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Daniel Kahnemann, lächelnd im Porträt.
Daniel Kahnemann vereinte die Psychologie mit der Wirtschaftswissenschaft.
Daniel Kahnemann vereinte die Psychologie mit der Wirtschaftswissenschaft.
Nick Cunard / Eyevine / picturedesk.com

Traurige Nachricht: Nobelpreisträger Kahneman verstorben

28.03.2024 um 07:56, Stefanie Hermann
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Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Der US-israelische Psychologe hat nicht nur die Wissenschaft auf den Kopf gestellt.

Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Das hat die US-Elite-Universität Princeton, an der Kahnemann bis zu seinem Tod lehrte, bekannt gegeben. Kahneman hat mit seiner bahnbrechenden Arbeit maßgeblich zum Verständnis menschlicher Entscheidungsprozesse beigetragen. Für Furore in der Wissenschaftswelt sorgte seine Verknüpfung der Psychologie mit der Wirtschaftswissenschaft. Kahnemans Lebenswerk, insbesondere seine Zusammenarbeit mit Amos Tversky, hat das Verständnis darüber, wie wir Entscheidungen treffen, grundlegend auf den Kopf gestellt.

Wir können blind für das Offensichtliche sein, und wir sind auch blind für unsere Blindheit.

Daniel Kahnemann, 1934 - 2024

Menschen handeln irrational

Der US-israelische Psychologe war davon überzeugt, dass Menschen eher nach Instinkt als rationalen Gesichtspunkten entscheiden – eine Annahme, die der gängigen Wirtschaftstheorie damals völlig widersprochen hat. Diese ging nämlich davon aus, dass wir unsere Entscheidungen völlig rational und eigennützig treffen. Kahneman hingegen war der Auffassung, dass wir Vorurteile und Annahmen haben, die unser Urteilsvermögen verzerren. Und das, ohne dass wir es bewusst mitbekommen. 2002 erhielt er für diese Erkenntnisse den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Kahneman war zudem Preisträger der Presidential Medal of Freedom, die ihm 2013 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama verliehen wurde.

Schnelles Denken, langsames Denken

Kahnemans Theorien sind nicht nur für Psychologen und Ökonomen von Bedeutung, sondern für jeden, der besser verstehen möchte, wie Menschen denken und handeln. Seine Fähigkeit, komplexe psychologische Mechanismen verständlich zu machen, hat ihn weit über die akademischen Grenzen hinaus bekannt gemacht. Sein Buch "Schnelles Denken, langsames Denken", das international zum Bestseller avancierte und als neuer Klassiker der Verhaltensökonomie gilt, hat Kahnemans Theorien einem breiten Publikum näher gebracht. Anschaulich legt er darin dar, was seine Forschungsergebnisse auch für unseren Alltag bedeuten. Kahneman geht davon aus, dass es zwei Systeme gibt, die unser Denken steuern und unsere Entscheidungen sowie Urteile beeinflussen.

System 1 ist schnell, automatisch und erfordert wenig oder gar keine Anstrengung. Es basiert auf Intuition und schnellen Urteilen. Dieses System hilft uns, tägliche Aufgaben wie das Erkennen von Objekten oder das Führen von einfachen Gesprächen zu bewältigen. Es ist jedoch auch anfällig für Vorurteile und systematische Fehler, weil es sich auf Heuristiken (Faustregeln) stützt.

System 2 ist langsamer, bewusster, analytischer und anstrengender. Es wird aktiviert, wenn wir uns auf komplexe Aufgaben konzentrieren, die mentale Anstrengungen erfordern, wie mathematische Berechnungen oder kritisches Denken. System 2 hilft uns, die Schnellschüsse von System 1 zu überprüfen und zu korrigieren, ist aber auch faul und lässt oft System 1 die Kontrolle übernehmen.

Kahnemanns Theorien auf einen Blick

Einige der Schlüsselkonzepte in "Schnelles Denken, langsames Denken" umfassen:

Heuristiken und Verzerrungen: Kahneman erklärt, wie unser Gehirn systematisch bestimmte Denkmuster anwendet, die zu Verzerrungen führen können. Ein Beispiel ist die Verfügbarkeitsheuristik. Menschen schätzen die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen tendenziell falsch ein. Der Grund: Wir bewerten die Wahrscheinlichkeit danach, wie leicht uns ein Beispiel dafür in den Sinn kommt.

Prospect Theory: Für diese Theorie hat Kahneman den Nobelpreis erhalten. Er hat in seinen Untersuchungen herausgefunden, dass Menschen ihre Entscheidungen auf Basis von Gewinn oder Verlust anders treffen, auch wenn es um dasselbe Endvermögen geht. Einfach übersetzt: Menschen sind risikoscheu, wenn es um Gewinne geht, aber risikofreudig, wenn es um Verluste geht.

Überbewertung des Gegenwärtigen: Menschen neigen dazu, unmittelbare Belohnungen höher zu bewerten als zukünftige Belohnungen, was zu kurzfristigem Denken und Handeln führen kann.

Fehler im Umgang mit Unsicherheit: Menschen sind schlecht darin, Unsicherheit und Risiko intuitiv zu verstehen und zu managen. Wir überschätzen oft unsere Fähigkeit, Ereignisse vorherzusagen. In unsere Urteile und Entscheidungen haben wir deswegen übermäßiges Vertrauen.

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