Wien: Umzug und Studienbeginn in der Großstadt
Das Jahr nach meinem Schulabschluss brachte ich sehr aufregend zu. Eine sechsmonatige Reise, von Mexiko über Guatemala und Kolumbien bis nach Brasilien, lehrte mich Autonomie und Eigenverantwortung, dazu noch einen größer werdenden Sinn für den sozialen Umgang mit meist fremden Menschen. Alles Fähigkeiten, die mir auch beim Beginn des nächsten großen Kapitels in meinem Leben sehr nützlich sein sollten: der Umzug in eine neue Stadt und der Studienbeginn.
Von Salzburg nach Wien
Von Salzburg nach Wien zu ziehen, ist zwar keine untypische Unternehmung nach Vollendung der Schulzeit – der Großteil meiner Salzburger Freunde ging für ein Studium oder auch zum Arbeiten nach Wien – dennoch gilt es als großer Schritt im Zuge des Erwachsenwerdens.
Die Entscheidung, nach Wien zu gehen, fiel nicht ohne Zögern. Auch Leipzig und Berlin, zwei Städte, die ich im Sommer noch bei einem Kurztrip ein wenig näher erkundete, waren für mich ansprechend. Dennoch war es dann doch die österreichische Hauptstadt, die ich für meinen künftigen Wohn- und Studienort wählte. Natürlich auch mit dem Vorteil der Heimatnähe und aufgrund der langen Schulfreundschaften, die sich in Wien fortführen ließen. Was ich schon immer an der Stadt mochte, und was mich auch jetzt nach einem Semester, das ich schon in dieser verbracht habe, dahingehend bestätigt, ist die Mischung an Kultur, künstlerischen Möglichkeiten und dem typisch jungen, abwechslungsreichen Studentenleben, das Wien zu bieten hat.
Kultur pur in Wien
Sowohl das Außenbild von Wien mit seinen imperialen Prachtbauten und der barockgeprägten Architektur als auch das tägliche Leben mit Zugang zu Theater, Film und Musik zeugen von dieser Kulturfülle. Vor allem auch für junge Leute ist das Angebot sehr ansprechend – die vier Euro Stehplätze im Burgtheater sind kaum schlagbar. Und wenn man sich nach den Universitätsveranstaltungen doch lieber gemütlich auf ein Getränk in einer Bar treffen möchte, findet man auch hier an vielen Ecken, was man sucht.
Bevor ich allerdings anfangen konnte, diese zahlreichen Aktivitäten zu genießen, hieß es Ende des Sommers erst noch, sich auf Wohnungssuche zu begeben. Nachdem eine langjährige Freundin und ich uns dazu entschlossen haben, zu zweit eine WG zu gründen, klickten wir uns durch sämtliche Wohnungsanbieterseiten, organisierten Wohnungsbesichtigungen und fanden nach mehreren Misserfolgen die Wohnung, die wenige Wochen später unsere werden sollte. Gute Anbindung, Zentrum- und Universitätsnähe stellten sich dabei als Kriterien heraus, die sinnvoll waren, zu berücksichtigen.
Entdeckungstour durch Wien
Was mir mit dem Einrichten und Einleben innerhalb der Wohnung bald am meisten half, mich an diesem neuen Ort heimatlich zu fühlen, ist das Erkunden und Kennenlernen der Umgebung: durch die umliegenden Parks zu spazieren, die Geschäfte in der eigenen Straße zu durchstöbern und auch etwas Vertrautes ausfindig zu machen, etwas, das immer da zu sein scheint und damit Stabilität bietet. Der kleine Laden direkt unter unseren Fenstern, der täglich eine Auslage von frischem Obst und Gemüse bereitstellt – im Sommer riesige Kisten an Melonen, zur Winterzeit Kohlköpfe.
Der Nachbar ein Stockwerk tiefer, der sich vor seiner Haustür eine deckenhohe Palme hält und uns, als wir zu einem gemeinschaftlichen Abendessen zu wenig Stühle in der Wohnung hatten, ohne zu zögern, einen bereitstellte. Oder der Kebap- und Dürümstand am Straßenende, deren Besitzer uns bereits nach einer Woche kannte und die uns nun jedes Mal, wenn wir auch nur vorbeilaufen, freundlich grüßen.
„Wiener Grant“ und Willhaben
Entgegen den Vorurteilen, die sich manifestiert als „Wiener Grant“ gegen die Stadt verbreitet haben, hatte ich schon in meinen ersten Wochen in Wien mehrere erfreuliche Begegnungen. Hervorgerufen wurden diese teils auch durch den virtuellen Marktplatz Willhaben, durch den ich auf günstigere Weise zu einigen Möbelstücken kam, die jetzt mein Zimmer schmücken.
Die Anschaffung und damit verbunden auch der Transport in unsere Wohnung waren dabei oft sehr abenteuerlich. So hievten wir zu dritt eine große Schrankkommode, die ich einer jungen Familie abkaufte, auf unser Autodach, schleppten Couchtisch und Nachtkästchen durch Straßen- und U-Bahnen oder quetschen abgenutzte Schreibtische auf die umgeklappte Rückbank des Autos.
Beim Umzug wurden meine Mitbewohnerin und ich kreativ, vor allem aus Raummangel, und so zimmerten wir uns selbst unseren kleinen Esstisch, montierten diesen mithilfe von Scharnieren an die Wand, sodass er bei Platzbedarf einfach runtergeklappt werden konnte. Mithilfe von mehreren kleinen Lampen, einigen Pflanzen, gemütlichen Teppichen und einem neuen Ofen (der alte war kaum noch funktionsfähig), wurde die Wohnung zu unserem Zuhause, in das wir seither gerne zu Koch- und Spieleabende einladen.
Studienbeginn und Brasilien
Mit dem Einzug in unsere Wohnung war ein erster großer Schritt getan, dicht gefolgt von einem weiteren: der Studienbeginn. Seit Oktober letzten Jahres studiere ich Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien – ein Studium, das mir eine erweiterte Auseinandersetzung mit Literatur und Sprache ermöglicht. Vor allem die sprach-, länder- und medienübergreifenden Aspekte an dem Studium waren für mich direkt ansprechend und so beschäftigen sich meine MitstudentInnen und ich nicht nur mit der deutschsprachigen Literatur, sondern auch mit Literatur im breiten internationalen Raum. Nachdem ich durch meine Reise im vergangenen Jahr ein großes Interesse für Brasilien entwickelt habe, kommt mir das Studienangebot zum Erwerb einer weiteren Fremdsprache sehr gelegen – und so habe ich die Möglichkeit ab dem kommenden Semester Portugiesisch zu lernen.
Das erste Semester mit der abschließenden Prüfungsphase im Jänner ist durch die vielen neuen Eindrücke und Bekanntschaften geradezu verflogen. Ein Semester, in dem ich mich in einer neuen Stadt und einem neuen Studium, umgeben von neuen Menschen, eingelebt habe und das mich nun sehr neugierig und freudig auf die kommende Zeit gestimmt hat.
Zur Autorin
Das Schreiben und das Reisen liegen Helena Haselsteiner im Blut. Auf weekend.at teilt die Salzburgerin ihre Eindrücke und Empfehlungen mit den Leserinnen und Lesern.