Día de los Muertos: Was man über den Tag der Toten wissen sollte
Bereits Mitte Oktober, als ich durch die Straßen von Oaxaca de Juárez, der Hauptstaat des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca spaziere, sind die Vorbereitungen für die kommenden Festtage Día de los Muertos, Tag der Toten, nicht zu übersehen. Obwohl sich die Festlichkeiten vom Abend des 31. Oktobers bis zum Tag Allerseelen am 2. November erstrecken, erkennt man schon viel früher das Näherkommen einer der wichtigsten mexikanischen Feierlichkeiten. Skelette, Schädel und die intensiv-orange gefärbten Blumen Cempasúchil schmücken Hauswände und Schaufenster, Straßen und die sogenannten Ofrendas, die als Totenaltäre und Gabentische in den eigenen vier Wänden und auf öffentlichen Plätzen aufgestellt werden.
Día de los Muertos: ein Fest für die Lebenden und Toten
Einige Tage später gelange ich in die pulsierende Hauptstadt Mexico-City. Dort habe ich das große Glück, die Festtage bei einem Freund und seiner betagten Mutter zu verbringen. Ich merke schnell, dass das Totenfest, entgegen der oft negativ aufgefassten Konnotation des Wortes, tatsächlich ein Fest der Freude und Zusammenkunft der Familie ist.
Nach altmexikanischem Glauben kommen nämlich die Verstorbenen während dieser Tage zurück auf die Erde, um zum Ende der Erntezeit mit den Lebenden ihr Wiedersehen bei guter Musik und gutem Essen zu feiern. Dabei wird der Tod nicht als Ende, sondern vielmehr als Anfang einer neuen Daseinsform angesehen und die Azteken sollen sogar ihren Feinden einen Ort für die Rückkehr aus dem Totenreich gewährt haben. Der Umgang mit dem Tod, ob gegenüber geliebten oder verfeindeten Menschen, erscheint mir sehr viel positiver und weiter fortgeschritten als jener in unserer westlich-europäischen Welt. In mein Reisetagebuch schreibe ich während dieser Tage:
- Hier lerne ich, dass der Tod mit bunten Blumen geschmückt wird, dass vor den Gräbern Musik gespielt und auf die Altare Essen und Fotos, Schmuck und Dekoration gelegt werden.
Die Paraden zum Día de los Muertos
Am Abend des 30. Oktobers, einem Tag nach meiner Ankunft in Mexico City, kann ich eine der größten Paraden zum Día de los Muertos beobachten. Umzugswägen mit riesigen Totenschädeln, Tierfiguren, mit Federn und Blumen beschmückten Tänzern oder auf Anrichten thronende Prinzessinnenfiguren – begleitet von schwungvoller Musik und dem Tosen der Menschenmassen, die drängelnd versuchen, einen guten Blick zu erhaschen. Einige der Zuschauer setzen sich bereits Stunden vor Beginn der Parade an den Straßenrand, um sich einen guten Platz zu sichern.
Neben tänzerischen und musikalischen Beiträgen kommen hier auch die sogenannten Catrinas zum Einsatz: So wird das typische Make-up genannt, das viele, darunter auch Touristen, während der Feierlichkeiten tragen. Die bunte, oft mit Schmucksteinen verzierte Gesichtsbemalung wurde 1910 vom Maler José Guadalupe Posada modernisiert und galt ursprünglich als Kritik an den „Reichen und Schönen“. Bis heute bleibt die Bemalung Tradition und trägt des Malers Grundsatz „Im Tod sind wir alle gleich“ weiter. Trotz der beinahe überwältigenden Menschenmassen um den Zug herum, kann ich meine Augen kaum von dem Spektakel lösen und ich merke auch, wie die Einheimischen neben mir dem Ganzen mit stolz- und freudeerfüllten Augen zujubeln.
Ein Friedhof als beliebter Besuchsort
Am 3. November machen sich meine drei Freunde und ich in das kleine Dorf San Andrés Mixquic auf, das im Süden von Mexico City liegt und dessen Friedhof als besonders beliebter Besuchsort an diesen Tagen gilt. Obwohl die Erzählungen tatsächlich keinesfalls enttäuschen, komme ich doch mit sehr gemischten Gefühlen wieder aus dem Dorf zurück. Angefangen mit weitreichenden Staus auf der Straße zum Dorf, über die Kette an Restaurant- und Souvenirständen, an denen man sich im Strom von Menschenmassen vorbeischieben muss, kommt man schließlich zu dem kleinen, eingemauerten Friedhof.
Immer noch drängen sich hier zu viele Menschen auf zu kleinem Raum, doch die Atmosphäre scheint hinter den Mauern sofort verändert. Weihrauch taucht den Friedhof in eine mystische Landschaft, was von den unzählbar vielen Kerzen um die Gräber herum noch intensiviert wird. Wieder schmücken die gelben Cempasúchilblumen jeden freien Fleck und Familienangehöre sitzen beisammen und gedenken den Verstorbenen. Ohne Fotos zu machen, wie es viele andere tun, machen wir uns sehr bald schon auf den Heimweg; saugen noch einmal die andächtige Ruhe ein, die dort trotz des Menschenwirbels herrscht und versuchen den schweigenden Familienangehörigen ein bisschen was von dem Raum zurückzugeben, den sie dort eigentlich verdient hätten.
Schattenseiten dieser Tradition
Trotz der Schönheit und Freude, die sich merklich unter den Menschen ausbreitet, kommt man nicht umhin, die kommerziellen Schattenseiten dieser Tradition zu sehen – allen voran die Entwicklung des Halloween-Brauchs in Nordamerika. Dass die Festtage jedoch für viele ein Grund sind, sich mit der Familie zusammenzusetzen und zu feiern, wirkt dem ganzen Trubel letzten Endes entgegen und ich schreibe in mein Tagebuch:
- Wenn man einmal einen Fuß von zuhause weg in eine völlig fremde Welt setzt, merkt man erst, wie kurzsichtig man davor gewesen ist. Da gibt es so viel mehr, so viel mehr. Und mein Herz fühlt sich voll und schwer zugleich an.
Zur Autorin
Das Schreiben und das Reisen liegen Helena Haselsteiner im Blut. Auf weekend.at teilt die Salzburgerin ihre Eindrücke und Empfehlungen mit den Leserinnen und Lesern.