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Der Bund fürs Leben

02.09.2024 um 00:00, Friederike Ploechl
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Wir gehen der Frage nach, weshalb die Ehe – nach wie vor – für sehr viele Menschen aller Altersgruppen auf der persönlichen Wunschliste ganz weit oben steht.

Sollen wir tatsächlich mit allen emotionalen und auch rechtlichen Konsequenzen, die eine Eheschließung nun einmal mit sich bringt, zueinander „Ja“ sagen? Diese Frage beschäftigt viele Paare und niemand wird darauf die absolut richtige oder falsche Antwort geben können. Das -Einzige, was zählt, ist, was für einen selbst und den Partner als richtig empfunden wird. Aber natürlich gibt es viele gute Gründe für eine Ehe und neben den romantischen Gefühlen sprechen, -gerade bei  einer Familienplanung, auch ganz pragmatische Tatsachen für eine Eheschließung! Das wahre Kunststück liegt wohl darin, eine Ehe über einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten und dabei auch noch -Liebe und sexuelles Begehren füreinander zu empfinden sowie Verständnis für die speziellen oder kleinen Eigen-heiten des anderen aufzubringen. Klingt nach Schwerarbeit und ist es letztendlich auch. Denn von allein funktioniert das alles nicht.

Ehe als Herausforderung. Wir sind im Heranwachsen selten von Partnerschaften umgeben, die wir in der heutigen Zeit als Vorbild verwenden könnten, daher fehlt es uns auch an den lebbaren Vorbildern. Dabei wäre eine beglückende Ehe prinzipiell gar nicht so schwer. So einfach es klingen mag: Nett sein zueinander und viel sowie offen miteinander reden. Aufmerksam sein, nachfragen, das Gespräch suchen und großzügig sein – sowohl mit Berührungen, Blicken als auch mit Worten – und nicht mit Komplimenten sparen! Den anderen so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Die erfahrene Paartherapeutin Anna Thaler weiß über Eheprobleme sehr genau Bescheid: „Wenn man seine Ehe mit nur einer einzigen Maßnahme ver-bessern will, dann sollte man die Interessen des Partners auf die -gleiche Stufe stellen wie die eigenen. Und genau das ist für die meisten Menschen sehr -schwierig.“ Liegt es vielleicht daran, dass wir zwar selbst alle bedingungslos geliebt werden möchten, aber von uns aus sehr selten wirklich aktiv „liebend“ zum anderen sind? Liebe bedeutet für die meisten von uns, sie lieber zu bekommen als zu geben. Wir möchten, dass der andere sich verändert und lieb zu uns ist, aber wir selbst bringen viel zu wenig Veränderungsbereitschaft auf bzw. fehlt uns teil-weise das Bewusstsein dafür, dass wir etwas verändern müssten. Die häufigsten Probleme im Laufe einer Ehe gleichen sich bei sehr vielen Paaren: Es wird aneinander vorbeikommuniziert und keiner versteht den anderen, es wird nur noch gestritten und das einst sich innig liebende Paar fühlt sich meilenweit voneinander entfernt. Die häufigsten Fragen, die an Paartherapeuten gestellt werden: „Wie geht das, dass wir wieder glücklich werden?“ und „Geht das überhaupt, wenn es schon so verfahren ist wie bei uns?“.

Der Wille zum Miteinander. Zwei gesunde Menschen sollten ihre Beziehung so führen können, dass sich beide glücklich und wohlfühlen. Daher kann man durchaus optimistisch sein, dass es Paare schaffen können, aus einer Krise gestärkt als Paar herauszukommen und die Ehe dankbar weiterzuführen. Die Voraussetzung dafür ist, dass beide die Beziehung umgestalten wollen und es muss eine große Bereitschaft für Veränderung am -eigenen Verhalten da sein und es braucht zudem sehr viel Einsicht und Selbstkritik. Meist scheitert es leider gleich an mehreren dieser Punkte. Eine weitere und nicht zu unterschätzende Macht liegt auch darin, wie sehr wir selbst vom eigenen Elternbild geprägt sind und wie man dieses Muster ändern kann, falls dies notwendig ist.

Nachgefragt

Was fragen Sie ein Paar, bevor Sie es trauen? 

Ich frage nach ihrer bisherigen Liebesgeschichte und möchte ihnen helfen, darin das Wirken Gottes neu zu erkennen und dass sie sich selbst als Mitgestaltende dieser göttlichen Liebes-dynamik begreifen.

Was bedeutet ein „Ja“ vor dem Traualtar? 

Sich mutig zu trauen, auf ein bewährtes Liebes- und Lebensmodell zu setzen, das – trotz aller Brüchigkeit – ein verheißungsvolles und tragfähiges Zukunftsprojekt ist.

Wie gelingt eine möglichst glückliche Ehe?

Sich gegenseitig nicht zu überfordern, indem man die Erfahrung des Himmels nicht vom Partner oder von der Partnerin erwartet – so wie die gefalteten Hände die größte Basis für Berührung bieten, aber gemeinsam doch in den Himmel verweisen. 

Toni Faber
Dompfarrer St. Stephan
dompfarre.info

Beziehungsmuster neu denken. Von den Erfahrungen mit unseren Eltern und aus unserer Herkunfts-familie definieren wir, wer wir sind, wie wir denken, wie wir fühlen und sogar, wie unser Gehirn funktioniert. Das wissen wir vor allem aus der -Bindungsforschung. Eine gute Paar-beziehung oder Ehe führen zu können, setzt voraus, dass wir uns gut von den Eltern abgelöst haben. Das ist deshalb so wichtig, weil wir die (alte) Haupt-bindung an die Eltern ablösen müssen, damit die (neue) Hauptbindung an den Partner entstehen kann. Sonst gibt es klassische Loyalitätskonflikte wie „Meine Frau sagt A, meine Mutter sagt B – was soll ich tun?“. Ablösung heißt dabei aber nicht: je weniger Kontakt, desto besser. Ein gutes Hilfsmittel ist hier die Frage: „Wie sehr regen mich Dinge, die meine Eltern tun oder sagen, innerlich auf und beschäftigen mich?“ Wenn die Antwort „mittel bis sehr“ lautet, ist man noch nicht gut abgelöst. Das Alter spielt dabei leider keine Rolle. Auch in Sachen Ehe übernehmen wir viel mehr von den Eltern, als uns selbst eigentlich lieb ist. Egal, wie unsere Eltern sich zueinander -verhalten haben, sie waren bzw. sind unser Vorbild für Paarbeziehung. Das, was wir bei ihnen gesehen haben, ahmen wir automatisch und unbewusst nach, denn das ist für uns ja normal. Um diese Prägungen zu verändern, braucht es eine reflektierte und distanzierte Betrachtung der Beziehung unserer Eltern, aber bitte keine Bewertung. Das klingt allerdings leichter, als es meistens ist. 

Gut zu wissen

Wie lässt sich eine glückliche Ehe auch lange aufrechterhalten? Ich vergleiche es gerne mit Teamsport. Stellen Sie sich ein Zweiterteam vor wie beim Beachvolleyball. Auch ohne Vorkenntnisse weiß man genau, was ein Team erfolgreich macht: Beide sind gleichwertige Teammitglieder. Jede Meinung zählt gleich viel. Die Bedürfnisse beider Spieler werden in gleichem Maße beachtet. Beide gehen respektvoll miteinander um, tauschen sich viel aus, müssen genau wissen, wie es dem anderen geht, um schwache Momente ausgleichen zu können. Beide können sich zu 100  Prozent aufeinander verlassen. Sie verbringen viel Zeit miteinander, haben klare -Ziele, betreiben laufend Fehleranalyse und trainieren zur Verbesserung. Wenn einer fällt, hilft der andere auf! 

Ist die Ehe auch noch zeitgemäß? Das Konzept der Ehe ist durchaus zeitgemäß und empfehlenswert. Denn erst durch dieses Commitment zueinander kann man sich ganz aufeinander einlassen. Erst wenn wir „alles“ geben, werden die Sachen richtig gut, das ist in jedem Lebensbereich so. Wenn die Zeiten schlechter werden – was in jeder Paarbeziehung passiert –, schützt die Ehe um ein Vielfaches länger vor einer Trennung. Oft braucht es genau diese Pufferzone, um wieder aus der Krise herauszukommen. Paare, die nicht verheiratet sind, geben sich diese Zeit nicht und verpassen damit oft die wesentliche Chance auf Veränderung. 

Wie weiß man zu Beginn, ob man es als Paar gemeinsam schafft? Entscheidend ist natürlich schon die richtige Partnerwahl. Große Anziehung bedeutet keinesfalls, dass man auch gut zueinander passt. Wer an dieser Stelle die Hollywood-Romantik herunterdreht und den Kopf einschaltet, trifft meist die bessere Wahl.

Unser Eheglück. Das Geheimrezept für eine glückliche Beziehung findet sich nicht im ähnlichen Musik-geschmack, in denselben Hobbys oder im gemeinsamen Freundeskreis. Denn nur, weil man hier gut zusammenpasst und Spaß hat, heißt das leider nicht automatisch, dass man auch als Paar gut zusammenpasst. Den gemeinsamen Nenner muss man unbedingt bei den Bindungsbedürfnissen suchen und dort finden. Der heilige Gral dabei ist die Frage: Was brauche ich, damit ich mich emotional sicher fühle und was brauchst Du, dass Du Dich sicher fühlst? Und wie können wir uns das beidseitig geben? Dabei geht es meist um die Verteilung von Nähe und -Distanz. Klassischerweise gibt es in Partnerschaften einen Teil, der mehr Nähe bräuchte und den anderen, der mehr Distanz sucht. Hier die Balance zu finden, ist gar nicht so einfach – aber machbar. Das bestätigt uns auch Paartherapeutin Anna -Thaler. Begegnung auf Augenhöhe und der Teamgedanke sind für eine gute Ehe maßgeblich. Als Werte übersetzt wären das vor allem Respekt, Wertschätzung und Altruismus. Das beinhaltet -Ehrlichkeit, Offenheit und vor allem viel Empathie.

Mit Gottes Segen. Die kirchliche Hochzeit hat für viele Paare eine große Bedeutung. Anders als bei der standesamtlichen Trauung, die der kirchlichen vorangehen muss, geht es nicht um einen Akt der rechtlichen Bindung, sondern um eine symbolische Handlung, für den Erhalt von Gottes Segen. Es gibt viele Gründe, warum Menschen sich dafür entscheiden, kirchlich zu heiraten. Es schafft ein sicheres Fundament für das gemeinsame Leben und als Familie. Die -Liebespaare sehnen sich nach einem traditionellen Ritual, das ihrer gemeinsamen Liebe und Hoffnung sichtbar Ausdruck verleiht. Und das mit Familien und Freunden zu feiern und sich daran erinnern zu können, ist eine wichtige Grundlage für das Gelingen einer auf Dauer angelegten Beziehung. Der Segen Gottes leuchtet gerade in der bedingungslosen Hingabe der Liebenden auf und wird im Sprechen des Segens ausdrücklich hör- und sichtbar gemacht. 

"Der Himmel auf Erden ist immer noch ein Geschenk von oben."

Toni Faber
Dompfarrer
St. Stephan

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