So aufregend ist der Karneval in Rio de Janeiro
Schon eine Woche vor dem offiziellen Beginn des Karnevals komme ich in der rund 13-Millionen-Einwohner-Stadt an. Mit dem Hintergedanken, die Stadt noch von einer anderen Seite zu sehen, bevor sie bald nicht mehr wiederzuerkennen ist. Denn auch wenn schon jetzt die Vorbereitung für die anstehenden Festlichkeiten deutlich zu spüren sind, bekomme ich von der Stadt noch ein ganz anderes Gefühl. Wie auch schon in Sao Paulo, wo ich die Woche zuvor verbracht habe, ist für mich auch in Rio de Janeiro der leichtlebige Charme der BrasilianerInnen nicht zu übersehen.
Offenheit und Freundlichkeit kommen mir hier entgegen und der auffallend große Anteil junger Leute in beiden brasilianischen Großstädten verleiht den Orten eine frische Lebendigkeit. Vor allem an meinen Ausflug zur Christusfigur, die auf dem Gipfel des Corcovado thront, kann ich mich sehr bildlich erinnern. Dies liegt jedoch nicht an der beeindruckenden, 38-meterhohen Statue, sondern viel mehr an dem Ausblick, den man von dem rund 700 Meter hohen Berg auf die Stadt hat. Von hier aus erkenne ich zum ersten Mal die eindrucksvolle Zusammensetzung von Rio de Janeiro, die es schafft Millionenstadt mit kilometerlangen Stränden, grün-bewachsenen Bergen und naturbelassenen Wäldern und Parks zu verbinden.
Karneval in Rio: mehr als nur tanzen und feiern
Was ich in Rio stärker noch als in Sao Paulo wahrnehme, ist die Armut, worauf nicht nur die umliegenden Favelas (Armenviertel) hindeuten, sondern die auch in der historischen Altstadt vorherrscht. Zum ersten Mal während meiner Reise, bereitet mir das Spazieren durch die Straßen der Megastadt ein mulmiges Gefühl, was sich jedoch ändern sollte, als die ganze Stadt bald von TouristInnen als auch EinwohnerInnen überschwemmt wird. Der Karneval in Rio de Janeiro hat begonnen.
Eine Woche lang finden verstreut in der ganzen Stadt sogenannte Blocos, Straßenpartys, statt. Mit lauter Musik, begleitenden Paradewagen und tanzenden Menschen ziehen diese oftmals durch die halbe Stadt, wobei es früh morgens losgeht und bis zum späten Nachmittag andauert. Die Leute sind dabei bunt kostümiert, tragen kurze Röcke, Bikinis und auffälligen Kopfschmuck, wobei die Devise immer lautet: Zu viel Glitzer gibt es nicht.
An Ständen und in Einkaufsstraßen scheint während dieser Zeit nichts anderes als das, was karnevalstauglich ist, verkauft zu werden, sodass für jeden und jede etwas Passendes dabei ist. Obwohl es sich alle gut gehen lassen und mehr Caipirinhas und Mojitos getrunken werden als den Rest des Jahres, habe ich ständig das Gefühl, dass die Menschen respektvoll und achtsam miteinander umgehen. Ich merke, dass der Karneval in Brasilien etwas Selbstständiges ist, etwas, das ohne uns TouristInnen, die dazukommen, um mitzufeiern, ebenso funktionieren würde. Dass es um die BrasilianerInnen geht, die den Traditionen ihres Landes nachgehen und sie dabei eine gute Zeit miteinander haben.
Ein Karneval mit langer Tradition
Bereits in den 1640er Jahren findet der Karneval in Brasilien seine Anfänge, wobei das Sambatanzen erst 1917 durch afrikanisch-stämmige BrasilianerInnen hinzukommt und inzwischen eine große Rolle beim Karneval spielt. Es gibt verschiedene Sambaschulen, die jährlich ein Thema wählen, auf das sich Dekoration, Choreographie, Kostüme und die Gesamtpräsentation abstimmen. Über Punkteverteilung wird dann die Gewinnergruppe der verschiedenen Sambaschulen bestimmt und ein Preisgeld ausgezahlt.
Aufpassen: Taschendiebe in Rio
Auch wenn der respektvolle Umgang miteinander, soweit ich das beurteilen kann, zum Großteil gut funktioniert, sollte man dennoch auf die eigenen Wertgegenstände aufpassen. Denn vor allem Taschendiebe nutzen die eng aneinandergedrängten Menschenmassen für ihre Sinne, wie ich bald am eigenen Leib erfahren sollte. Mit einer Gruppe von vier Freunden bin ich eines Abends unterwegs und gerade dabei, die Karnevalsszenen vor meinen Augen fotografisch festzuhalten, als ich merke, dass sich von der Seite jemand nähert, um mir im nächsten Moment mein Handy aus der Hand zu reißen.
Obwohl der Schock im ersten Moment groß ist, lässt er bald nach, als meine Freunde und ich dem Täter sogleich hinterherrennen, der das Handy dann wohl aus Angst doch wieder fallen lässt und in den Menschenmassen verschwindet. Nachdem wir alle wieder beisammen sind und von nun an noch besser auf unsere Sachen achtgeben, können wir über den Vorfall lachen. Immerhin habe ich nun die echte brasilianische Karnevalserfahrung gemacht.
Rio, wir sehen uns wieder
Auch wenn die Zeit, die ich während des Karnevals in Rio de Janeiro verbracht habe, sehr eindrucksvoll und erfüllend war, bin ich ganz froh, als meine neuen zwei Reisegefährten und ich aus dem Feiertrubel entkommen. Wir bereiten uns auf die Weiterreise nach Paraty, einer kleinen Küstenstadt zwischen Sao Paulo und Rio de Janeiro vor, um dort ein paar ruhige Tage am Meer zu verbringen. Dass es mich irgendwann wieder in diese bunte, vielfältige und laute Stadt Rio ziehen wird, halte ich jedoch für sehr wahrscheinlich.
Zur Autorin
Das Schreiben und das Reisen liegen Helena Haselsteiner im Blut. Auf weekend.at teilt die Salzburgerin ihre Eindrücke und Empfehlungen mit den Leserinnen und Lesern.