Investoren beißen nicht
Es ist so weit! Österreich hat sein erstes „Unicorn“, sprich das erste Startup, dessen Firmenwert eine Milliarde USD übersteigt: Bitpanda. Die Wiener Kryptowährungshändler konnten allein 2020 Investments im Wert von 210 Millionen USD sammeln und so ihre Bewertung über die Milliardengrenze schieben. 1,2 Milliarden USD muss man nun hinblättern, wenn man das Startup zur Gänze kaufen will. Zugegeben, ganz so spektakulär ging es in Oberösterreich nicht zu, dennoch konnten einige Millionendeals abgeschlossen werden. Achtung Spoiler-Alarm: Investoren bezahlen nicht für einen überbordenden Lifestyle der Gründer. „Alles in allem leben wir alle auf sehr schlankem Fuß. In der Wachstumsphase sind die Gründer meist die Letzten, die Geld sehen“, schildert Sebastian Tanzer von triply und konkretisiert: „Wir haben teilweise weniger verdient als unsere geringfügig Angestellten. Gründer werden nicht so wie Manager in klassischen Unternehmen bezahlt.“ Und Investoren rennen einem (meistens) nicht die Bude ein. Man muss sich um sie bemühen, und die richtigen gezielt suchen, denn Geld allein macht Startups meist nicht glücklich.
Kunden in 130 Ländern
„Sich einen Investor auszusuchen ist, wie wenn man jemanden einstellen würde. Es dreht sich alles um Vertrauen“, erzählt Dominik Angerer, CEO und Gründer von Storyblok. Sein Unternehmen konnte insgesamt elf Millionen USD einsammeln, allein 8,5 Millionen in diesem Jahr. Storyblok bietet ein sogenanntes „headless CMS (Content-Management-System)“ an.
„Ein headless CMS verknüpft alle Kanäle wie WhatsApp, Signal oder auch Alexa. Man spricht daher auch von Omni-Channel-Systemen. Mit herkömmlichen Systemen muss man immer eine Schnittstelle bauen.“ Angerer und sein Co-Gründer Alexander Feiglstorfer arbeiteten beide in einer Agentur und standen vor einem Problem: „Es hieß, unser altes CMS würde auslaufen und wir bräuchten ein neues, also sahen wir uns am Markt um. Wir schauten uns die klassischen wie WordPress, Drupal oder Typo3 und einige Enterprise-Systeme an, wurden aber nicht fündig. Wir als Entwickler wollten aber etwas Dynamischeres. Manchmal waren die herkömmlichen Systeme zu komplex, und manchmal fühlten sie sich an wie langsame Datenbanken.“ Sie begannen, Storyblok zu programmieren und landeten damit einen Hit, weil das System eine Vorschau anbietet und damit nicht nur Entwickler, sondern auch Marketer zufrieden sind. „Die erste Version brachte bereits eine 60%ig schnellere Umsetzungszeit.“ Einer der Gründe für den Erfolg: „2021 werden wir – das können wir jetzt schon verraten – zum headless CMS des Jahres in Europa gewählt.“ Mittlerweile wurden 66.000 Projekte in 130 Ländern mit Storyblok umgesetzt. Kein Wunder, wenn das Investoren anlockt, wenngleich in diesem Fall auch viel Zufall im Spiel war.
Von VCs bombardiert
Der US-Branchenblog Crunchbase berichtete eher unabsichtlich, dass die Linzer Seed Capital suchen würden. „Da ging es richtig ab. Wir wurden von Investoren und VCs regelrecht bombardiert und bekamen an die 600 E-Mails. Wir haben uns via LinkedIn diese VCs genauer angesehen und uns schlaugemacht. So kamen wir zu Sam Endacott von firstminute.“
Angerer sprang ins Flugzeug in Richtung London. „Wir wollten ganz bewusst keinen Investor, der nur Geld gibt, sondern einen, der uns mit Know-how und Kontakten versorgt. Bevor sie bei uns investiert haben, haben wir kleine Challenges gesetzt, um zu sehen, wie sie uns weiterhelfen könnten. Das klappte sehr gut.“ firstminute investierte im Dezember 2019 2,5 Millionen USD. Angerer blieb weitere drei Monate in London, um nach Talenten zu suchen, die man mit dem frischen Kapital ins Boot holen könnte und knüpfte viele Kontakte. „Man muss die Leute finden, die verstehen, was du machst.“ Und die fand Storyblok. Obwohl ursprünglich keine zweite Finanzierungsrunde geplant war, gab es eine Menge Interessenten, so auch Mubadala Capital. „Im Juli 2020 gab es die ersten Gespräche, Ende 2020 war es dann so weit.“ Die zweite Runde brachte 8,5 Millionen USD. Innerhalb eines Jahres hat Storyblok somit elf Millionen USD eingesammelt. Mittlerweile arbeiten 34 Mitarbeiter aus zwölf Nationen in neun Ländern für das Startup. „Wir sind eine klassische Remote Company, weil wir unsere Talents überall in der Welt suchen und finden.“
Bloß keine Schönwetterkommunikation
Storyblok nutzt nicht nur das Kapital der Investoren, sondern auch deren Netzwerk und Expertise. „Investoren beißen nicht“, betont Angerer und verrät einen weiteren wichtigen Faktor, um Geldgeber bei der Stange zu halten: „Wir berichten unseren Investoren ganz genau und ungeschönt. Wenn es Probleme gibt, dann werden die auch angesprochen. Viele trauen sich das nicht. Das wäre dann so, als wenn man bei willhaben ein geiles Auto findet, hinfährt und dann feststellt, dass es keinen Motor hat. Ein Investor hat eine gewisse Sicht der Firma. Je mehr man mit ihm teilt, desto mehr kann er für einen tun und helfen. Oft hat er das Problem, das du gerade hast, schon 20-mal woanders gelöst.“
Netzwerken zahlt sich aus
Sebastian Tanzer von triply – quasi ein Nachbar von Storyblok in der Linzer Tabakfabrik – sieht das ähnlich: „Das Wichtigste sind Vorbereitung und Netzwerken, natürlich ist auch viel Glück bei der Investorensuche dabei.“ triply beschäftigt sich mit „Upscore Mobility“. „Wir gründeten triply auf Basis unserer Diplomarbeiten.
Wir kommen beide vom Land und konzipierten ein Modell einer Art ländliches Sammeltaxi. Zuletzt stürzten wir uns auf Shuttles für Events. Das hätte Anfang 2020 losgehen sollen, aus bekannten Gründen kam es nicht dazu. Unser Glück war aber, dass wir uns schon ein halbes Jahr zuvor generell in den Bereich Mobilität eingearbeitet haben, deshalb gibt es uns heute noch. Mitte 2019 starteten wir ein Forschungsprojekt. Hätten wir das nur ein paar Monate später gestartet, wäre triply wohl schiefgegangen.“ triply ist ein Software- und Beratungsunternehmen. Die Schwerpunkte liegen auf der einen Seite beim Thema „Nachhaltigkeit“, gleichzeitig will man auf der anderen Seite eine Landflucht verhindern. „Wo wenig Infrastruktur vorhanden ist, braucht es nachhaltige Lösungen, die sich ökologisch und ökonomisch auswirken.“
Reden ist Gold – pardon: Geld
Der erste Investor von triply war Thomas Blaschke: „Allerdings nicht klassisch als Kapitalgeber, sondern als Know-how-Geber. Er ist schließlich Professor für Geoinformatik. Unser Ansatz war es am Anfang, Zugang zu Wissen und Daten zu generieren. Wir sind jung und haben kein Haus, das wir abbezahlen müssen, deshalb war uns ein reiner Kapitalgeber am Anfang nicht so wichtig.“ Sebastian Tanzer und seine Gründerkollegen Christopher Stelzmüller sowie Dominik Gugler besuchten so viele Startup-Veranstaltungen wie möglich. „Wir haben da immer über unsere Ideen und unser Unternehmen gesprochen. Viele halten damit hinter dem Berg, aber das ist falsch. Sprecht so viel wie möglich mit so vielen wie möglich über eure Vision. Investoren sind immer auf der Suche. Man sollte daher rechtzeitig Beziehungen aufbauen, um sie zu nutzen, wenn man sie braucht.“ Und man hatte sie bei der Hand, als triply sie brauchte: „Bei unserer tatsächlichen Finanzierungsrunde kam ein Teil der Geldgeber aus dem Netzwerk, ein anderer von tech2b. Bei uns wurde in erster Linie Eigenkapital für ein Forschungsprojekt investiert.“ Rund 70 Prozent des Kapitals „fließen gefühlt in neue Mitarbeiter“, ein weiterer Teil in die Forschung.
Strenge Rechnung, gute Freunde
Das Geheimnis für ein solides Investment liegt laut Tanzer nicht nur in der guten Idee oder dem Gründungsgegenstand, sondern oft bei scheinbar Selbstverständlichem: „Um an einen Investor zu kommen, muss man seine Zahlen sauber beisammenhaben. Das zeugt von Professionalität.“ Und noch etwas rät Tanzer seinen Startup-Gründerkollegen: „Unglaublich wichtig sind natürlich die Sympathie und die Chemie zwischen Gründern und Investoren. Lieber weniger Geld akzeptieren und gut miteinander auskommen, als mehr anzunehmen und die Chemie passt nicht. Man verbringt mit den Leuten nicht gerade wenig Zeit, und wenn die Beziehungsebene nicht passt, wird das nichts.“ Investoren sind auch Mentoren, von denen man viel lernen kann. „Sie haben meist einen großen Erfahrungsschatz; wenn es einmal brenzlig wird, wissen sie, was zu tun ist.“ Im Vorfeld sollte man sich deshalb genau über die potenziellen Investoren informieren. „Am besten mit Startups, wo diese schon investiert haben, um zu wissen, wie sie ihre Rolle anlegen. Und vor allem: Es geht nicht um Geld allein, sondern es geht um Smart Money, also wie kann mich der Investor mit seinem Wissen und seinem Netzwerk voranbringen.“
Vom User zum Investor
Neben Smart Money geht es natürlich auch ums Geld, denn ohne Geld keine Musik. So auch bei tonestro. Die Lern-App für Blasinstrumente aus Wartberg ob der Aist konnte 2020 eine zweite Investmentrunde erfolgreich abschließen und zog dabei einen Investor an Land, der genau weiß, um was es geht. „Ich habe in LinkedIn und Xing nach Investoren gesucht, die bei ihren Interessen Musik angaben, und alle Business Angels angeschrieben. So haben wir unseren zweiten Investor gefunden, der noch dazu ein Blasmusiker ist. Das ist natürlich ideal, wenn der Investor auch Nutzer ist, denn es ist sehr wichtig, dass er ein Verständnis für das Produkt hat“, berichtet Heinrich Huber, Gründer von tonestro. Auch Huber und sein Gründerteam haben für die erste Finanzierungsrunde alle Pitch-Veranstaltungen abgeklappert, die es gab, sogar in Deutschland.
„Eine der besten Veranstaltungen, die ich kenne, ist der Business Angel Summit in Kitzbühel. Dort kommen auch namhafte Investoren hin. Am zweiten Tag sitzt man auf einer Almhütte in gemütlicher Atmosphäre beisammen. Auf zwei Start-ups kommen da zehn Investoren. Unseren ersten Investor haben wir dort kennengelernt.“
Nicht die Kontrolle verlieren
Mittlerweile hat tonestro zehn Apps im Programm – neun Instrumente und eine mit „allen Neunen“ – und kann bereits auf 600.000 internationale Downloads verweisen. „Das aktuelle Investment geht in die Weiterentwicklung.“ Am 7. November 2017 wurde tonestro offiziell gegründet, ein Jahr später hatten die Mühlviertler den ersten Kapitalgeber an der Angel. „Das war sehr intensiv. Wir mussten Verträge aufsetzen, Dinge, die von vielen Startups sträflich vernachlässigt werden. Es muss alles klar geregelt sein. Das kostete richtig viel Zeit.“ Huber rät Startups, gerade mit mehreren Gründern, dass man die Kontrolle des Unternehmens nicht aus der Hand geben darf. „Es wird in diversen Shows immer so dargestellt, dass die Investoren 25 Prozent plus eine Stimme wollen, doch das ist gefährlich. Wir haben uns deshalb sehr gut vorbereitet, was unsere Bewertung betrifft.“ Und noch einen Tipp hat Huber parat: „Je größer die Summe, desto weiter muss man seine Fühler ausstrecken.“ Österreich bietet zwar ein gutes, überschaubares Biotop und eine vorbildliche Förderlandschaft, doch stößt man bei der Kapitalsuche schnell an seine Grenzen.
Pierbach – Rio – Tokio
tonestro hat mittlerweile zehn Mitarbeiter, von denen neun ein Instrument spielen. Kurioserweise Hubers Sohn Christoph, der in Hagenberg studierte, nicht. „Das ist aber kein Nachteil, weil er Dinge anders sieht, nicht so sehr in der Materie drinnen steckt.“ Christoph Huber war es auch, der von seinem Vater, der auf der Suche nach digitaler Unterstützung für sein Klarinettenspiel war, den Auftrag bekam, nach einer solchen App zu suchen. Die gab es aber nicht. „2015 wurde dann Runtastic verkauft und im Zuge dessen dachte ich mir, dass es für Sportler viele Apps gibt, aber nichts für Musiker.“ Ursprünglich von Pierbach aus startete die Erfolgsstory von tonestro. „Unser Markt umfasst neben dem DACH-Raum auch die USA und Lateinamerika. Die Apps gibt es in vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch.“ Den internationalen Approach will man beibehalten. „In Österreich haben wir eines der besten Musikschulsysteme der Welt. Doch es gibt viele Regionen, speziell in Asien, in denen eine Musikausbildung extrem viel Geld kostet. Unser Ziel ist es, leistbare hoch qualifizierte Musikausbildung weltweit anzubieten und das orts- und zeitunabhängig.“ Man kann mit null starten oder auch als Fortgeschrittener einsteigen. Von null auf ging es für alle drei Startups mit kluger, weitsichtiger Planung und einer gezielten Investorensuche steil bergauf. Und wer weiß, vielleicht sind auch sie bereits auf dem Weg zum „Unicorn“.