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Theresa Ganhör
Theresa Ganhör, Gemeinderätin und Lehrerin.
Theresa Ganhör, Gemeinderätin und Lehrerin.
Antje Wolm

Theresa Ganhör: "Hin zum Hands-on-Unterricht"

13.09.2024 um 10:34, Jürgen Philipp
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Theresa Ganhör leitet den Businesszweig des BG WRG Körnerstraße. Warum sie für das Fach „Finanzbildung“ plädiert und man neue Fächer offen diskutieren sollte.

CHEFINFO: Immer mehr junge Menschen verschulden sich. Kann das von Ihnen geforderte Unterrichtsfach „Finanzbildung“ dem entgegenwirken?

Theresa Ganhör: Davon bin ich überzeugt. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sprechen diese nämlich eine sehr deutliche Sprache: 192 Menschen unter 24 mussten im Jahr 2023 Privatinsolvenz anmelden. Das sind 22 Prozent mehr als noch im Jahr davor, wie der AKV in seiner jährlichen Insolvenzstatistik veröffentlichte. Bei jungen Frauen betrug der Anstieg sogar 45 Prozent und auch die Verschuldungshöhe ist um ­ganze 41 Prozent gestiegen: Diese ist von durchschnittlich 35.700 Euro Schulden auf 50.500 Euro im Jahr 2023 gestiegen. Jeder fünfte 14- bis 20-Jährige in Österreich hat keinen Überblick, wie viel Geld er oder sie in einem Monat ausgibt. Gleichzeitig gibt fast die Hälfte der jungen Menschen an, sich eher nicht oder gar nicht mit den Themen Geld und Finanzen auszukennen. Forschungsergebnisse zeigen auch, dass der Umgang mit Geld hauptsächlich im familiären Umfeld gelernt wird. Wenn schlechte Voraussetzungen gegeben sind, so entsteht auch beim kompetenten Umgang mit Geld Chancenungleichheit, der wir in der Schule entgegensteuern wollen.

Jeder fünfte 14- bis 20-Jährige in Österreich hat keinen Überblick, wie viel Geld er oder sie in einem Monat ausgibt.

Theresa Ganhör

Welche Inhalte bzw. welche Form wünschen Sie sich für ein solches Fach?

Ganhör: Ziel ist es, in diesem Fach Kinder und Jugendliche bestmöglich für die Zukunft vorzubereiten und ­wertvolle Tools mitzugeben. Neue, innovative Fächer schaffen die Möglichkeit, ­Schule in ein neues Licht zu rücken. Weg vom Unterricht nur in der Schule und hin zum Hands-on-Unterricht. Gehen wir raus, besuchen wir Unternehmen, Banken und vieles mehr – machen wir Wirtschaft und das Leben greifbar. In der Finanzbildung sollen die unterschiedlichen Rollen der alltäglichen Welt wie Konsument, Arbeitgeber oder -nehmer, Steuerzahler, wählende Menschen eingenommen werden und verständlich gemacht werden, um dann die Schüler zu kritischen, mündigen, selbstständigen und verantwortlichen jungen Menschen zu erziehen. Themen wie Steuern, Lohnzettel, Unternehmertum und Veranlagung. Ich selbst zeige meinen Lohnzettel her und wir schauen, wohin das Geld geht, warum wir Steuern zahlen, wofür unser Budget verwendet wird und, noch viel wichtiger, wie man selbst mit Geld umgeht. Man muss mit der Finanzbildung schon viel früher anfangen. Ich ermutige alle Eltern, Taschengeld schon ab der Volksschule herzugeben und mit den Kindern zu besprechen, was es heißt, Geld zu verdienen, und vor allem wie lange man arbeiten muss, um sich etwas zu erarbeiten oder kaufen zu können.

Oft wird über die Abschaffung von Schulfächern zugunsten anderer diskutiert, etwa Coding statt Latein, oder generellen Ethikunterricht. Ist die Schule in der Wissensgesellschaft angekommen?

Ganhör: Wir müssen offen und ehrlich diskutieren, welche Inhalte wir mitgeben wollen. Die soziale und ethnische Struktur in unseren Schulen hat sich verändert. Es ist nicht alles schlecht in unserem System, allerdings wäre es schön, wenn wir zu einem System finden, wo Schüler gefördert werden und Kurse nach ihren Stärken besuchen könnten. Bildung ermöglicht Kindern und Jugendlichen eine gute Grundlage für ein schönes und aussichtsreiches Leben, wo sie sich selbst Meinungen bilden können, kritisch hinterfragen und Inhalte vernetzen können.

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