Die Wende am Immobilienmarkt
Mit dem Einläuten der Zinswende im Juli 2022 lädierte die Europäische Zentralbank den europäischen Immobilienmarkt. Ein Beispiel für den drastischen Einbruch bietet das Immobilien-Franchise-Unternehmen RE/MAX. Von 2022 auf 2023 ging der Umsatz um 5,15 Mrd. Euro bzw. 23,7 Prozent zurück. 2024 begann der Markt sich wieder ein klein wenig zu erholen, die Verkäufe waren aber auch im ersten Halbjahr weiterhin rückläufig. RE/MAX beklagt einen Umsatzrückgang von 3,22 Mrd. Euro. Die Nachfrage nach Immobilien erreichte 2022 ihr Hoch, seither gibt es jedoch einen gravierenden Angebotsüberhang. So sanken in den letzten Jahren auch die Preise. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Immobilienbranche vor einem Wendepunkt steht.
Postpandemische Preiskorrektur
Seit Mitte 2022 ist Wohneigentum um 5 Prozent günstiger geworden. Inflations-bereinigt sind die Preise sogar um 15 Prozent zurückgegangen. Nur bei den Neubauwohnungen sind -keine Preisrückgänge zu beobachten. Auch entwickelten sich die Preise je nach Region sehr unterschiedlich. Was auffällt: Das Preisgefälle zwischen teureren und preiswerteren Gebieten hat sich verkleinert. Während Einfamilienhäuser in Linz, Steyr und Wels etwa 9 Prozent günstiger wurden, stiegen die -Preise in Freistadt sogar um 0,3 Prozent. Im nationalen Vergleich ist Oberösterreich mit 3.650 Euro pro Quadratmeter die goldene Mitte. „Die seit Pandemiebeginn gesehenen realen Zugewinne sind damit zur Gänze wieder abgegeben worden“, erklärt Gunter Deuber, Bereichsleiter Volkswirtschaft & Finanz-märkte bei -Raiffeisen Research. Von einer „geräuschlosen Korrektur“ spricht Matthias Reith, Senior Ökonom für den österreichischen Wohnimmobilienmarkt bei Raiffeisen Research. Laut ihm ist -diese Korrektur auch noch nicht ganz abgeschlossen, aber: „Spätestens 2026 dürfte Wohneigentum wieder teurer werden.“
KIM-VO und hohes Zinsniveau
Mitte 2022 begann nicht nur die Zinswende, sondern im August wurde auch die KIM-Verordnung eingeführt. Seither brauchen Immobilienkreditnehmer in der Praxis mindestens 20 Prozent Eigenkapital und die Schuldendienstquote darf 40 Prozent des Nettohaushaltseinkommens nicht übersteigen. Das -führte in Österreich zu einem Einbrechen der Immobilienkredite. Bei der Raiffeisen Bankengruppe OÖ betrug der Rückgang sowohl bei der Anzahl als auch beim Volumen im Jahresvergleich 2022 zu 2023 rund zwei Drittel. Die Zahl der Kreditabschlüsse bleibt zwar auf niedrigem Niveau, allerdings ist die Tendenz wieder steigend. „Die Maßnahmen der Regierung und die ersten Zinssenkungen der EZB haben sicherlich einen Beitrag dazu geleistet, dass einige Projekte nun umgesetzt werden“, sagt Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank OÖ. Paradoxerweise könnten aber eben diese Zinssenkungen ihren Beitrag zu steigenden Preisen leisten.
Zinsen runter, Nachfrage rauf
Im September senkte die EZB die Leitzinsen ein weiteres Mal. Der EZB-Einlagensatz fiel um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz um 0,6 auf 3,65 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz für Über-Nacht-Ausleihen um 0,6 auf 3,9 Prozent. Und an den Finanzmärkten wird noch mit weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr gerechnet. Diese mehrfache Zinssenkung wird für Kunden jedoch nicht alle Probleme lösen. Obwohl die Kredit-Leitzinsen mit 0,6 Prozent stark gesenkt wurden, sind die Einlagezinsen die bedeutend wichtigeren. Denn Banken werden wohl kaum Liquidität zu niedrigeren Zinsen verleihen, als sie bei der EZB für ihre Einlagen bekommen. Wirklich von Relevanz ist daher die Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozent. Und während die Zinsen mit kleinen Schritten fallen, steigt die Nachfrage nach Eigentum wieder. Manche Experten sehen daher die EZB-Zinssenkung unter Umständen als gutes Zeichen für Verkäufer. Living-Invest-Geschäftsführer Andreas Radlmüller weiß, dass die Preise durchaus kippen können: „So lange noch ein Angebotsüberhang am Markt besteht, profitieren in erster Linie die Immobilienkäufer von den günstigen Krediten. Diese Situation kann sich bei weiteren Zinssenkungen jedoch schnell verändern. Umso mehr Interessenten eine Immobilie erwerben möchten, umso höher wird der tatsächliche Kaufpreis aufgrund der Nachfrage sein.“ In Deutschland ist die Trendwende am Immobilienmarkt anscheinend schon eingeleitet: Im zweiten Quartal ist Wohneigentum in Deutschland erstmals wieder teurer geworden. Experten sehen das als Indikator dafür, was Österreich nächstes oder übernächstes Jahr bevorsteht. Auch das Bevölkerungswachstum dürfte für die Nachfrage eine Rolle spielen. Die österreichische Bevölkerung wächst, Oberösterreich dürfte bis 2030 das dritthöchste Bevölkerungswachstum aufweisen. Jedoch haben gemeinnützige wie auch gewerbliche Bauträger seit Herbst 2022 bedeutend weniger Wohnraum geschaffen. Können sich die Menschen wieder die Schaffung von Eigentum leisten, könnte nicht genügend Angebot zur Verfügung stehen.
Inflation bringt Geldschwemme
Der wahre Gamechanger am österreichischen Immobilienmarkt werden laut Reith weniger die sinkenden Zinsen sein, sondern mehr die steigenden Einkommen: „Die Haushaltseinkommen dürften zwischen 2023 und 2026 in Summe um über 20 Prozent ansteigen.“ Wer im Jahr 2022 ein durchschnittliches österreichisches Einfamilienhaus erwerben wollte, musste damals elf Jahres-Netto--Haushaltseinkommen auf den Tisch legen. Wer im nächsten Jahr ein eben solches Haus kaufen möchte, muss nur noch acht Jahres Netto-Haushaltseinkommen berappen. Und all das trotz nur moderat gesunkener Immobilienpreise. „Wohneigentum wird zwar nicht viel billiger, dafür aber leistbarer“, so der Experte. Und das liegt an der Inflation. „Gestern war die Inflation für Haus-halte eine Belastung, heute und morgen verbessert sie aber die Leistbarkeit von Wohneigentum über die Inflationsabgeltung in den Lohnverhandlungen.“
Wiederbelebungsversuche
EZB-Zinswende und KIM-Verordnung haben 2022 den Immobilienmarkt abgewürgt. Dieses Jahr hat die Politik jedoch den Defibrillator angeworfen und -erste Lebenszeichen können erwartet werden. So hat die Wohnbauförderung mit einem Fixzinssatz von 1,5 Prozent, die seit Juli gilt, großes Interesse ausgelöst. Auch eine Befreiung von Gerichtsgebühren unter bestimmten Voraussetzungen gilt seit April. Am 1. Juli wurde außerdem das Ausnahmekontingent der KIM-Verordnung gelockert. Schaller betont, dass schon viel passiert ist. Er wünscht sich dennoch mehr Unterstützung für die Kreditnehmer, zum Beispiel bei der Wohnbauförderung. Zur KIM-Verordnung hat der RLB-OÖ-Generaldirektor eine klare Meinung: „Wir Banken sind nicht Feind unseres eigenen Geldes. Wir wissen, was wir an Risiko verkraften und was nicht. Daher brauche ich so eine Verordnung ganz einfach nicht.“ Vorgesehen ist, dass die KIM-Verordnung im Juni nächsten Jahres ausläuft. Geht es nach der Finanzmarktaufsicht, sollen Schaller und viele andere jedoch enttäuscht werden. Die FMA ist nämlich glücklich mit den Rahmenbedingungen und so wird es wohl zumindest bei der KIM-Verordnung zu keiner glücklichen Wendung kommen.