Nährstoffe, Biohacking und Wachtstumskapital
Cryo-Treatment – Frieren in der Kältekammer bei minus 110 Grad, Recovery-Boots zum Entgiften per Lymphdrainage oder Hypoxie-Therapie, eine Art Höhentraining, das die Leistungsfähigkeit beeinflusst. Diese Behandlungen werden unter dem Trendbegriff Biohacking zusammengefasst und in Flagship-Stores von Biogena in Wien sowie Salzburg angeboten. Die Vision, den menschlichen Körper wie einen Computer aufzurüsten und zu optimieren, treibt weltweit Gründer, Forscher und Investoren an. Auch in Österreich: Mit diesem Angebot will Albert Schmidbauer sein vor fast 20 Jahren gegründetes Unternehmen auf das nächste Level heben. „Wir sind keine Pillen-Company, wir sind eine Gesundheits-Company“, verrät der aus Natternbach stammende Oberösterreicher im Interview (siehe Seite 58). Die „Pillen“, Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel, sind das Kerngeschäft des Unternehmens. Im Jahr 2000 wurde um 40 Millionen Euro eine eigene Produktion am Unternehmenssitz in Koppl bei Salzburg hochgezogen, die auf eine Kapazität von 1,5 Milliarden Kapseln jährlich ausgelegt ist. 260 Präparate werden sowohl online als auch in 25 Shops weltweit vertrieben. Mit einer EBITDA-Quote von 20 Prozent zählt Biogena zu den top 25 Prozent der Geschäftsmodelle. Trotz anhaltender Konsumflaute und Rezession wächst das Unternehmen – heuer um 27 Prozent. „Es gibt kein Jahr, in dem wir nicht ein positives Equity hatten“, sagt Schmidbauer, der einen Börsengang von Biogena für das Jahr 2028 ins Auge fasst.
Amerika ist der größte Markt
Im Juli wurde ein Promotion-Store in einer der berühmtesten Einkaufsstraßen in Los Angeles eröffnet. Aktuell setzt das Unternehmen im Mutterland für Food-Supplement eine halbe Million Euro um. „Das ist ein kleines Pflänzchen für einen Markt, der 46 Milliarden Euro schwer ist. Wenn es uns gelingt, nur 0,2 Prozent Marktanteil zu holen, dann wäre das ein riesiges Geschäft“, sagt Schmidbauer. Konkret wären das 92 Millionen Euro; heuer wächst Biogena auf 81 Millionen Euro Umsatz. Der Unternehmer verbrachte vor dem Markteintritt ein Jahr mit seiner Familie in den USA. Sein Fazit: „Am Ende werden wir einen amerikanischen Partner brauchen, der den US-Markt zu 100 Prozent versteht.“
Wette auf die ewige Jugend
Anti-Aging, Longevity, Biohacking, Epigenetik: Die Wette auf die ewige Jugend ist in Amerika inzwischen ein großes Geschäft, vor allem im Silicon Valley. Das 2021 gegründete Biotechnologieunternehmen Altos Labs hat in einer ersten Finanzierungsrunde drei Milliarden Dollar eingesammelt, um Grundlagenforschung zu betreiben. Mit dabei ist Amazon-Gründer Jeff Bezos. Das Unternehmen versammelt ein globales Starensemble von Biowissenschaftlern, Nobelpreisträgern und Firmengründern. Zu den Mitgliedern gehören der japanische Stammzellenpionier Shinya Yamanaka, CRISPR-Cas-Mitentdeckerin Jennifer Doudna und Alterungsspezialist Steve Horvath, der die biologische Alterungsuhr entdeckt hat. Ziel der Forschung ist die „verjüngende Reprogrammierung von Zellen“. Bezos befindet sich mit seinem Investment in bester Gesellschaft. OpenAI-Gründer Sam Altman investierte 180 Millionen Dollar in das Langlebigkeits-Startup Retro Bio, mit dem ambitionierten Ziel, die Lebensspanne der Menschheit um zehn Jahre zu verlängern. Bekannter ist Neuralink, die Neurotechnologie-Gründung von „Mister Tesla“ Elon Musk, die Hirnimplantate entwickelt, um Lähmungen und Blindheit zu heilen. Bei zwei Patienten wurde dieses Jahr ein Gehirnchip eingesetzt. In Europa macht das Schweizer Biotech-Startup Rejuveron von sich reden, das im letzten Jahr fast 70 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt hat. Die vom deutschen Investor -Christian Angermayer mitgegründete Longevity-Firma entwickelt Medikamente, die den Alterungsprozess verlangsamen sollen.
Gesunder Körper, gesunder Geist
Zu Longevity (sprich: Long-tschä-wi-ti) sagte man früher Anti-Aging. Heute wird unter diesem Begriff alles zusammengefasst, was mit einem gesünderen und längeren Leben zu tun hat. „Den Menschen geht es gut und sie wollen alt werden – aber so, dass sie auch mit 80 noch alles tun können, was sie möchten“, erklärt Schmidbauer. Er glaubt, dass die Menschen im Alter konsumfreudiger sind. Die Idee, möglichst viel am Ende des Lebens zu vererben, wurde abgelöst von dem Mindset, das eigene Leben bis zum letzten Tag bei guter Gesundheit genießen zu wollen. „Es geht nicht mehr um den dritten Porsche und das siebte Haus, sondern darum: Wie steht es um meinen Körper und meinen Geist?“ In einem Gesundheitsbereich wie diesem ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu etablieren ist eine Gratwanderung. Nahrungsergänzungsmittel sind im Trend, dennoch ist die Branche höchst umstritten. Deshalb arbeitet Biogena mit führenden Anti-Aging-Medizinern zusammen und lässt die Präparate wissenschaftlich testen. „Was es bei uns nie geben wird, ist ein Schmähpräparat, das gerade im Trend liegt. Wir haben gerade den großen Mikronährstoff-Coach herausgegeben, 800 Seiten, in der 4. Auflage. Somit sichern wir auch unser Unternehmen ab.“
Verschiebung bei Konsumausgaben
Selbst die Dose für die Präparate besteht nicht aus Plastik, sondern aus einem Derivat, das aus Zuckerrohr gewonnen und vom Vorarlberger Hidden Champion Alpla entwickelt wurde. Kosten: eine Million Euro. Schmidbauer, studierter Betriebswirt und ehemaliger Unternehmensberater, zeigte bereits als 17-jähriger AHS-Schüler Verkaufstalent, indem er EDV-Produkte mit dem Moped verkaufte. Hat er vor 20 Jahren den Megatrend im Gesundheitsbereich vorausgesehen? „Ich beschäftige mich schon länger mit langfristigen Entwicklungen wie den Kondratjew-Zyklen, der Theorie der langen Wellen von der Dampfmaschine bis zum Informationszeitalter. Damals war klar, dass Gesundheit, Wohlbefinden, Spiritualität und Sinn des Lebens vermutlich den nächsten großen Zyklus ausmachen, auch wenn Begriffe wie Biohacking und Longevity damals natürlich noch unbekannt waren.“ Schmidbauer sieht anhand der aktuellen Regioplan-Daten, dass sich die Konsumausgaben in den letzten Jahren verändert haben. Der Konsum von Möbeln, Elektrogeräten, Bekleidung und Fleisch geht zurück. An erster Stelle -stehen Schönheit, Ausgaben für Tiere, Tätowierungen, Gesundheitspflege und Nahrungsergänzungsmittel, mit einem Plus von 60 Prozent in den letzten zehn Jahren. „Ich beobachte diesen Gesundheits- und Wellnesstrend sehr genau – und wir versuchen, immer ganz vorne dabei zu sein.“