Stempelhersteller Colop und die Eroberung Amerikas
Mehr als 13,4 Millionen Aufrufe und 1.160 Kommentare für ein Produktvideo auf Instagram – da kann bei Unternehmen schon gute Stimmung aufkommen. Die Korken knallten aber nicht in einer mondänen Marketingabteilung eines New Yorker Mode-Labels oder einer Pariser Parfum-Marke, sondern beim Welser Stempelhersteller Colop. „Dieser virale Effekt zeigt, welches Potenzial in unserem neuen Produkt steckt“, sagt Franz Ratzenberger, 58, der seit Mai des Vorjahres gemeinsam mit Christoph Skopek, Sohn des Firmengründers Karl Skopek, die Geschäfte des Unternehmens leitet. Für Aufmerksamkeit sorgten in diesem privaten Clip aus Fort Worth, Texas, allerdings nicht die klassischen Stempel, die rund 90 Prozent der Umsätze bei Colop erwirtschaften. Zu sehen ist der elektronische Handdrucker e-mark. Die 2019 präsentierte Weltneuheit gleitet mit leisem Surren über Papier, Karton oder auch Holz und druckt in beliebigen Farben auf einer maximalen Fläche von 14,5 mal 150 Millimeter Schriftzüge, Bilder, etc. bis hin zu QR- und EAN-Codes. Erfunden wurde das Markierungsgerät in der Größe einer PC-Maus vom schwedischen Ingenieur Alex Breton. Gemeinsam mit Colop wurde es in jahrelanger Entwicklungsarbeit zur Serienreife geführt. Die ausgefeilte Inkjet-Technologie stammt vom US-Konzern HP, einem der größten Computer- und Druckerhersteller der Welt. Inzwischen hat das rund 350 Euro teure Gerät mit dem „e-mark go“ einen kleinen Bruder bekommen, der bereits unter 200 Euro zu haben ist. Mit diesem „Lifestyle-Drucker für jedermann“ sollen vorrangig preisbewusste Konsumenten angesprochen werden, sagt Ratzenberger. Erzeugt wird der kleinere mobile Drucker übrigens in Österreich, der andere im südostasiatischen Malaysia.
Die digitale Ära hält Einzug
Mit dem Tool hat das Unternehmen nicht nur zahlreiche Design- und Innovationspreise gewonnen, „sondern es ist für uns auch ein wichtiger Schritt in das digitale Zeitalter“, sagt Christoph Skopek. Der 39-jährige Techniker leitet gemeinsam mit Franz Ratzenberger die Colop Digital GmbH, bei der alle Fäden in diesem Bereich zusammenlaufen. Hier wurde die kostenlose App entwickelt, mit der via Smartphone oder Tablet der e-mark gesteuert wird. Beliebige Motive lassen sich damit kreieren oder abrufen und per WLAN auf das Gerät senden. Auch eine hybride e-secure-Lösung, die Dokumente über eine Blockchain fälschungssicher macht, wurde vorgestellt. „Wir haben noch einige Projekte dieser Art in der Pipeline“, sagt Skopek. Der e-mark als Produktinnovation ist neues Terrain, eine Erweiterung der bisherigen Kernkompetenz. Im Unterschied zum traditionellen Stempel wird mit dem e-mark auch ein Erlebnis mitverkauft, eines, mit dem sich eben genau jene Geschichten auf Instagram & Co erzählen lassen. Gutes Design, neue technische Funktionen und eine Prise Faszination sind die Zutaten, um einem Gebrauchsgegenstand neues Leben einzuhauchen. Es ist neben dem offensichtlichen Nutzen das Versprechen eines magischen Moments, das Menschen aus dem gewerblichen und privaten Bereich zum Kauf animieren soll. Bei Colop setzt man dabei vor allem auf den technikaffinen amerikanischen Markt.
Großes Potenzial am US-Markt
Doch die Stempelinnovatoren hatten Pech. Kurz nach der Markteinführung des mobilen Digitaldruckers legte die Pandemie die Wirtschaft lahm und dann kam der Krieg in der Ukraine. „Für einen Wechsel in der Geschäftsführung hätte es durchaus einfachere Zeiten gegeben. Jetzt geht es darum, neue Märkte zu erschließen“, sagen Skopek und Ratzenberger. Die beiden absolvieren seit dem Vorjahr ein dichtes Programm an Terminen. Das wichtigste Projekt: die Gründung einer eigenen Vertriebsgesellschaft in Chicago mit sieben Mitarbeitern. Seit dem 1. Dezember 2022 wird das gesamte Produktsortiment unter einer Dachmarke angeboten. Für Ratzenberger ein strategisch bedeutender Meilenstein. Das Geschäft mit den klassischen Stempeln läuft in den USA traditionell gut. Viele Amerikaner legen Wert auf ihren eigenen Familienstempel. Große Hoffnungen setzt man neben der Digitalsparte auch auf das zweite neue Geschäftsfeld Arts & Crafts. Dabei handelt es sich um Kreativ- und Design-Stempelprodukte, die speziell für Kinder sowie den Bastelbereich entwickelt wurden, ein Markt, der in den USA besonders groß ist. Rund 15 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften die Welser in Amerika. Mittelfristig soll der Umsatz auf 20 Prozent anwachsen und damit im zweistelligen Millionenbereich zu liegen kommen. Genaue Zahlen gibt Colop nicht bekannt.
Gründen à la USA
Mit seinem aktuellen Amerika-Engagement ist Colop nicht allein. Ob Red Bull, Swarovski, Silhouette oder KTM: Wer als österreichischer Markenartikelhersteller am Weltmarkt durchstarten will, kommt an den USA nicht vorbei. „Wir waren erst kürzlich auf einer Messe in Las Vegas und die Stimmung ist sehr gut“, erzählt der für Vertrieb und Marketing verantwortliche Ratzenberger. Es sei für ihn immer wieder erstaunlich, wie schnell die Amerikaner aus Krisen kommen und wie rasch sie Dinge umsetzen, während bei uns noch diskutiert und geplant wird. Unternehmensgründer wähnen sich in der Regel in einer anderen Welt: „Die Gründung unserer Tochtergesellschaft Colop USA in Chicago war wesentlich einfacher als gedacht. Von der Entscheidung zur Gründung bis zur Lieferung der ersten Produkte von unserem Lager in Nordamerika vergingen nicht einmal fünf Monate.“ Dabei ist Amerika kein Neuland. Seit 1987 ist der Stempelhersteller in Übersee tätig. „Allerdings waren die USA das einzige Land der Welt, in dem wir nicht unter dem Markennamen Colop aufgetreten sind“, sagt Ratzenberger. Die Produkte waren identisch, nur der Name lautete „2000 Plus“. Grund dafür war eine langjährige Kooperation mit dem US-Partner Cosco, der sich im Vorjahr aus „strategischen“ Gründen aus dem Vertrieb von Stempelkomponenten zurückgezogen hat. Nun tritt man mit der Marke Colop direkt auf.
Der Stempel stirbt nicht aus
Es ist für das Familienunternehmen quasi eine Neu-Eroberung des US-Markts. Eine eigene Produktion in den USA ist für Colop jedoch kein Thema. „Das mag für Unternehmen, die Maschinen oder Motorräder produzieren, sinnvoll sein, aber nicht bei Stempelkomponenten, die in hoher Stückzahl hergestellt werden und einfach zu transportieren sind“, sagt Ratzenberger. Mehr als 20 Millionen Selbstfärbestempel und Komponenten werden pro Jahr im Werk in Wels und im tschechischen Borovany produziert. Auch wenn der Markt stagniert, sei davon auszugehen, dass es den traditionellen Stempel noch sehr lange geben wird. Trotz aller Bekenntnisse zum digitalen Wandel ist in vielen Verwaltungen ein amtlicher Stempel auf Papier immer noch der Goldstandard. Stempelkarussel und Stempelkissen gehören zur Grundausstattung vieler Behörden, vor allem in Deutschland. Auf diesem Feld sieht Ratzenberger noch Potenzial für seine modernen Selbstfärbe-Produkte. In die Stempelklassiker wird laufend investiert: in verbesserte Designs, neue Materialien, nachhaltige Produktionsmethoden und zahlreiche Patente. Erst im Vorjahr wurde die neue Printergeneration eingeführt und weltweit vermarktet.
Innovationen als Antrieb
Hohe Qualitätsstandards sind Teil der DNA des Unternehmens. Es besser als der Mitbewerb zu machen war der Antrieb von Anfang an. „Mein Vater war ein Tüftler, der sich mit dem Status quo nie zufriedengab“, sagt Christoph Skopek. Karl Skopek arbeitete beim in Wels ansässigen Weltmarktführer Trodat und startete 1980 als Einmannbetrieb. Heute beschäftigt das Unternehmen 580 Mitarbeiter, davon 200 in Österreich. Colop ist die Nummer zwei am Weltmarkt. „Unsere Aufgabe ist es, die Zukunft des Unternehmens abzusichern und das funktioniert mit neuen und innovativen Geschäftsfeldern“, sagt Skopek. Damit sei man derzeit auf gutem Weg.