Eigene Mitarbeiter als wichtigste Kraft im Recruiting
Im Kampf um jede Arbeitskraft geben Unternehmen ihr Bestes, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Im Grunde aus purem Eigennutz, denn Arbeitgeberattraktivität, so belegen Studien, steigert die Unternehmensleistung um 19 Prozent. Irgendwie muss man also seine Mitarbeiter halten und neue anlocken. Denn von einem baldigen Ende des Fachkräftemangels ist keine Spur. Auch wenn Experten aufgrund der weiter steigenden Inflation, die die Kaufkraft abwürgt, einen starken Wirtschaftseinbruch prognostizieren, erwartet etwa das Münchner Ifo-Institut keine „schweren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“. Die Ökonomen rechnen zumindest für Deutschland nicht mit Massenentlassungen, sondern eher mit Kurzarbeit, um die Mitarbeiter irgendwie im Unter- nehmen halten zu können. Denn bis- lang ist der Beschäftigtenmangel sogar deutlich gefährlicher für die Wirtschaft als der Nachfragemangel: In der jüngsten Ifo-Umfrage für die EU-Kommission vom August gab knapp die Hälfte aller Dienstleister an, der Fachkräftemangel behindere ihre Geschäfte. In der Industrie waren es 42 Prozent.
Mundpropaganda
Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen zwei Jahren komplett gewandelt: Konnten Unternehmen früher mit cooler Büroausstattung, außergewöhnlichen Teambuilding-Events und ähnlichen Goodies punkten, haben solche Benefits seit Corona an Bedeutung verloren. Die Frage „Was ist ein guter Arbeitgeber?“ stellt sich neu. Doris Palz, Managing Director bei Great Place to Work, das
jedes Jahr Unternehmen als „Österreichs beste Arbeitgeber“ zertifiziert, weiß, was die beste Werbung ist: Mundpropagan- da. „Bis zu 50 Prozent der neuen Mitarbeiter kommen über Empfehlung der eigenen Mitarbeiter. Heute sind sie die wichtigste Kraft im Recruiting.“ Und was macht nun die Mitarbeiter so zufrieden, dass sie ihren Arbeitgeber auch ihren Freunden weiterempfehlen würden?
Menschen im Mittelpunkt
„Gute Arbeitgeber wissen, dass die Mitarbeiter wesentlich für ihr Unternehmen und dessen Erfolg sind. Aus diesem Grund achten sie darauf, eine Unternehmenskultur auszugestalten, in der Ver- trauen die Grundlage ist.“ Dies gelinge durch positive Vorbildwirkung des Managements und der Führungskräfte, durch aktive und transparente Information und Kommunikation sowie durch Förderung der Mitarbeiter. „Einerseits geht es um die fachliche Förderung im Sinne von Weiterbildung, dann geht es um persönliche Förderung im Sinne des Mutmachens, sich aktiv mit Ideen einzubringen. Und schließlich geht es darum, den Menschen in seiner Persönlichkeit zu stärken“, so Palz. Natürlich spielt auch die Berücksichtigung von Work-Life-Balance und Gesundheit eine Rolle. „Ein guter Arbeitgeber fördert das Miteinander, sodass sich gegenseitig bereichernde Teams entstehen, aus denen nicht nur gute Leistungen hervorgehen, sondern auch die Stärke, herausfordernde Aufgaben und Zeiten gemeinsam zu bewältigen.“ Wenn Menschen im Mittelpunkt stünden und Klarheit über den Zweck der Tätigkeit herrsche, erzählen Mitarbeiter auch im Freundeskreis positiv über ihren Arbeitgeber. Palz rät Unternehmen: „Anonyme Mitarbeiterbefragungen geben Hinweise, wo es gut läuft und wo weniger. Damit kann an den Rahmenbedingungen mit den Mitarbeitern gearbeitet werden.“
Sicher und flexibel
Um attraktiv zu sein, lassen sich Unternehmen derzeit viel einfallen, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre: Stark im Trend sind die Viertagewoche, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice bis hin zu Workation. Doch sind das die Dinge, die wirklich neue Kräfte anlocken? Die Employer-Branding-Agentur Universum befragte 11.000 Studierende an österreichischen Unis und Hochschulen im vergangenen Jahr, was für sie einen Job interessant macht. Für sie zählt nach wie vor ein attraktives Einstiegsgehalt als wichtigstes Kriterium. Sie erwarten sich ein durchschnittliches Jahresbruttogehalt von 37.000 Euro (Wirtschaft), 40.000 Euro (Technik/IT) und 35.000 Euro (Naturwissenschaften). Neu sei laut den Studienautoren unter den Top 10 der Wunsch nach einer sicheren Anstellung und flexiblen Arbeitsbedingungen.
Gefragteste Arbeitgeber
Unternehmen punkten aber auch mit soften Faktoren: „Junge Menschen legen großen Wert auf Sinnhaftigkeit der Tätigkeit und eine freundliche Arbeitsumgebung. Immer wichtiger werden Werte wie Respekt, Inklusion oder soziale Verantwortung“, so Studienleiter Benedikt Strobl. Das bestätigt auch Palz: „90 Prozent der Menschen, die sich am Arbeitsmarkt umschauen, erkundigen sich über die Kultur der Unternehmen. In Zeiten der sozialen Medien ist das auch rasch erledigt.“ 86 Prozent der Jungen sagen klar, dass sie sich nicht bei einem Unternehmen bewerben, das einen schlechten Ruf hat. „Das betrifft auch die Art und Weise, in der Unternehmen mit der Umwelt umgehen.“ Universum fragte auch die für die Studenten attraktivsten Arbeitgeber ab. Den größten Sprung machte das Pharmaunternehmen Pfizer: Es liegt bei den Studierenden der Naturwissenschaften als Top-Arbeitgeber auf Platz 1. Google wurde als Top-Arbeitgeber unter Technik- und IT-Studierenden von Siemens überholt. Der ORF ist bei Studierenden der Wirtschaftswissenschaften auf Platz 5 der beliebtesten Arbeitgeber gerückt und liegt damit hinter Red Bull (Platz 1), Google, UN und McKinsey.