Textilbranche - Am seidenen Faden?
Wie sehr Anspruch und Realität auseinanderliegen, zeigt die Textilbranche. Gefordert werden mehr Nachhaltigkeit und mehr Produktion in Europa. Tatsächlich geht es in eine komplett andere Richtung. Fast-Fashion wird zur Ultra-Fast-Fashion, gemeint sind dabei Billigstanbieter wie Shein, Pretty Little Thing oder Booho. Doch die EU-Kommission wehrt sich erstmals. Shein wurde als große Digitalplattform eingestuft und muss sich damit an Regeln halten, die für die Größten der Branche wie Amazon, TikTok oder Google gelten.
Kurios: Seit Dezember 2023 gelten diese Regeln auch für Pornhub und zwei weitere Pornoseiten. Für Shein bedeutet das, dass sie sich verpflichten müssen, gegen Produktpiraterie vorzugehen und Rechenschaft über die Auswirkungen des Unternehmens auf Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher abzulegen. Das klingt anfangs etwas zahnlos, dürfte aber Wirkung zeigen. Shein und Co. müssen auch an anderen Fronten mit dem Verbraucherschutz kämpfen. So mahnte die deutsche Verbraucherzentrale Shein wegen manipulativer Geschäftspraktiken ab. Ähnlichen Gegenwind spürt auch die chinesische Onlineplattform Temu von Verbraucherschutzorganisationen in ganz Europa.
Von der Fast- zur Ultra-Fast-Fashion
Dabei steht kaum eine Branche mehr in der Pflicht: Sie steht an unrühmlicher dritter Stelle bei Gewässerverschmutzung und Flächenverbrauch. Das EU-Parlament schätzt, dass 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen von der Textilbranche verursacht werden. Treiber sind die Fast- und Ultra-Fast-Fashion-Hersteller. Und doch gibt es Gegentrends. Secondhandmode holt bereits deutlich auf. In den USA, so eine Studie von trendUP, könnte schon 2029 mehr Vintage-Kleidung verkauft werden als Fast-Fashion-Stücke.
Derzeit leidet die Branche aber generell unter schlechten Auftragszahlen, wie die ITMF (International Textile Manufacturers Federation) in einer brandaktuellen weltweiten Umfrage unter den Herstellern belegt. Darin bezeichneten 48 Prozent der Befragten die aktuelle wirtschaftliche Lage als „poor“, 40 Prozent als „satisfactory“ und nur 12 Prozent als „good“. Zitiert wird die Studie in der Presseaussendung der Linz Textil zum Geschäftsjahr 2023. Zwar sieht Linz Textil einen Abbau der Läger in der gesamten textilen Kette, diese würden aber nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Auslastung führen. Dank der Diversifikation von Linz Textil konnte dennoch eine Umsatzsteigerung um 24 Prozent auf 74 Millionen Euro erzielt werden. Das EBIT stieg um 38 Prozent auf 5,5 Millionen. Mehr als die Hälfte der 425 Mitarbeiter sind in Österreich beschäftigt.
Trotz Triple-A Rekordverlust
Einer der wichtigsten Vormateriallieferanten von Linz Textil ist die Lenzing AG. Sie bekam das unsichere wirtschaftliche Umfeld besonders hart zu spüren. 2023 musste man einen Verlust von 593 Millionen Euro hinnehmen. Hohe Rohstoff- und Energiekosten sind dabei kein rein europäisches Problem, sie machen dem Konzern weltweit zu schaffen. Die Verluste gehen auf die Werke in Indonesien, China, Thailand den USA und Österreich zurück. Dabei wären Unternehmen wie Lenzing, mit seinen nachhaltigen Zellstoffen und Linz Textil als Verarbeiter solcher, Musterbeispiele, wie der ökologische Turnaround in der Textilbranche zu schaffen sei. Die Lenzing AG wurde erst vor Kurzem mit einem „Triple A-Rating“ von CDP ausgezeichnet. CDP ist eine gemeinnützige Umweltorganisation, die transparente Berichterstattung sowie Leistungen bei Klimawandel, Wälder- und Wassersicherheit bewertet. Nur zehn Unternehmen weltweit dürfen sich „AAA“ auf die Fahnen heften.
EU ist gefordert
Auch Linz Textil kann nachhaltige Erfolge verzeichnen. Mit Veganista wurde eine 100 Prozent made in Austria und 100 Prozent vegane Handtuchkollektion lanciert. Schritte, die den von allen Seiten geforderten Weg zu mehr Nachhaltigkeit und den globalen Umbau der Textilbranche bestätigen. Es liegt also in den Händen der Verbraucher. Die aktuell angespannte finanzielle Lage vieler Haushalte wird aber wenig dazu beitragen können, die Fast- und Ultra-Fast-Fashionbranche auszubremsen. Wieder einmal ist die Union gefordert. Wieder einmal steht die Frage im Raum: Mehr Freihandel oder Schutz der eigenen Märkte? Maßnahmen werden bereits diskutiert: Höhere Zölle auf Billigware, höhere Qualitätsnormen oder eine festgelegte Recyclingquote „made in Europe“ könnten sich positiv auswirken. Ob das Shein und Co beeindruckt, bleibt abzuwarten.