Firma zu verschenken
Yvon Chouinard stand mit 22 Jahren vor einer steilen Herausforderung. Er wollte die „Big Walls“, also die riesigen Felsen im Yosemite-Tal erklettern, doch dieses Vor- gehen hatte einen Haken – bzw. genau genommen keine Haken –, denn dem US-Amerikaner fehlte das Geld für die Ausrüstung. Big Walls sind so „big“, dass man, um sie zu bezwingen, im Fels biwakieren muss, dazu sind besondere Haken vonnöten – und die kosteten viel Geld. Der junge US-Amerikaner schritt daher selbst zur Tat, besorgte sich Schmiedewerkzeug und fertigte seine eigenen Haken. Haken, die so gut waren, dass seine später gegründete Firma Chouinard Equipment 1970 zum größten Unternehmen für Bergsteigerausrüstung wurde. Doch es gab wieder einen Haken. Der heute 83-Jährige wollte mit seinen Produkten die Felswände nicht mehr verschandeln und stieg 1972 aus dem eigenen Unternehmen aus. Es sollte etwas Nachhaltigeres entstehen, etwa Outdoorkleidung, die aus recyceltem Kunst- stoff besteht – Patagonia, benannt nach seiner Lieblingsregion, war geboren.
Drei Milliarden Dollar an die Allgemeinheit abzugeben
Patagonia war von Beginn an anders. Ein Prozent des Umsatzes sollte im Rahmen der von ihm gestarteten Initiative „One Percent for the planet“ an Umweltprojekte gehen. Und nun der ultimative Coup: Yvon Chouinard verschenkt alle seine Anteile an Patagonia an zwei Stiftungen, die sich für Klimaschutz und Artenvielfalt einsetzen. Seine Frau und seine Kinder machten es ihm nach. Anteile im Wert von drei Milliarden US-Dollar. „Anstatt an die Börse zu gehen, kann man etwas Sinnvolles damit machen“, meinte er im Zuge der Bekanntgabe dieses Deals. Zugegeben nicht der erste Deal dieser Art – vor allem US-Startups werden von ihren Gründern des Öfteren gemeinnützig verschenkt – aber der wohl spektakulärste.
Steuerbefreiung bei Gemeinnützigkeit
Wäre Patagonia ein österreichisches Unternehmen, wäre dieses Verschenken in der Form überhaupt möglich? Stiftungsexperte Christoph Szep, Partner bei der Linzer Anwaltskanzlei Haslinger Nagel bringt eine überraschende Antwort: „Es wäre sogar etwas einfacher und attraktiver als in den USA. Unsere österreichische Rechtsordnung bietet ein Instrumentarium, mit dem ein solches Vorhaben ohne Weiteres umgesetzt werden könnte.“ Allerdings ist das kaum der Fall. Stiftungen werden meistens privat eingesetzt: „Sie haben in den letzten 25 Jahren einen anderen Touch bekommen und werden gerne als eine Art höchste Ebene der Gesellschafter verwendet.“ Privatstiftungen, etwa von Familienbetrieben, begünstigen die Familie, doch: „Es wäre möglich, daraus eine gemeinnützige Stiftung zu errichten.“ Diese muss „bestimmte Zwecke verfolgen“. Die Gemeinnützigkeit muss ganz exakt definiert werden. Bekommt die Stiftung das Prädikat „gemeinnützig“ verliehen, fällt sogar die Stiftungseingangsteuer (2,5 Prozent) weg. Selbst Gewinne aus dieser Stiftung können steuerfrei fließen.
Patagonia hätte in Österreich Steuern gespart
Doch so einfach ist das natürlich nicht. Die wegfallenden Steuern könnten zu einer missbräuchlichen Verwendung gemeinnütziger Stiftungen verlocken. Die Behörden überprüfen daher regel- mäßig, ob die Gemeinnützigkeit aufrecht ist. „In Österreich sind solche Stiftungen noch sehr selten. In Deutschland ist das Stiftungswesen deutlich mehr in diese Richtung ausgestaltet. Doch, wie gesagt, die Ausgangslage bei uns ist sehr attraktiv. Im Fall von Patagonia wurden in den USA sogar Steuern ausgelöst, die man sich in Österreich sparen hätte können.“ Wer hätte das gedacht? Gemeinnützigkeit ist eng definiert Doch wie bei Chouinards ursprünglichem Geschäftsmodell gibt es auch hier einen Haken: „Die Definition, was ein gemeinnütziger Zweck ist, ist in Österreich sehr streng und eng geregelt. Es ist sehr konservativ ausgeprägt und stark eingeschränkt. Fakt ist, es muss aus- schließlich und unmittelbar der Allgemeinheit dienen.“ Mitarbeiterbeteiligungen oder sogar Zweckwidmungen für einzelne wohltätige Vereine sind da zu wenig, weil sie nur einen abgeschlossenen Kreis bedienen und eben nicht der Allgemeinheit zugänglich sind. Szep rät daher, die Gemeinnützigkeit gemeinsam mit den Behörden zu diskutieren und klar zu definieren. Noch ist die Zahl von gemeinnützigen Stiftungen „verschwindend gering“, es gibt sie vorerst nur für „Teilbereiche, etwa bei der Unterstützung von in Not geratenen Arbeitnehmern oder Immobilien, die gemeinnützigen Zwecken dienen“, so der Experte. Doch er kann sich vorstellen, dass gemeinnützige Stiftungsmodelle, mit denen Unter- nehmen an die Allgemeinheit verschenkt werden, langsam mehr werden könnten, allerdings mit einer Einschränkung. „In Österreich gibt es nicht so viele mächtige Vermögensansammlungen wie in den USA, der Schweiz oder Deutschland. Im Mittelstand gibt es zwar eine große Vielzahl von wertvollen Unternehmen, aber die Bereitschaft größere Vermögenswerte der Allgemeinheit gemeinnützig zugänglich zu machen, ist wenig ausgeprägt.“ An den rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen scheitert das allerdings nicht.