Luftfahrtindustrie - Eine Branche mit Schub
Auch wenn die Turbulenzen pandemie- und krisenbedingt in den Zwanzigerjahren erheblich waren, befindet sich die Luftfahrtindustrie aktuell deutlich im Aufwind. Für Anleger steht klarerweise das Duopol Airbus und Boeing im Fokus, aber auch die Frage, wie sich die Fliegerei in den nächsten 15 Jahren entwickeln wird, ist relevant. Aus österreichischer Sicht spielt nur die börsennotierte FACC eine Rolle, die vom Innviertel aus die Branche mit Leichtbaukomponenten für Tragflächen, Triebwerksverkleidungen oder Gepäckablagen weltweit beliefert. Das Unternehmen wurde vor genau vor 35 Jahren als Spin-off der Forschungsabteilung von Fischer in Ried ausgegliedert und hat sich seither zu einem globalen Player der Luftfahrtindustrie entwickelt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr steigerte der Zulieferer seinen Umsatz auf 736 Millionen Euro und den operativen Gewinn vor Zinsen und Steuern auf 17,5 Millionen Euro. Die Langzeit-Orderbücher sind mit Aufträgen im Wert von 5,8 Milliarden US-Dollar gut gefüllt. „Nachdem die Branche 2020 wegen weltweiter Lockdowns zum Erliegen kam, rechnete man mit einer Erholungsphase von bis zu vier Jahren. Im Vorjahr wurden von Airbus und Boeing gemeinsam 3.670 Flugzeuge neu verkauft und 1.263 wurden ausgeliefert“, sagt CEO Robert Machtlinger.
Vertrauenskrise bei Boeing
Die Aussichten sind also gut, wenn keine unvorhergesehenen Zwischenfälle passieren, wie es bei Boeing der Fall war. Der US-Konzern steckt in der Dauerkrise, seit 2019 zwei Boeing-Flugzeuge des Typs 737-Max abgestürzt sind und 346 Menschen dabei ums Leben kamen. Nachdem heuer eine weitere 737 Max-9 während eines interkontinentalen Flugs einen Rumpfteil verlor, hat das Unternehmen umfassende Umstrukturierungsmaßnahmen angekündigt mit einschneidenden personellen Maßnahmen. Auch CEO David Calhoun muss Ende 2024 den Hut nehmen. Der Aktie, die auf einem Jahrestiefststand (10.04.) verharrt und seit dem 1. Jänner 27 Prozent an Wert eingebüßt hat, wird dennoch Potenzial zugeschrieben. Voraussetzung ist freilich, dass Boeing endlich seine Qualitätskontrolle in den Griff bekommt. Ende 2023 hatte der Konzern 5.600 Flugzeugbestellungen mit einem Gesamtwert von 441 Milliarden Dollar in den Büchern. Von 20 Analystenhäusern geben die meisten eine Kaufempfehlung für die US-Aktie ab. Das durchschnittliche Wachstumspotenzial an der Börse liegt bei 30 Prozent.
Airbus-Aktie profitiert
Nutznießer der Probleme bei Boeing ist der europäische Konkurrent Airbus. Alleine der erwähnte Zwischenfall von Boeing auf dem Alaska-Airlines-Flug, bei dem wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde, versetzte dem Aktienkurs von Airbus einen Schub nach oben. Seit Jahresbeginn legte die Airbus-Aktie um 19 Prozent zu. Bei Redaktionsschluss notierte die Aktie bei 170 Euro, ein Kursziel von 200 Euro wird von Analysten für möglich gehalten. Während Boeing im Vorjahr nur 528 Maschinen ausliefern konnte, waren es bei Airbus 735 Flugzeuge. Im laufenden Jahr sollen es 800 werden. Im vergangenen Jahr erreichte der Auftragseingang einen beeindruckenden Wert von netto 2.094 Flugzeugen, was dazu führte, dass der Auftragsbestand auf stolze 8.598 Verkehrsflugzeuge anwuchs. Diese enorme Zahl an Aufträgen abzuarbeiten ist ein Generationenprojekt. Die Umsätze des europäischen Konzerns stiegen im abgelaufenen Geschäftsjahr um 11 Prozent auf 65,4 Milliarden Euro – auch dank einer Optimierung der Lieferketten. „Das schwächste Glied der Kette ist derzeit die Ausbringung. Wir sind sicherlich nicht der Bottleneck, sondern sind sehr gut aufgestellt“, sagt Machtlinger. Die FACC arbeitet gerade ein 55 Millionen starkes Investitionsprogramm ab. Ein Großteil des Geldes fließt in ein neues Werk in Kroatien, aber auch am Standort Oberösterreich gibt es signifikante Investitionen. Auch in puncto Fachkräfte wird am großen Rad gedreht. Allein im Vorjahr zählte das Unternehmen 4.600 Bewerberinnen und Bewerber, führte mehr als 2.200 Job-Interviews und erhöhte den Mitarbeiterstand um 532 auf 3.500. Im Jahr 2024 soll die Belegschaft weiter auf 4.000 Mitarbeiter anwachsen, das sind zwischen zehn und zwanzig Neustarter pro Woche bei der FACC.
Steigendes Bedürfnis zu fliegen
Personalmangel und zu wenige Flugzeuge bremsen aktuell auch den Reiseboom, auch die Klimafrage und hohe Preise könnten sich negativ auf das Wachstum auswirken. Was die Zukunft betrifft, hat die Luftfahrt dennoch keine schlechten Karten, weil das Bedürfnis der Menschheit zu fliegen, global gesehen, steigt. Die ICAO, die internationale Zivilluftfahrtorganisation der Vereinten Nationen, prognostiziert eine Verdoppelung der Passagierzahlen weltweit bis 2040 im Vergleich zu 2018. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geht in einer aktuellen Prognose von einem Anstieg um rund 70 Prozent weltweit bis 2035 im Vergleich zu 2019 aus. Technisch gesehen macht die Luftfahrtindustrie laufend Fortschritte. Flugzeuge werden leichter, die Antriebe umweltfreundlicher. Der nächste Schub ist 2028 zu erwarten.
Wie wir künftig fliegen werden
Im Jahr 2042 werden voraussichtlich rund 48.000 Flugzeuge bei den Airlines weltweit im Einsatz sein. Der Trend geht dabei hin zu längeren Maschinen mit einer höheren Sitzplatzkapazität oder einer engeren Bestuhlung. Selbst Airbus erwartet eine Verdoppelung seiner Flotte. Gearbeitet wird auch an Wasserstoffantrieben, Flugtaxis und neuartigen Überschallflugzeugen. In den USA hat kürzlich ein bahnbrechendes Mischflügel-Demonstrationsflugzeug des Herstellers JetZero die Zulassung von der Flugbehörde erhalten. Das Flugzeug ist so konzipiert, dass es mit nachhaltigem Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) kompatibel ist und auch den Betrieb mit Wasserstoff ermöglicht.