Palfinger-CEO Klauser: Drehen an vielen Schrauben
Andreas Klauser fehlt es nicht an Erfahrung, Unternehmen durch unruhige Gewässer zu manövrieren und in großen Dimensionen zu denken. Der 58-jährige Oberösterreicher gilt als begnadeter Netzwerker und als Manager mit unkonventionellem Führungsstil. Bevor er 2018 zum CEO der Palfinger AG berufen wurde, übte er Vorstandsfunktionen beim Traktorenhersteller Case IH und Steyr sowie CNH Industrial aus. Damit gehörte Klauser zum Führungskreis des damaligen Fiat-Chefs und Sanierers Sergio Marchionne († 2018). Dieses italienisch-amerikanische Umfeld, der Unternehmergeist und der effiziente Umgang mit Krisen, habe ihn geprägt, sagt Klauser im Gespräch mit CHEFINFO: „Ich muss nicht immer alles auf Punkt und Beistrich geplant haben, sondern mir erst einen Korridor schaffen, in dem ich mich bewegen und Entscheidungen treffen kann.“ Seit seinem Antritt als CEO stiegen Umsatz- und Ergebniszahlen, 2027 will der Chef des Salzburger Kranherstellers drei Milliarden Euro Umsatz erreichen. Derzeit spürt das Unternehmen das schwache Wirtschaftswachstum in den Kernmärkten Deutschland und Skandinavien. Im Halbjahr 2024 sank der Umsatz um 3,3 Prozent, der Gewinn stiegt leicht auf 68 Millionen Euro. Palfinger fokussiert sich bei Investitionen auf den Süden Europas und setzt auf Wachstum in Indien und in den USA.
CHEFINFO: Palfinger feierte vor 25 Jahren sein Börsendebüt in Wien und konnte den Umsatz von 243 Millionen Euro auf 2,45 Milliarden Euro verzehnfachen. Was waren die wesentlichen Treiber des Wachstums?
Andreas Klauser: In erster Linie Innovationsgeist, unternehmerisches Denken und in Folge die Technologieführerschaft mit soliden Produkten, einer soliden Distribution und einem soliden Servicenetzwerk. Der Grundstein dafür wurde früh von Richard Palfinger gelegt. Es folgten Jahre der Akquisitionen, Joint Ventures und Übernahmen. Das alles brachte einen Schub ab 2010 von 650 Millionen Euro zu einem Konzern von 1,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die Funktion des CEO übernommen, um aus einem Unternehmen mit Business Units eine Konzernstruktur für weiteres Wachstum zu schaffen.
Ein Börsenunternehmen, an dem die Gründerfamilie die Aktienmehrheit hält – ein Widerspruch?
Klauser: Nein, ich sehe das als Vorteil. Die Aufgaben und Regeln des Zusammenspiels zwischen Aufsichtsrat und Vorstand sind klar definiert, effizient und lassen sich nachvollziehen. Zum anderen agiert eine Familie im Hintergrund weitblickender, denkt an die nächsten Generationen und nicht nur in Quartalsergebnissen, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit in Long-Term-Investments.
Die Welt ist heute eine andere, eine volatilere. Mit welchen Strategien lässt sich der Weg weiterführen in Richtung Drei-Milliarden-Umsatz-Schallmauer?
Klauser: Dieses Ziel, das wir ursprünglich für 2030 angepeilt haben, könnten wir bereits 2027 erreichen. Als ich zu Palfinger kam, lag der Umsatz bei 1,6 Milliarden Euro, letztes Jahr waren es 2,45 Milliarden. Auch die Finanzziele wurden deutlich verbessert. Derzeit verspüren wir in Europa und in den Kernmärkten Deutschland, Frankreich, Skandinavien starken Gegenwind. Auf der anderen Seite floriert das Geschäft in Spanien, Portugal oder in Italien. Mittlerweile sind wir auch mit neun verschiedenen Produktlinien unterwegs. Die Strategie ist klar: Wir warten nicht auf den einen großen Knall oder Verkaufshit, sondern drehen an vielen kleinen Stellschrauben. Wir sind im Militär- und Marinebereich gut dabei, das Geschäft für Öl- und Gasplattformen läuft an. Hinzu kommen Produkte für Recycling- und Forstbereich – oder der Mitnahmestapler für die USA, den wir in Kooperation mit Steyr Automotive produzieren. Damit haben wir es innerhalb von nur drei Jahren auf Platz zwei in Nordamerika geschafft.
Worauf führen Sie das zurück, dass Europas krisenanfälliger Süden heute so gut dasteht?
Klauser: Länder wie Italien und Spanien haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie können mit Volatilität besser umgehen und Kapazitäten, Ressourcen, Pläne den jeweiligen Gegebenheiten anpassen, während andere Manager unrund werden, wenn sie ihre Dreijahrespläne nicht abarbeiten können. Zum Dritten wurden die EU-Subventionen für massive Investitionen genutzt, die weitere Kapitalgeber angezogen haben. Diese drei Zutaten fehlen uns hierzulande. Während man bei uns von Deindustrialisierung spricht, findet Reindustrialisierung im Süden Europas, speziell am Balkan, statt. Bereits vor Jahrzehnten hat Palfinger die Balkancar in Bulgarien gekauft, das war der größte Gabelstaplerhersteller in den ehemaligen kommunistischen Comecon-Staaten. Im serbischen Niš haben wir in ein Komponentenwerk mit 375 Arbeitsplätzen im Endausbau investiert. Diese Investitionen garantieren, dass Palfinger am Standort Österreich stabil bleibt. Wir haben als Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie auch Komponenten aus China wieder nach Europa zurückgeholt. Der zweitwichtigste Markt nach Europa sind die USA. Bald wird ein Drittel des Umsatzes von Palfinger aus dieser Region kommen.
Sie sind ein guter USA-Kenner. Worin unterscheiden sich die Vereinigten Staaten im Umgang mit Krisen von uns Europäern.
Klauser: Ich vergleiche USA und Europa gerne mit Cowboys, die durch die Steppe reiten. Der Amerikaner stürzt zu Boden, prüft, ob er sich nichts gebrochen hat, klopft den Staub ab und reitet weiter. Sein europäischer Mitreiter, der an derselben Stelle aus dem Sattel fällt, sucht zuerst nach Hilfe und dann nach einem Schuldigen, bevor es wieder weitergeht. Der Europäer ist durch das soziale Umfeld und das sogenannte Bailing out of Europeans verwöhnt. Im Zweifelsfall ist immer jemand da, der einem hilft. Gewisse Industrien in Europa funktionieren nur noch mit Subventionen. Das weckt Begehrlichkeiten und Anspruchsdenken. Aktuell steht in Europa wieder vieles auf dem Prüfstand. Wir müssen den Gürtel nicht nur enger schnallen, sondern uns auch mehr einbringen, um Probleme nicht nur theoretisch zu behandeln, sondern auch zu lösen. Die aktuelle Situation wird uns dazu zwingen. Auf der anderen Seite müssen uns das soziale Gefüge und die Ruhe im Land auch etwas Wert sein. Hier braucht es eine Balance. Sozialpartnerschaft ist in den USA mehr als ein Fremdwort.
Palfinger ist globaler Marktführer in seinem Segment. Welches sind die großen Zukunftsthemen, mit denen Sie sich derzeit beschäftigen, um den Vorsprung nicht nur halten, sondern auch ausbauen zu können?
Klauser: Da es immer weniger ausgebildete Operator für Kräne und Hebelösungen gibt, sind automatisierte Prozesse für unsere Kunden ein großer Trend. Alles eingebettet in das Umfeld der Nachhaltigkeit als Teil eines Businessplans. Kürzere Transportwege und weniger Energieverbrauch bedeuten weniger Kosten, aber auch weniger Emissionen. Drittens beschäftigt uns auch der gesellschaftliche Wandel, der sich etwa in flexiblen Arbeitszeiten abbildet. Dennoch kommunizieren wir klar, dass bei Palfinger der Leistungsgedanke zählt. Aber Leistung muss sich auch lohnen. Das ist meine Forderung an die Politik, Mehrarbeit und Überstunden wieder attraktiv zu machen – bis hin zu älteren Arbeitnehmern, die in die Pension hinaus mit einem Senior-Expert-Kontrakt tätig sein möchten.
Apropos Politik: Ende September wird ein neues Parlament gewählt. Österreich verliert an Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere die Industrie leidet. Was muss sich ändern?
Klauser: Zunächst muss wieder zurück zum Gemeinsamen, zum Verbindenden gefunden werden. Man kann über eine große Koalition denken, was man will – aber Rot-Schwarz hat das rückblickend gar nicht so schlecht gemacht. Es hat einen breiten gemeinsamen Konsens gegeben – und über die restlichen 20 Prozent der Themen, wo man sich uneins war, wurde verhandelt. Heute liegt die gemeinsame Basis bei 20 Prozent und der Rest bildet sich in immer mehr politischen Splittergruppen ab. Als ich damals als Manager in Italien tätig war, hat man über mich gelacht, warum ich mir ein Land mit so instabilen politischen Verhältnissen antue.
Was ist dieses Gemeinsame, das es zu definieren gilt?
Klauser: Ein schönes Land allein wird nicht reichen. Es geht um eine gut aufgestellte Wirtschaft, um Nachhaltigkeit, um Industrie. Dafür muss Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Es bedeutet auch weniger Bürokratie und Subventionen, die in der Regel den Wettbewerb verzerren. Auf der anderen Seite soll man Menschen mehr Eigenverantwortung zutrauen, anstatt sie mit strengen Kreditvergaberegeln wie der KIM-Verordnung in Geiselhaft zu nehmen. Und wie erwähnt: Leistung muss sich wieder lohnen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr arbeiten, sollen das am Monatsende auch deutlich am Kontostand merken.