Algorithmus des Abschaltens
Schon die alten Ägypter bezeichneten die richtige Atmung als „Königsweg der seelischen Heilung“. Eine Erkenntnis, die derzeit eine Renaissance erlebt und in Businessseminaren unter dem Begriff Achtsamkeit läuft. Über den Nutzen solcher Techniken weiß einer Bescheid, der sie seit 50 Jahren praktiziert: Bruno Buchberger, ein Denker, der gelernt hat, „abzuschalten“, um Lebensqualität zu gewinnen. Der gebürtige Innsbrucker ist Erfinder der Theorie der Gröbner-Basen, die in Algorithmen der Computeralgebra nicht wegzudenken sind und in der Kryptografie, Robotik oder Bioinformatik zur Anwendung kommen. 1974 wurde er Professor für Computer-Mathematik an der Johannes Kepler Universität Linz. Über die Grenzen wurde er als Gründer des Forschungsinstituts für Symbolisches Rechnen (RISC Linz) und des Softwarepark Hagenberg bekannt. Heute gilt die kleine Mühlviertler Gemeinde als internationaler Forschungs-Hotspot und mit dem FH-Campus für Informatik als wichtiger Bildungsstandort. Studenten unterrichtet Buchberger nicht mehr, ist aber dennoch in der Forschung aktiv. Er hält Vorträge wie „Künstliche Intelligenz für Intelligente“ und hat kürzlich sein zweites Buch zum Thema Meditation veröffentlicht mit dem Titel „Wissenschaft und Meditation. Auf dem Weg zur bewussten Naturgesellschaft“.
CHEFINFO: Das Christentum kennt die Übung der Kontemplation, andere nennen es autogenes Training. Wie eng oder wie weit fassen Sie den Begriff der Meditation?
Bruno Buchberger: Wie immer man das nennen möchte, es soll dazu führen, dass man einen Zustand im Nervensystem erreicht, wo man weder beobachtet noch denkt noch handelt. Es ist nicht spirituell oder religiös, sondern biologisch erklärbar. Wie man diesen Zustand nennt, ist einerlei. Aber der Punkt ist, wie weit es gelingt, regelmäßig und auch willentlich, diesen Zustand zu erreichen, der sehr viele positive Effekte für das Leben des Einzelnen und damit auch für die Gesellschaft hat. Oft steht die Technik selbst zu sehr Vordergrund, Achtsamkeit ist so ein Wort heute. So lange man auf irgendetwas achten muss, hat das Nervensystem nicht die Möglichkeit, loszulassen.
Braucht es einen Lehrer, einen Guru, um diesen Punkt zu erreichen?
Buchberger: Meditieren bedeutet nicht, einmal wie die Beatles einige Tage in einem Ashram in Indien zu verbringen, im Zen-Kloster zu sitzen oder Massagen von schönen Frauen zu erleben. Meditation ist so wie Kaffeetrinken oder Duschen. Gute Meditation braucht die Regelmäßigkeit, einen Trick, eine Methode. In der Mathematik würde man sagen einen Algorithmus, mit dem es gelingt, diesen ganz subtilen Punkt zu erreichen, um abzuschalten. Dafür sind keine Lehren, keine Drogen und keine Religionen nötig. Zwischen meinem 17. und 30. Lebensjahr habe ich alles Mögliche und Unmögliche ausprobiert, bis ich zufällig auf die Meditationstechnik der Veden stieß – das Mantra. Das ist nichts Esoterisches, sondern ein Trick, um von diesem Wachbewusstsein in die Stille zu fallen.
Sie haben in in Ihrem Leben einiges in Bewegung gebracht. Hat Meditation Ihnen geholfen, bessere Entscheidungen zu treffen?
Buchberger: Die schnelle Antwort ist Ja. Das Schwierige daran ist, dass in dem Augenblick, wo das Beobachten, Denken und Handeln weg ist und damit natürlich auch all der Stress, in diesem Augenblick hat man keine Zwecke mehr. Würde man auch nur den leisesten Wunsch haben, zu meditieren, um keinen Stress zu haben, dann ist der Effekt ja schon gar nicht mehr möglich. Zweitens: Naturwissenschaftliche Erfahrungen zielen darauf ab, dass jeder unter denselben experimentellen Bedingungen dieselben Erfahrungen macht. Wenn ich das Erreichte in meinem Leben der Meditation zuschreiben würde, wäre das unseriös. Denn das Experiment eines Menschenlebens lässt sich nicht zweimal durchführen. Ich kann mich als Meditierender nicht mit dem Buchberger ohne Meditation vergleichen. Die dritte Antwort ist, dass ich eine ganze Menge aufzählen kann, wo ich vermute, dass mir das Meditieren geholfen hat. Mit dieser Regelmäßigkeit, wie ich das betreibe, macht man schon Erfahrungen, die sehr tiefgreifend sind. Man lernt nicht, mit Stress umzugehen, sondern erfährt den stressfreien Zustand der Stille. Die Sicht wird so weit, um viele verschiedene Menschen leicht integrieren zu können. Das ist gerade bei Innovation in der Gesellschaft wichtig. Dafür muss man ein offenes Mindset haben.
Also eine Art Gelassenheit?
Buchberger: Wenn die Hackeln im Arbeitsalltag tief fliegen, braucht es mehr als Gelassenheit. Denn Gelassenheit bedeutet, dass ich den Kopf einziehe und einfach weitermache. Aber ein offenes Mindset zu haben bedeutet, mein Konzept größer zu gestalten und zu fragen, ob Kritik nicht auch ein positiver Beitrag sein könnte. Das Negative ins Positive umkehren. Ich sage immer: Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf vor fünf. Das ist das Gefühl am Morgen, wenn ich von der Veranda meines Hauses nach Osten blicke und der gestrige Tag einfach weg ist. Das sind Lebensgefühle, die ich natürlich nicht beweisen kann.
Es gibt viele Diskussionen um den Bildungsstandort: Was wünschen Sie sich für das Land?
Buchberger: Was uns nach vorne bringen würde, sind nicht ein paar weitere Erasmus-Studenten, sondern 10.000 oder 15.000 Studierende aus aller Herren Länder für den Linzer Zentralraum. Wir brauchen Menschen, die von sich aus tätig werden und etwas erfinden oder Neues entwickeln. Als ich 21 Jahre alt war, hat mir niemand angeschafft, die Gröbner-Basen zu entdecken. Ich war Werkstudent und habe mir das Studium mit Programmieren finanziert. Und ich habe etwas erfunden, das zufällig 50 Jahre später auch noch aktuell ist.