Direkt zum Inhalt
Profilbild
IG WINDKRAFT

Nachhaltigkeit - Wind of change

05.06.2024 um 15:21, Jürgen Philipp
min read
Noch nie wurden so viele Windkraftanlagen weltweit errichtet wie 2023. Davon profitieren auch heimische Unternehmen, die zu den global besten gehören.

Wie so oft in der Innovations­geschichte gibt es einen Streit: Tesla vs. Edison, Marcus vs. Daimler und das Match Friedländer vs. Blyth vs. Brush. Sie werden alle als Erfinder von Windkraftanlagen zur Erzeugung elektrischen Stroms genannt. Der Wiener Ingenieur Josef Friedländer war verbrieft vier Jahre vor dem Schotten James Blyth dran und damit der Erste, der Windenergie damals in Batterien speicherte. Belegt ist das durch die Präsentation seiner Windturbine auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in Wien im Jahr 1883. Blyth gelang dies erst 1887. Die Amerikaner sehen das anders, laut US-Historikern wäre Charles Brush der Erste gewesen, doch auch er war nach Friedländer an der Reihe. Fakt ist: Österreichs Windenergiegeschichte ist über 140 Jahre alt. 

Mehr als 1 TW weltweit
Die internationale Energieagentur IEA rechnet damit, dass bis 2050 ein Viertel der globalen Stromerzeugung aus Windkraft stammen wird. Global hat China den vollen (Rücken)Wind: Jede zweite Windkraftanlage, die derzeit weltweit gebaut wird, wird dort errichtet. Die Kapazitäten sind gigantisch. Die neuen chinesischen – eiffelturmhohen – Turbinen können bis zu 15 MW produzieren. In Österreich liegt die Ausbeute bei drei bis vier MW. Drei Viertel der weltweiten 116 GW an neu installierten Anlagen stehen in China, rechnet die IG Windkraft vor. Europa folgt zwar auf Platz zwei, ist mit 16 Prozent am globalen Volumen aber noch „ausbaufähig“. Die Gesamtleistung aller Windparks weltweit hat erstmals die 1-Terrawatt-Grenze überschritten. Oft steckt in diesen heimisches Know-how. Rot-weiß-rote Technologie, die den rauesten Umweltbedingungen – Stürmen mit bis zu 300 km/h – standhalten kann, treibt die Energiewende an. Mehr als eine Milliarde Jahresumsatz erzielt die Branche. 90 Prozent der heimischen Produkte gehen in den Export. 180 Unternehmen sind an den internationalen Windenergiemärkten präsent. 

75 Prozent

1.000 Tonnen Stahl pro Windkraftwerk
Ein besonders plakatives Beispiel ist die voestalpine AG. Pro Megawatt Leistung, so rechnet der Konzern vor, werden 100 bis 120 Tonnen Stahl benötigt. Bei den leistungsstärksten Onshore-Anlagen also fast 1.000 Tonnen. Die Betontürme benötigen Spannstahldraht – rund 50 Tonnen im Turm – die Nabe besteht aus Werkzeugstahl, Triebstrang mit Rotorwelle, Lager und Getriebe sind stählern und selbst der Generator ­würde ohne Elektroband nicht laufen. Den unwirtlichsten Bedingungen müssen Offshore-Anlagen standhalten. ­Alleine im Fundament – mit Durchmessern von acht Metern – werden 1.000 Tonnen Grobblech benötigt. In Brasilien, dem weltweit siebtgrößten Windstrom-Erzeuger, werden einbaufertige Turbinenwellen von der voestalpine-Gesellschaft Villares Metals verbaut. Um alle Teile auch bombensicher zu verschweißen, braucht es die Produkte der voest­alpine BÖHLER Welding. Und schließlich sorgt die voestalpine Foundry Group für die Sicherheit von schwimmenden Windkraftanlage. Die „Knoten“ – die Verbindungen zwischen Schwimmkörper und Turm –, die enormen Naturkräften ausgesetzt sind, werden von der voestalpine Foundry Group hergestellt. 

Miba
F. Peter Mitterbauer, Vorstandsdirektor von Miba, kann auf eine Verdreifachung im Bereich Windkraft in nur zwei Jahren verweisen

Verdreifachung bei Miba
Der Technologiekonzern liefert aber nicht nur für die Windkraftindustrie, sondern bekommt auch deren „Produkt“ – grünen Strom – geliefert. Die Windkraftanlagen auf der steirischen Stangl­alm liefern 89 GWh, das würde für 25.500 Haushalte reichen. Haushalte werden aber keine beliefert, sondern die steirischen Standorte der ­voestalpine, um der Vision des grünen Stahls einen Schritt näherzukommen. Bei der Eröffnung des alpinen Windparks im Herbst 2023 meinte Vizekanzler Werner ­Kogler: „Jedes Windrad ist eine bewegliche Freiheitsstatue.“ Auch Miba profitiert davon. Der Konzern konnte den Jahresumsatz 2023/24 um 8,1 Prozent steigern. Der Umsatz hat sich in den letzten zehn Jahren auf 1,2 Milliarden Euro verdoppelt. Wachstumstreiber ist unter anderem das Windenergiegeschäft. Das hat sich in zwei Jahren verdreifacht.

Miba-Technologie kommt in Bremsen, Getrieben, Rotor-, Hauptlagern und in der Elek­tronik der Windturbinen zum Einsatz. Zudem werden Maschinen zum Bau der riesigen Offshore-Windtürme vor den Küsten produziert. „Wir nutzen die enormen Chancen der Umstellung auf erneuerbare Energie“, so Vorstandsvorsitzender F. Peter Mitterbauer. Die Strategie der Laakirchner ist zur Mis­sion geworden: „Technologies for a cleaner planet“. „Miba-Technologien helfen unseren Kunden, den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu verringern. Sie sollen in den Anwendungen unserer Kunden dazu beitragen, die Gewinnung, Übertragung, Speicherung und Verwendung von Energie noch effizienter und damit nachhaltiger und umweltschonender zu machen.“

Windkraftindustrie
Die voestalpine produziert unzählige Komponenten und Teile für die Windkraftindustrie, unter anderem auch Grobblech, welches den enormen Naturkräften trotzt

Bundesländer bremsen
Ein weiteres Beispiel für den globalen Exporterfolg ist ELIN Motoren, Teil der Voith Unternehmensgruppe, im steirischen Weiz. Das Unternehmen fertigt Generatoren, wie jenen, der letztes Jahr in der größten Windkraftanlage ­Indiens zum Einsatz kam. ELIN Motoren investierte gerade in eine neue automatisierte Fertigungsanlage für Offshore-Komponenten. Für den Geschäftsführer Bodo Helm spielen Windparks eine Schlüsselrolle bei der nachhaltigen Energieversorgung. Logischerweise sieht das auch der Obmann der IG Windkraft, Fritz Herzog, so. „Sowohl das österreichische als auch das weltweite Potenzial der Windkraft sind enorm groß. Die Entwicklung dieser Potenziale bietet sehr große wirtschaftliche Chancen für die österreichische Windkraft-Zulieferindustrie.“ Die IG Windkraft sieht dabei aber ein „Der-Prophet-im-eigenen-Land-Problem“: Während 2023 noch 330 MW in Österreich errichtet wurden, werden es 2024 nur 125 MW sein, prognostiziert Geschäftsführer Stefan Moidl. Ihm fehlt ein Bekenntnis: „Der größte Hebel liegt jetzt bei den Bundesländern, die pas­sende Rahmenbedingungen und insbesondere ausreichende Flächen zur Verfügung stellen müssen.“ Die Technologie dazu ist vorhanden, vor allem im eigenen Land.

more