Die Agrartechnik bleibt ein Wachstumsmarkt
Ein altes Kinderlied bringt auf den Punkt, was Landwirte aktuell zu tun haben: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand.“ Die Rösslein sind heute Hightechmaschinen mit digitalen Features, welche die schwere Arbeit erleichtern. Es wird geebnet, geeggt und gesät. In der Landwirtschaft dreht sich alles ums Wachstum, ob bei Feldfrüchten oder in der Viehzucht. Bei den großen globalen Landmaschinenherstellern wächst derzeit auch der Umsatz. 2022 gab es einen Rekord nach dem anderen zu feiern. Ein paar Beispiele: John Deere: +19,4 Prozent, CNH Industrial (Case, New Holland, STEYR): +23,9 Prozent, AGCO (Fendt, Valtra): +13,6 Prozent, Claas +2,7 Prozent. Wobei das letztere „schmale“ Wachstum des deutschen Mähdrescherherstellers auf die Russland-Sanktionen zurückgeht. Claas betreibt dort ein großes Werk. Und auch jenseits der globalen Spieler feiert die Agrartechnik Rekorde, auch in Oberösterreich. Fast alle Unternehmen in der Branche vermelden gestiegene Umsätze. In St. Valentin, einem Standort von CNH Industrial, wurden 2022 erstmals seit zehn Jahren wieder mehr als 10.000 Traktoren gefertigt. Der CEO des italienisch-amerikanischen Mutterkonzerns von STEYR, Scott W. Wine, will weiter hoch hinaus: „Wir bekräftigen unser Ziel, für das Gesamtjahr einen freien Cashflow von über einer Milliarde Dollar zu erwirtschaften.“ Rekorde auch beim deutschen Mitbewerber Fendt. Noch nie wurden so viel Traktoren gebaut wie 2022.
Landwirtschaft rückt wieder in den Fokus
Warum ist das so? Die Antworten kennt Gregor Dietachmayr, Sprecher der Geschäftsführung von Pöttinger Landtechnik in Grieskirchen. Auch Pöttinger feierte einen Rekord. „Wir konnten im Geschäftsjahr 2021/22 (1. August 2021 bis 31. Juli 2022) erneut einen Umsatzrekord einfahren. Der Umsatz konnte um 25 Prozent auf 506 Millionen Euro gesteigert werden.“ Trotz eines fordernden Geschäftsumfeldes sieht Dietachmayr einen Grund für die Branchenrekorde in einem steigenden Bewusstsein: „Es wird mehr und mehr erkannt, dass die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit ist.“ Dazu wurden in Grieskirchen Optimierungspotenziale gehoben. „Zum einen sind es die Kultur des Zusammenarbeitens und das innovative Miteinander in der Belegschaft und den Partnerbetrieben des Landtechnikhandels im In- und Ausland. Wir brachten größere oder neue Maschinen sowie innovative Lösungen im Bereich der digitalen Landtechnik auf den Markt und wir haben zeitgerecht Maßnahmen zur Erweiterung von Produktionskapazitäten und zur Prozessoptimierung gesetzt.“ Zudem gelang es dem Unternehmen, gemeinsam mit Zulieferbetrieben die Beschaffungsprozesse auf den europäischen Raum zu konzentrieren. „Die Schlüsselwörter sind: Regionale Investitionen und Wertschöpfung.“ Damit ist es gelungen „die Auswirkungen gebrochener Lieferketten etwas zu mildern“.
Hohe Agrarrohstoffpreise = hohe Investitionen
Hauptverantwortlich für den Erfolg in der Branche ist für Dietachmayr aber „die anhaltend positive Entwicklung der Nachfrage nach moderner Landtechnik durch die landwirtschaftlichen Betriebe“. Eine hohe Nachfrage, die nicht zuletzt auf hohe Agrarrohstoffpreise zurückgeht. Landwirte erzielten höhere Erlöse und diese werden wieder investiert. Wie lange dieser Trend anhalten wird, scheint nicht ganz klar zu sein. Während der CEO von Weltmarktführer John Deere (52,6 Mrd. US-Dollar Umsatz), John C. May, und der AGCO-Vorstandschef Eric Hansotia auch für 2023 konstant starke Nachfrage erwarten, sieht CNH-Industrial-Chef Scott W. Wine einen Einbruch zum Jahresende 2022. Wine berichtet von weltweit 20 Prozent weniger an Bestellungen für Traktoren und Mähdrescher.
Heimische (Nischen)Produzenten gut aufgestellt
Die oberösterreichischen Leitbetriebe in der Branche sind jedenfalls gut gerüstet und haben kräftig investiert, wie Göweil aus Kirchschlag. Einer der Technologieführer bei Wickel- und Ballenpressmaschinen geht auf eine für die österreichische Landtechnik nicht ganz untypische Unternehmensgeschichte zurück. 1988 löste Herbert Göweil das Problem eines befreundeten Landwirtes. Auf diesen Freundschaftsdienst folgte die Firmengründung. 80 Prozent der Produkte werden exportiert, selbst in Neuseeland setzt man auf Technologie aus Kirchschlag. Aktuell will man den chinesischen Markt „beackern“. Der steigenden Nachfrage begegnete man mit Investitionen in die Produktion. Ein neues Lackier- und Montagezentrum entstand am Produktionsstandort in Rainbach. In Kirchschlag wird in ein Blechverarbeitungszentrum mit automatischer Laseranbindung und Schweißroboter investiert. Auch der Hersteller von Spezialfahrzeugen für die Landwirtschaft und den kommunalen Einsatz, die Reform Werke in Wels, investieren. Ein neues Technologiezentrum mit 1.500 m2 Fläche wird errichtet. „Wir sind Nischenplayer. In der Nische müssen wir noch besser sein als der Standard“, schildert Geschäftsführer Reinhard Riepl in einem TW1-Interview. In diesem Zentrum widmet sich Reform der Digitalisierung und dem Thema von neuen Antrieben.
Was muss ein Traktor können?
Neue Ansätze bei der Kundengewinnung abseits der Landwirtschaft suchte eine Gruppe von Studierenden des Masterstudiengangs „Agrarmanagement und -innovationen“ vom FH OÖ Campus Steyr. Sie machten sich im Auftrag von STEYR Traktoren auf die Suche nach neuen Zielgruppen und Einsatzmöglichkeiten. Ein Semester lang wurde geforscht. „Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass die gewerbliche Nutzungsmöglichkeit, etwa im Transportwesen, Erdbau etc., forciert werden sollte“, so der Lehrveranstaltungsleiter und selbst Landwirt, Andreas Auinger. Doch unterscheiden sich die Anforderungen von Unternehmern deutlich von jenen der Landwirte. Die Branche ist eben eine ganz Besondere, eine, deren Rhythmus von der Natur vorgegeben wird, eine, die sich nicht an Öffnungszeiten hält, in der eine Vier-Tage-Woche kontraproduktiv wäre. Hightechgerätschaften sind dabei essenziell, wenn immer größere Flächen bei immer widriger werdenden Umständen (Hagel, Dürre, Starkregen) zu bearbeiten sind. Auch wenn sie heute keine „Rösslein“ mehr einspannen“ wie im Kinderlied, blieb eine Textzeile aktuell: „Und spart weder Arbeit, noch Mühe, noch Fleiß“.