Hundenahrung: Ach du dicker Hund!
Die Aufregung war groß, als im Juni 2022 das deutsche Kartellamt den Verkauf der größten Tierklinik des Landes – in Hofheim am Taunus – unter die Lupe nahm. Der Käufer, „IVC Evidensia“, war bis dahin einer breiten Öffentlichkeit unbekannt. Mehrheitseigentümer der IVC Evidensia ist der schwedische Investmentfonds EQT. Deren CEO Christian Sinding baute den Konzern zum größten Vet-Med-Anbieter Europas aus. IVC Evidensia beschäftigt in seinen Tierarztpraxen und -kliniken 28.000 Mitarbeiter in 13 Ländern. Ein genauer Blick in die Beteiligungsverhältnisse zeigt aber einen weiteren spannenden Shareholder: Nestlé Purina (Purina, Felix, Gourmet). Der größte Hersteller für Haustiernahrung in Europa könnte mit seinen Produkten mehr Einfluss auf die Haustierbesitzer bekommen, so die Kritik. Produkte, die viele Tierbesitzer für Unverträglichkeiten, Gelenksproblemen oder Übergewicht verantwortlich machen. Wird also der Bock zum Gärtner?
Droht ein Tierarztkartell?
Doch Nestlé ist nicht der einzige globale Konzern, der in diesem Sektor mitmischt. Auch die Tierklinikkette AniCura ist stark im Geschäft. Hinter AniCura steckt der Mars Konzern. Der größte Tierfutterhersteller der Welt (Pedigree, Whiskas, Royal Canin) betreibt mittlerweile rund 500 Praxen und Kliniken in Europa. Die Marktmacht der beiden Riesen ist in Großbritannien bereits sichtbar. Sie zeigt sich in stark steigenden Tierarztkosten. Die britische Mail Online schrieb davon, dass „Haustierbesitzer in UK mit unglaublichen Preissteigerungen rechnen müssen“. In Österreich ist die Zahl der Praxen in Konzernhand noch relativ überschaubar: Evidensia betreibt gerade einmal zwei Standorte, AniCura sechs.
Preissteigerungen bis zu 60 %
Doch warum verkaufen Tierärzte ihre Praxen überhaupt? Wie in fast allen Branchen steckt auch hier der Fachkräftemangel dahinter. In Österreich geht in den nächsten zehn Jahren knapp die Hälfte aller selbstständigen Tierärzte in Pension. Veterinärmediziner für Nutztiere werden noch dringender gesucht. Nachfolger sind rar gesät, und das hat seine Gründe: Eine sehr lange Studiendauer mit einem Curriculum, das noch fordernder ist als in der Humanmedizin, ungeregelte Arbeitszeiten und hohe Investitionen in die Praxis setzen dem ehemaligen Traumberuf massiv zu. Dabei wäre das Geschäft mit den Haustieren durchaus lukrativ: Rund 600 Millionen Euro geben die Österreicher für die ärztliche Versorgung von Hund, Katz, Hamster und Co. aus. Rund 1,1 Milliarden fließen in die Ernährung der Haustiere. Das Marktvolumen hat sich von 2015 bis 2023 verdoppelt, nicht zuletzt dank saftiger Preissteigerungen von bis zu 60 Prozent. Zwischen 2021 und 2023 stieg der Preis für Marken-Tierfutter im Schnitt um rund 28 Prozent. Knapp ein Drittel der österreichischen Haustierbesitzer gibt mehr als 100 Euro pro Monat für die Verpflegung ihrer Vierbeiner aus. Im Fokus stehen wieder die beiden Marktführer – die Nummer eins Nestlé Purina, knapp gefolgt von Mars PetCare. Beide teilen sich etwas mehr als die Hälfte des gesamten (Hunde)Kuchens.
Jedem Hund sein eigenes „Fressi“
Doch der Trend zur Marktkonzentration provoziert einen Gegentrend. Pionier bei frisch gekochtem, individualisiertem Hundefutter im DACH-Raum ist hellobello. Der gebürtige Gmundner Wolfgang Maurer kann mittlerweile auf Investoren wie Michael Hurnaus (tractive) oder Square One Foods (Spitz) verweisen. Produziert wird in Oberösterreich. „Wir stellen ein Premiumprodukt her, lokal, hochwertig und individuell. Das schützt uns vor Konkurrenz, weil es nicht so leicht nachzumachen ist.“ Auch wenn sich Maurer klar ist, dass die frisch gekochten und tiefgekühlten Produkte ihren Preis haben, sieht er steigendes Bewusstsein bei den Kunden, die zu 70 Prozent online bestellen: „Schlechte Ernährung kann sich in ein paar Jahren teuer auswirken.“ Er sieht auch eine gewisse Verantwortung beim Kunden: „Babys und Hunde können sich nicht aussuchen, was am Teller landet.“ Die Kunden honorieren das. Seit der Gründung wächst hellobello jährlich um 150 Prozent.
Zurück zum Ursprung?
Auch Nicole Bundhooa, Inhaberin von „Pets Bio World“ in Appersberg, kann sich über regen Kundenzulauf freuen. Die Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen hat sich auf „Barfen“ spezialisiert. Barf steht für „Biologisches artgerechtes rohes Futter“. Zu Bundhooas Stammkunden zählen vor allem Hundebesitzer, deren Vierbeiner unter Krankheiten zu leiden haben. Als sie vor Jahren selbst auf den Hund kam, stand sie genau vor diesem Problem. Ihr Beagle fraß wenig und litt unter Verdauungsstörungen. Tierärzte standen mit ihrem Latein an: „Die Ernährung ist im Studium nur ein Randthema, sogar Veterinärmediziner fragen mich um Rat.“ In ihrer Manufaktur bereitet sie Rohfutter und Gemüsemischungen vor, die auf den jeweiligen Hund individuell abgestimmt sind.
Unverträglichkeiten steigen
An Nestlé und Mars lässt sie naturgemäß kein gutes Haar. „Warum haben so große Lebensmittelkonzerne Tiernahrung im Programm? Weil bei der Produktion Schlachtabfälle anfallen, die dann verwertet werden können. Dazu kommt billiges Tiermehl aus China.“ Für Bundhooa ist es daher kein Wunder, dass immer mehr Haustiere Probleme bei der Nahrungsverträglichkeit haben. Trockenfutter lehnt sie generell ab. „Ein Hundeleben ist so kurz. Sie durchlaufen in maximal 15, 16 Jahren ein Leben, wie wir in 80, 90. Mit einer artgerechten Ernährung kann ich dieses Leben nicht nur verlängern, sondern sie vor Folgeerkrankungen, die hohe Tierarztkosten verursachen, bewahren. Diese Schwierigkeiten begannen mit der Einführung von Trockenfutter. 50 Jahre später sieht man die Auswirkungen.“ Zudem sieht sie die Züchter und Halter in der Pflicht: „Ich bekomme einen Hals, wenn es heißt, dass etwa der Hund nicht mehr mit dem Wolf verwandt sei. Sie sind zu 99,9 Prozent genetisch verwandt. Vegetarische Fütterung ist daher nicht artgerecht. Kein Tier wird nur für Tierfutter geschlachtet.“ Mit den Unverträglichkeiten steigt auch die Nachfrage nach alternativen und abgestimmten Ernährungsformen. Eine Nachfrage, die an Bundhooas Grenzen stößt. „Wir schauen darauf, sehr hochwertige Produkte zu bekommen, doch die findet man nicht im Großhandel.“ Gerade bei Bioschaf- und Bioziegenfleisch gäbe es massive Engpässe. „Die werden meist an der Schaf- und Ziegenbörse verkauft.“ Dazu ist die Biozertifizierung für viele Landwirte zu aufwendig.
Hollywoodreifes Tierfutter
Gesunde Tiernahrung im Kontrast zu den globalen Produzenten liegt also im Trend. Zu Trendsettern werden viele Celebritys, die nun ihre eigene Brand auf den Markt bringen. Schauspielerin Katherine Heigl ebenso wie Lilly Singh, Will Smith und Odell Beckham Jr., die gemeinsam die Tierfutterlinie „Jinx“ lancierten. Der Sänger John Legend und seine Frau Chrissy Teigen gründeten die Luxusmarke „Kismet“. Die Preise sind ebenso prominent. Ein 300-Gramm-Pack mit Leckerlis kostet da schon einmal 16,90 Euro. Das können sich viele nicht leisten. Sie müssen wohl weiterhin auf das Sortiment der Großkonzerne zurückgreifen.