit sehr viel geholfen. Man muss natürlich alles daransetzen, diese Attraktivität zu erhalten.
Steckbrief
Name: Heinrich Schaller
Beruf: Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ
Geburtstag: 11. November 1959
Lebensmittelpunkt: Linz
Hobbys: Reisen, Skifahren und Fußball
Lebensmotto: Wenn gute Vorbereitung auf Gelegenheit trifft, wird Erfolg daraus.
Lieblingszitat: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ (Ludwig Wittgenstein)
Unter Ihrer Ära ist der Vorstand weiblicher geworden. Ist das bald die Norm?
Das ist ein Thema, das wir unter -keinen Umständen vernachlässigen dürfen. Auch, und das sage ich ganz bewusst, wenn es schwierig ist. Wenn Führungspositionen intern ausgeschrieben werden, bewerben sich deutlich weniger Frauen als Männer. Dieser Sache muss man auf den Grund gehen. Das hat sehr oft familiäre Gründe. Es gibt bei uns eine Reihe von Maßnahmen, mit denen wir unterstützend eingreifen – und stoßen dennoch an Grenzen.
Wir arbeiten weiter daran, um eine noch bessere Quote an weiblichen Führungspersonen zu erreichen.
Sie werden am 11. November 65 Jahre alt. Darf man jetzt schon Glückwünsche aussprechen?
Danke. Aber das Alter ist kein Grund zu gratulieren.
Sie haben Ihre Nachfolge geregelt – nächstes Jahr wird Ihnen der jetzige Finanzvorstand der Raiffeisenlandesbank OÖ Reinhard Schwendtbauer als Generaldirektor nachfolgen. Was planen Sie nach Ihrer langen Zeit als Spitzenmanager im Bankwesen?
In den nächsten Monaten wird sondiert – mit ungefähren Vorstellungen. Was mir allerdings wichtig ist: Ich möchte das ruhigere Leben mehr meinen Hobbys widmen. Eines davon ist das Reisen.
Wordrap
Geld bedeutet für mich … Mittel zum Zweck.
Diese Summe Bargeld habe ich immer dabei … ca. 150 Euro.
Meine Aktien checke ich … selten.
Mein Tag beginnt mit … einem Kaffee.
Ins Büro komme ich um … 8.30 Uhr.
Mein Arbeitstag endet … meistens am späteren Abend.
Die Zahl der Termine, die ich täglich wahrnehme … 8 bis 10.
Zahl der Zigaretten, die ich täglich rauche … wahrscheinlich etwas zu viel.
Geärgert habe ich mich zuletzt über … überbordende Regularien.
Ich kommuniziere am liebsten via … Telefon.
Energie tanke ich … zu Hause.
Erfolgreich sein bedeutet, … richtige Entscheidungen zu treffen.
Einer Versuchung, der ich nur schwer widerstehen kann, ist … ein Schweinsbraten.
Gerne verzichte ich auf … zu extremen Sport.