Martin Hajart über die Verkehrs-Wende
Herr Vizebürgermeister, womit fahren Sie in Ihr Büro im Alten Rathaus?
Meistens mit dem Bus. Wenn die Witterung passt, gehe ich auch zu Fuß zur Arbeit.
Sie haben als Verkehrsreferent eine Stärkung des Radverkehrs ausgerufen. Radwege sind ein grünes Thema. Die ÖVP setzte sich eher für die Autofahrer ein. Ist dieses Narrativ vorbei?
Wenn man wie ich einen pragmatischen Weg wählt, dann darf man eine Stadt nicht autozentriert sehen, sondern muss Mobilität weiter fassen. Menschen sollen mobil sein und möglichst schnell von A nach B kommen, egal ob sie Auto, Rad, öffentlichen Verkehr nutzen oder zu Fuß gehen. Genau hier setze ich an. Wir haben große Defizite in Linz im Verkehrsbereich, weil bisher fast ausschließlich auf das Auto gesetzt wurde. Dass ein verbesserter Mobilitätsmix weniger Platz für das Auto bedeutet, ist in einem begrenzten urbanen Raum wie Linz eine einfache Rechnung.
Eine Rechnung, die wahrscheinlich nicht alle glücklich macht.
Als Verkehrsreferent darf man nicht den Anspruch haben, dass alle glücklich sind. Man muss das tun, wovon man überzeugt ist, dass es richtig ist.
Ihre Vorgänger wechselten oft rasch. Ist es ein undankbares Ressort?
So würde ich das nicht sagen. Es ist ein herausforderndes und wichtiges Ressort, wenn man einen Gestaltungswillen hat. Und den habe ich.
Ist der autofreie Hauptplatz ein erster Schritt in diese Richtung?
Ich spreche lieber vom Hauptplatz ohne Durchzugsverkehr. Lieferverkehr und die Zufahrt für Hotelgäste sind weiter möglich. Aber der reine Durchzugsverkehr über die Klostergasse wird heuer abgestellt.
Nach der Verkehrsberuhigung der Wiener Mariahilfer Straße befürchteten viele Umsatzeinbußen im Handel. Das Gegenteil war der Fall. Gibt es ein Umdenken in der Politik?
Ich denke schon. Gerade meine Fraktion hatte damals im Verbund mit der Wirtschaftskammer gegen einen Umbau zur Begegnungs- und Fußgängerzone mobil gemacht. Heute sieht man die positiven Effekte der Umstrukturierung. Die Mariahilfer Straße ist ein Best-Practice-Beispiel für den gelungenen Umbau einer Einkaufsstraße zur verkehrsberuhigten Zone. Was für die Wiener Mariahilfer Straße funktioniert, kann auch für die Linzer Landstraße die Lösung sein.
Worin irrten die Gegner?
Beim Shoppen zählt die hohe Aufenthaltsqualität. Man kann sich selbst die Frage stellen: Wo kauft man am liebsten ein? Wo fühlt man sich am wohlsten? In einer stark befahrenen Straße mit parkenden Autos oder in einer Einkaufsmeile ohne Durchzugsverkehr, mit Begrünung und Gastgärten? Man kann sich hier von Einkaufszentren etwas abschauen. Sie bieten ein autofreies Einkaufserlebnis, aber Parkmöglichkeiten in der Nähe.
Die südliche Landstraße ist eine Problemzone. Was haben Sie vor?
Hier wollen wir zeitnah einen Schwerpunkt setzen für Kinder und den Fußverkehr. Das sollte generell verstärkt werden. Warum? Weil über die Kinder die Familien erreicht werden und damit eine positive Klientel in die Innenstadt kommt. Da geht es auch um touristische Effekte, die sich auch auf den Handel auswirken. Es braucht Bewegungsräume für Kinder im öffentlichen Bereich. Ich denke hier an Kinderbetreuungseinrichtungen nach dem Vorbild des Wiener Kindermuseums Zoom, das läuft großartig.
Die Innenstadt soll gegenüber Einkaufszentren am Stadtrand attraktiver werden. Sitzt man da als Verkehrsreferent und Stadtpolitiker nicht vor einem gordischen Knoten?
Der gordische Knoten lässt sich auflösen – mit vielen Gesprächen, die man führen muss. Jeder vertritt in dieser Diskussion seinen eigenen Standpunkt, aber wir in der Politik müssen das große Ganze betrachten. Es gibt einige To-dos in der Innenstadt: den Verkehr, das subjektive Sicherheitsgefühl und den Umgang mit Randgruppen sowie den Branchenmix. Hier müsste im Auftrag der Stadt Linz eine Standortagentur tätig werden, die Schwerpunkte bestimmt, mit den Liegenschafts- und Häusereigentümern spricht und als eine Art Immobilienmakler interessierte Unternehmen und Liegenschaftseigentümer zusammenbringt. Einkaufszentren haben es leichter, weil sie Eigentümer sind. Bei uns ist mehr Dialog notwendig. Nur diesen Dialog muss man führen. Aktuell kümmert sich niemand in Linz darum.
Im Herbst wird die Westringbrücke eröffnet. Ist das nicht einfach eine Verlagerung des Pendlerverkehrs auf die andere Donauseite?
In der ersten Etappe werden Staus aufgrund von Verlagerungseffekten nicht zu vermeiden sein. Die volle Wirkung des Westrings wird erst nach der Fertigstellung des zweiten Abschnitts 2032 und nach der Einbindung in die A7 im Jahr 2035 erreicht werden. Es ist eine schrittweise Entlastung des Innenstadtverkehrs und vor allem der sanierungsbedürftigen Nibelungenbrücke. Im Zuge der Eröffnung der Westringbrücke wird heuer das Radwegprojekt entlang der Donau bis St. Margarethen gestartet.
Für die Verkehrswende fehlen Park & Ride-Möglichkeiten. Ein altes Thema.
Wir wollen einen Park-and-Ride-Ring rund um den Großraum Linz. Das ist eine Forderung an alle Fraktionen und insbesondere an Verkehrslandesrat Steinkellner, hier ein Park-and-Ride-Konzept vorzulegen. Natürlich soll damit auch eine Verbesserung der Öffi-Situation einhergehen. Was die Tiefgaragen in der Linzer Innenstadt betrifft, so ist die Suche für Autofahrer oft mühsam. In der Konzeptionsphase befindet sich daher ein digitales Parkleitsystem für Innenstadtgaragen. Das Projekt soll im kommenden Jahr realisiert werden.
ZUR PERSON
Martin Hajart (40) ist Linzer Gemeindepolitiker (ÖVP) und lebt mit seiner Familie in Linz. Im März 2022 wurde er zum Verkehrsstadtrat und Vizebürgermeister angelobt. Der begeisterte Hobbysportler absolvierte die HAK in Ried im Innkreis und studierte danach Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität. Ein MBA-Studium „Controlling und Performance Management“ schloss er an der LIMAK ab. Seine politische Karriere startete er bei der Jungen Volkspartei, später durchlief er Stationen als Büroleiter der Linzer Vizebürgermeister Erich Watzl und Bernhard Baier sowie bei Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander.