Es geht steil bergauf
Eine Hand nach der anderen tastet sich die steile Wand empor. Die Füße suchen nach Vorsprüngen, an denen sie Halt finden können. Das Ziel der Kletterin liegt über ihr. Nur noch wenige Zentimeter, doch plötzlich verlässt sie die Kraft. Ihr Griff war zu locker und die Füße verlieren den Halt, sie fällt. Die Landung ist jedoch sanft und die Kletterin macht sich schon für den nächsten Versuch bereit. Das ist Bouldern. Ohne Sicherung kraxeln Sportenthusiasten auf Steilwände, die wenige Meter hoch sind. Der Begriff kommt von englisch „boulder“, denn ursprünglich wurde der Sport an Felsblöcken praktiziert. Heute findet man Boulder-Fans vor allem bei künstlichen Kletteranlagen herumhängen.
Aufstieg zum Breitensport
Dass der Trendsport Bouldern in den letzten Jahren einen so beeindruckenden Aufstieg hingelegt hat, hat sicherlich einige Gründe. Klettern trainiert beinahe alle Muskelgruppen und ist förderlich für die Haltung. Ein guter Ausgleich für Bürohengste also. Alexander Richter, Geschäftsführer der boulderbar Salzburg GmbH, zu der auch die Boulderbar in Leonding gehört, kennt die Gründe für den explosionsartigen Popularitätsanstieg: „Ein wichtiger Grund ist die Niederschwelligkeit.“ Im Gegensatz zum konventionellen Klettern benötigt man keinen Partner, der sichert, keinen Kurs und keine Kletterausrüstung. „Ein ganz großer Punkt ist auch der Lifestyle. Die Boulderhalle ist ein Ort, an dem sich alle begegnen können.“ Bouldern ist also spielerisch, gesund, niederschwellig und man kann es gemeinsam machen. „Die Boulderhallen sprießen aus dem Boden wie Schwammerl im Wald“, sagt Richter. Die meisten großen Ballungszentren besitzen mittlerweile bereits zumindest eine Location. Ein Tagesausflug in die Alpen kann so durch einen Abend in der Kletterhalle ersetzt werden.
Dreadlocks und Zweiteiler
Das Publikum in der Zielgruppe hat sich in den letzten Jahren stark verändert. „VW-Bus, Dreadlocks und auch im Sommer mit Haube – so konnte man vor zehn Jahren den typischen Boulderer beschreiben“, scherzt Richter, „inzwischen bouldert aber jede Gesellschaftsschicht. Auch Anzugträger kommen zu uns und ziehen sich dann um.“ Auch die Boulderhalle mussten sich anpassen. „Mit dunklen Kammern holt man heute niemanden mehr ab“, meint der 34-Jährige, „es müssen lichtdurchflutete Räume sein mit Gastronomie, damit die Menschen hier auch ein paar Stunden verbringen wollen.“ In kommerziellen Hallen gibt es meist verschiedene Kletterwände, um alle Fortschrittsgrade bedienen zu können. Daher eignet sich der Sport auch hervorragend für Teambuildingaktivitäten. „Wir bieten aktiv Programme für Betriebsausflüge an“, so Richter, „Menschen können beim Bouldern sehr schnell Erfolgserlebnisse haben und das ist für die Teamdynamik großartig.“
Bouldern als Spitzensport
Für Richter ist Bouldern bereits ein Breitensport. Viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund treffen in den Hallen aufeinander. Die Community und der urbane Charakter sind wichtige Merkmale des Sports. Prominente Boulderer kennen jedoch die wenigsten. Eine Diplomarbeit von Daniela Holzmeier ergab, dass nur 8 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen bekannte Athleten benennen können. Skisport oder Fußball erreicht man hier lange nicht. Der Popularität des Sports tut dies jedoch keinen Abbruch. „Urbane Legenden“ gibt es als Vorbilder in jeder Community. Möchte man den Popularitätsanstieg mit Zahlen untermauern, kann man beispielsweise auf unseren Nachbarn Deutschland blicken. Laut Statista gab es 1990 lediglich 20 Hallen in der Bundesrepublik. 2021 waren es bereits 535. Und auch bei uns ist Bouldern weiterhin auf Erfolgskurs. 2022 hat – wenige Monate vor der Boulderbar – das deutsche Unternehmen „der Steinbock“ in der Kapuzinerstraße in Linz eröffnet. „Und auch in Salzburg gibt es mittlerweile zwei Boulderhallen, die sehr gut laufen, weil die Nachfrage einfach da ist“, erzählt Richter.
Sieben Boulderbars in zwölf Jahren
Die Erfolgsgeschichte der Boulderbar begann 2012 im 20. Wiener Gemeindebezirk. Mittlerweile sind es zwei Gesellschaften mit insgesamt sechs Standorten. Die Boulderbar in Leonding ist derzeit noch der neueste Zugang und wurde vergangenes Jahr eröffnet. Im Frühsommer kommt jedoch bereits der siebte Standort dazu. „Mit der Boulderbar haben wir einen Nerv getroffen“, erzählt Richter. Der 34-Jährige bouldert nach eigener Aussage bereits sein ganzes Leben lang. Zur Boulderbar kam er, als diese im Winter 2015/16 nach Salzburg expandierte. Er begleitete das Projekt von Anfang an. „Vor allem junge Menschen haben damals in Salzburg einen Begegnungsraum gesucht, den wir ihnen bieten konnten.“ Aufmerksamkeit erregte man durch Konzerte und Partys und dadurch konnte man rasch eine Community aufbauen. Die Voraussetzungen in Linz sind jedoch andere. Im Gegensatz zu Salzburg in 2016 ist das Angebot in Linz bereits viel breiter. „Wir wollten in Linz eigentlich schon jahrelang etwas machen“, lässt Richter wissen. Letzten Endes konnte man den Traum auf einem Grundstück nahe der Plus City verwirklichen. „Es war eine riesige Aufgabe, dieses Projekt aufzuziehen, und immer wieder gab es Verzögerungen“, meinte Michael Zöchling, Geschäftsführer der Boulderbar Linz nach der Eröffnung im Frühling 2023. Da die Gemeinde damals auf eine Zusatznutzung bestand, hatte man eine unkonventionelle Idee: eine Boulderhalle mit Hotel. „Das Konzept greift ganz gut“, sagt Richter, „im Hotel haben wir als Zielgruppe klassisch den Geschäftsreisenden. Spannend wird es, wie wir den zum Bouldern bringen.“ Auch hier spielt der Begegnungsraum eine wesentliche Rolle: In der Hotelbar bekommen die Gäste die Boulderer zu Gesicht und werden so neugierig. Manch ein beruflich Angereister wird wohl im Anzug nach Hörsching fliegen und mit Sportkleidung nach Hause. Damit trägt Linz den Bouldersport in die Welt hinaus.