Stadlberger: „Banken sind keine Frontrunner“
CHEFINFO: Sie haben als Direktor der Raiffeisenbank Wels in zwei Jahrzehnten einige Höhen und Tiefen in der Wirtschaft miterlebt. Liquidität ist dabei immer ein großes Thema. Sehen Sie diesbezüglich Parallelen zur Finanzkrise 2008 und heute?
Günter Stadlberger: Nein, viele Unternehmen haben aus dieser Zeit die Lehren gezogen und sind gut finanziert. Für Liquidität zu sorgen, gehört zum Handwerkszeug. Es gibt aber Ereignisse und das ist, glaube ich, gerade in aktuellen Fällen so, wo Unternehmen von unplanbaren Ereignissen wirtschaftlich überrollt werden, die jede vernünftige Liquiditätsplanung aushebeln. Ich erinnere daran, was alles seit der Pandemie passiert ist – von der Lieferketten-Krise bis zur Teuerung. Hohe Lohnabschlüsse sollten die Kaufkraft erhalten, führten aber auch zu einem immensen Anstieg der Lohnstückkosten. Wer zu teuer produziert, droht, sich aus dem Wettbewerb zu nehmen. Der Standort ist in Gefahr. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr spürbare Maßnahmen sehen werden, damit es wieder aufwärtsgehen kann.
Wie wirkt sich das auf Banken aus?
Stadlberger: Bereits 2023 und 2024 sind die Risken bei den Banken gestiegen. Ursache war hauptsächlich der Immobilienbereich. Vieles ist finanziert worden, was sich später als nicht so werthaltig herausgestellt hat. Aktuell wird die Realwirtschaft im Risiko der Banken angepasst. Das führt dazu, dass wir im Sinne eines sorgfältigen Kaufmanns bei Kreditvergaben vorsichtiger agieren müssen.
Hat sich die Rolle der Bank als Begleiter in dieser Zeit verändert?
Stadlberger: Die Bank entwickelt sich mit den Unternehmen. Der Markt gibt den Takt vor, Unternehmen reagieren darauf und wir reagieren als Begleiter. Banken sind keine Frontrunner. Unsere Aufgabe ist es, Unternehmen in jeder Marktphase mit Liquidität auszustatten. Das war nicht immer einfach. Als Folge der Finanzkrise sanken die Zinsen kontinuierlich, im Jahr 2015 war der Euribor im Minus und die Banken waren mit Negativzinsen konfrontiert, während Kunden ihre Projekte mit wenig Aufwand finanzieren konnten. Durch den Zinsanstieg hat sich auch die Rolle der Bank als Begleiter geändert. Einmal müssen wir mehr Gas geben und ein anderes Mal mehr auf die Bremsen steigen. Im Immobilienbereich haben wir vielleicht etwas zu spät die Bremsen erwischt. Aktuell gibt es bei der Nachfrage Probleme, auf die wir wieder reagieren müssen.
Die Kreditnachfrage sinkt, Firmen investieren weniger. Braucht es mehr Anreiz für Investitionen?
Stadlberger: Ja, das wäre sinnvoll. Wir sind ein großartiges Wirtschaftsland, aber wir produzieren viel mehr, als wir im Inland verwerten können. Wir sind nicht die USA mit 330 Millionen Konsumenten. Wir brauchen den Export – und dafür muss die Politik optimale Rahmenbedingungen schaffen.
Im Raum Wels sind viele Weltmarktführer und Hidden Champions beheimatet. Ein Vorteil für Ihre Bank?
Stadlberger: Der Bezirk Wels kann sich von internationalen Entwicklungen nicht abkoppeln, aber die Kraft, die in -diesen Familienbetrieben steckt, wird uns weniger Probleme bereiten, als dies vielleicht in anderen Regionen der Fall ist. Als Bank mit der Wirtschaft mitzuwachsen, ist immer das Ziel gewesen. Wenn wir nicht mitwachsen mit der Wirtschaft, dann sind wir nicht mehr dienlich. Wenn eine Bank zu klein ist, eine Investition, die ein durchschnittlicher Mittelständler braucht, zu finanzieren, dann braucht es sie nicht. In den vergangenen 20 Jahren konnten wir sowohl bei den Volumina als auch beim Eigenkapital ordentlich zulegen – und sind damit dienlich in jeder Hinsicht. Wir haben die Kraft, dass wir auch Spezialisten bei uns in der Bank beschäftigen, um Privatkunden, Freiberufler in der Veranlagung oder Unternehmen im Finanzierungsgeschäft mit begleiten zu können.
Der Erfolg einer Bank wird in Zahlen gemessen, aber was steckt dahinter?
Stadlberger: Die Öffnung hin zum Markt, der konsequente Fokus auf den Kunden und ein hervorragendes Team haben uns sehr beflügelt. Auch andere Themen sind entscheidend: die Verantwortung für die Region als Genossenschaftsbank, die sich in Vereinen engagiert und ihre Gewinne in Immobilienprojekten mitgestaltet. Auch eine gute Kooperation innerhalb des Raiffeisen-Sektors gehört dazu. Wir sind nicht immer einer Meinung mit einer Landesbank. Aber die Grundeinstellung war immer auf Kooperation ausgerichtet mit der Möglichkeit, auch Dinge auslagern zu können. Zum Beispiel haben wir keine eigene Rechtsabteilung, weil wir jene der Landesbank nutzen. Das spart Kosten, weil man konkurrenzfähig bei Know-how und bei Preisen sein muss. Da geben uns schon die großen Banken auch den Takt vor.
Sie gehen Ende des Jahres in Pension. Wie verläuft die Übergabe an Ihren Nachfolger und neuen Vorstand Roland Hechenberger?
Stadlberger: Der Übergabeprozess ist seit Mitte August im Laufen. Ich bin voll integriert in den Prozess und gebe laufend Entscheidungen ab, sodass ich am 31.12. nichts mehr zu entscheiden habe. Das ist mir einfach wichtig.
Was hat Sie am Beruf Banker gereizt?
Stadlberger: Ich hatte das Riesenglück, unheimlich interessante und tolle Menschen kennengelernt zu haben. Und diese Vielfalt der Menschen und deren Aufgaben und Projekte waren das Schönste an dem Ganzen. Der eine hatte den Bedarf gehabt, Geld anzulegen, der andere hat welches gebraucht und dem nächsten hat man vielleicht zu einem Wunsch verholfen, der außergewöhnlich war. Das sind Dinge im Nachhinein, die zaubern mir schon ein Lächeln ins Gesicht und sagen mir: Das ist ein klasse Beruf.
Ein Beruf, der Sinn macht?
Stadlberger: Auf alle Fälle. Das ist auch mein Credo für die Mitarbeiter: Euer Beruf hat einen Sinn, nämlich jenen, Menschen wohlhabender zu machen. Wir sind nicht für die Zukunft zuständig, nicht für die -Bildung und auch nicht für den Erfolg, denn das ist ganz etwas Individuelles. Einem Kunden der Raiffeisenbank muss es nach 40 Jahren besser gehen, als wenn er bei einer anderen Bank Kunde ist.