Patente steigern Firmenwert enorm
Chefinfo: Sie gelten österreichweit als Spezialist für gewerbliche Schutzrechte – wie viele Patent-Angelegenheiten haben Sie bereits betreut?
Hannes Burger: Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Prosekution und Litigation. Prosekution steht für die Betreuung von Patent-Anmeldungen, begleitet die gesamten Verfahren. Die können teils Jahrzehnte dauern. Wir haben weltweit sowohl mehrere 1.000 aktive Marken wie auch Patente in unserer Verwaltung. Zusätzlich wickeln wir jährlich mehrere Dutzend Litigations- und Rechtsbestandsverfahren für unsere Klienten ab.
Und wie wird man vom beschaulichen Windischgarsten aus zur österreichweiten Nummer eins?
Burger: Das hat geschichtliche Gründe: Mein Vater hat in Windischgarsten ein Dienstleistungsunternehmen für Patentrecherchen gegründet. Dann hat in die Hände gespielt, dass die Online-Einreichmöglichkeiten unabhängig vom Standort funktionieren.
Was ist für Sie ein strategisches Schutzrechtsmanagement?
Burger: Das Wichtigste ist eine gute Informationsbasis. Leider gehen viele Unternehmen relativ planlos in solche Entwicklungen und wissen gar nicht, wie ihr Umfeld ausschaut. Viele glauben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Markt- und der Patentsituation gibt. Doch es gibt viele neue Player, die sind am Markt noch gar nicht ersichtlich, aber im Bereich der Patente schon sehr relevant. Etwa in E-Mobility oder Medizintechnik eilen Patente teils viele Jahre der tatsächlichen Marktsituation voraus. Es bringt nichts, sich zum Ziel zu setzen, x-neue Patente pro Jahr zu haben. Das allein sagt nichts darüber aus, ob sie effektiv sind und die beste Balance zwischen erzielbaren Kosten und Nutzen darstellen. Die Strategie muss danach ausgerichtet sein, welche Freiräume brauche ich in der Entwicklung und was kann ich mir reservieren, um Exklusivität zu haben. Eine andere Strategie kann die Sicherheit sein, die eigenen Produkte an den Mann zu bringen. Das ist Freedom To Operate.
Sind Schutzrechte hauptsächlich für große Unternehmen relevant?
Burger: Entgegen anderer Bemühungen, das Patentwesen für jeden kleinen Einzelerfinder schmackhaft zu machen, ist das Patentwesen für internationale Märkte eher auf Unternehmen ausgerichtet, die mit den Produkten selbst oder der Lizenzvergabe Geld verdienen müssen. Denn es bedarf eines gewissen Investments. Für alle Unternehmen gleichermaßen ist Freedom To Operate wichtig: dass man nicht unter die Räder kommt und keine Schutzrechte anderer verletzt. In diesem Bereich ist auch China wichtig geworden, weil hier sehr viele Patente angemeldet werden, auch für viele Technologien, die vor zehn Jahren nicht als chinesische Primärthemen vorstellbar waren.
Wie wird sich das Patentwesen in Europa verändern?
Burger: Es wird ein Unitary Patent, ein europaweites Patent, eingeführt werden: Mit nur einem Patent kann man sein Produkt in allen Mitgliedsstaaten schützen und zentral mit einem Verletzungsverfahren diese Rechte in allen Mitgliedsstaaten durchsetzen. Bisher gibt es zwei Wege: Entweder melde ich mein Patent in den einzelnen Ländern an oder ich melde es beim Europäischen Patentamt oder als internationale Patentanmeldung an und muss es dann in den einzelnen Ländern validieren oder nationalisieren.
Vor allem kleinere Unternehmen wird interessieren: Was kostet mich ein Patent?
Burger: Die Erstanmeldung kostet zwischen 4.000 und 6.000 Euro. Wenn man von einer Internationalisierung auf vier, fünf Länder ausgeht, dann ist man da schon bei 30.000 bis 40.000 Euro für die ersten zehn Jahre.
Gibt es dringende Empfehlungen für Anmelder?
Burger: Der Nummer-1-Rat ist, dass man strategisch vorgeht. Die Nummer zwei ist: Dass man Zeit und Geld in eine gute Ausarbeitung der Anmeldung investiert, um auch Alternativen mitabdecken zu können und sich zuvor noch einen guten Überblick über die Patentsituation verschafft.
Was hat sich während der Corona-Pandemie verändert?
Burger: Das ist ein zwiespältiges Bild. Die offiziellen Zahlen des Österreichischen Patentamts zeigen, dass der Markenbereich eine sehr starke Anmeldeaktivität gesehen hat. Produkte wurden teils so schnell auf den Markt gebracht wie nie zuvor. Der zweite Punkt ist, dass es bei vielen sehr großen Unternehmen gerade am Anfang der Pandemie einen kurzen Stopp in der Entwicklung gegeben hat. Das hat sich in der Zwischenzeit gelegt.
Welche Funktionen können Patente abseits des klassischen Schutzrechts noch erfüllen?
Burger: Etwa Motivation zur generellen technologischen Weiterentwicklung: Laut Studien haben Gesellschaften, die anmeldestark sind, ein höheres BIP. Zweitens habe ich eine Sicherheit, dass meine eigenen Produkte nicht durch Schutzrechte von anderen betroffen sein können. Drittens: Exklusivität. Viertens: Werbung für die Innovationskraft. Und: Geistiges Eigentum macht einen sehr hohen Teil des Werts des Unternehmens aus, zum Beispiel bei einem Startup gut 90 Prozent.
Was gilt es, bei Entwicklungskooperationen mit Dritten zu berücksichtigen?
Burger: In großen Projekten hat man schnell zehn bis 15 Teilnehmer, dann habe ich im schlimmsten Fall 15 Schutzrechtseigentümer, die ich alle immer fragen muss. Meine Empfehlung: In einem Vertrag klar festhalten, wer ist Eigentümer, wer ist nutzungsberechtigt.
Wie nehmen Sie die steigenden Anmeldungen aus China wahr?
Burger: Ab 2012 war China der größte Patentanmelder der Welt. In der aktuellsten Statistik sieht man hier das erste Mal einen leichten Knick. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Qualität grundsätzlich steigt. Früher stand nur die Anzahl im Vordergrund.
Ist es schwer, Ihre Kunden gegen chinesische Mitbewerber zu unterstützen?
Burger: Das Patentwesen hat in China einen sehr starken Aufschwung, das betrifft auch die Möglichkeiten, seine Rechte dort durchzusetzen – vorausgesetzt, man hat dort Schutzrechte. In der Vergangenheit haben viele amerikanische und europäische Unternehmen das versäumt. Grundsätzlich funktioniert die Rechtsdurchsetzung in China oft schneller als in Europa. Es werden auch mehr Fälle verhandelt, was die Erfahrung der Richter erhöht.
Selbst wenn in China mein Produkt nachgebaut wird, weil ich dort kein Schutzrecht habe, darf es dann in einem Land, wo ich das Schutzrecht habe, verkauft werden?
Burger: Wenn ich in Deutschland, Frankreich und Italien ein Schutzrecht habe, dann kann ich das verhindern, aber im Rest der Welt nicht. Es gibt noch unlauteren Wettbewerb, wenn es um Plagiate geht. Das ist aber weniger geworden. Die meisten Nachahmer wissen mittlerweile genau, wie weit sie gehen können.
In welchen Fällen müssen Patente anderer angefochten werden?
Burger: Da gibt es zwei Fälle: Erstens, wenn das Patent unabhängig von meiner eigenen Entwicklung entstanden ist und ich ein Problem damit habe. Dann kann ich versuchen, dass das Patent des Mitbewerbers nicht rechtsbeständig ist, nicht neu war zum Zeitpunkt der Anmeldung. Ein anderer Fall ist, wenn mein Wissen missbraucht wurde und jemand anderer durch diesen Vorsprung ein Patent angemeldet hat. Da liegt eine widerrechtliche Entnahme vor und ich kann das Schutzrecht zurückholen. Es gibt aber auch Fake-Patente, das heißt Schutzrechte, die etwa in China als Gebrauchsmuster angemeldet werden und eigentlich ein identisches Produkt beinhalten. Wenn das Produkt vorher schon da war oder ein Patent mit diesem Inhalt vorher schon in Europa veröffentlicht war, sind solche Fake-Patente nicht rechtsbeständig. Da gibt es weltweit bestimmt Hunderttausende.
Es gibt keinen internationalen Schutz?
Burger: Nein. Doch mittlerweile gibt es in fast allen Ländern einen weltweiten Neuheitsbegriff. Das bedeutet, wenn in Österreich ein Produkt auf den Markt kommt oder ein Patent vom österreichischen Patentamt veröffentlicht wird, gilt es überall auf der Welt als veröffentlicht.
Zur Person:
Hannes Burger betreibt in Windischgarsten die Kanzlei Anwälte Burger und Partner (ABP). Außerdem ist er mit Büros in Wien, München und Zürich vertreten und arbeitet weltweit mit 120 Partner-Kanzleien zusammen. Laut mehrerer Ranking-Plattformen ist ABP eine der Top-Anwaltskanzleien im Bereich „Geistiges Eigentum“ in Österreich.