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Lebensmittel
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Österreicher ticken anders

19.11.2024 um 11:01, Andreas Hamedinger
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Der Lebensmittelhandel in Österreich tut sich schwer mit Delikatessen. Der Grund: Nur wenige sind bereit, mehr zu bezahlen. Und es mangelt an Personal.

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Lyon, Frankreich. Die Vielfalt an kleineren Lebensmittelgeschäften ist – trotz der zahlreichen Supermarktketten – enorm: An einer Ecke Käse, eine Straße weiter Wurst und Fleisch, dann wieder ein Laden, der mit frischem Obst und Gemüse punktet. Ein vergleichbares Bild auch in Meran: Südtiroler Speck in der Auslage, der Nachbar verkauft Nudeln in allen Varianten, und dass es ein auf Wein spezialisiertes Geschäft gibt, das braucht man eigentlich nicht extra erwähnen. Schauplatzwechsel: In Österreich gibt es zwar eine extreme Dichte an Supermärkten, doch auf Delikatessen ­spezialisierte Händler finden sich nur selten. Um dieses Phänomen zu verstehen, zuerst ein Blick auf die Situation des österreichischen Lebensmittelhandels im Allgemeinen.
 

Hochwertige Lebensmittel
Beratungsintensiv: Hochwertige Lebensmittel benötigen Fachkompetenz und Mitarbeiter, die sich mit den Produkten auskennen. Dieser Mehraufwand muss von den Kunden bezahlt werden.

500 bis 700 Kunden täglich


Laut Statistik Austria gab es 2022 in ganz Österreich 382 Gemeinden, die über ­keinen Lebensmitteleinzelhändler mehr verfügten. In Oberösterreich waren es 96.
Um in einer kleinen Gemeinde – 1.000 bis 2.000 Einwohner – überleben zu können, müssen Lebensmitteleinzelhändler-Nahversorger (LEH-Nahversorgern) aus wirtschaftlichen Überlegungen ein Vollsortiment anbieten, wie Wolfgang Benischko, Gremialobmann des oberösterreichischen Lebensmittelhandels, anhand eines Beispiels erklärt: „Ein Lebensmittelgeschäft mit einer Fläche von 400 bis 500 Quadratmetern sowie zehn Mitarbeitern benötigt etwa 500
bis 700 Kunden, die täglich einkaufen, um überleben zu können. Da kann
man sich natürlich nicht nur auf Spezialitäten konzentrieren.“ 

Geschultes Personal notwendig

Doch warum gibt es auch in Ballungszentren im internationalen Vergleich eine verschwindend kleine Anzahl an Lebensmittelspezialisten? Benischko: „Österreicher ticken anders. Die Konsumenten haben nicht gelernt, dass hochwertige Lebensmittel auch ihren Preis haben. Daran sind wir zum Teil auch als Lebensmittelhandel selbst schuld.“ Für den ehemaligen Betreiber eines LEH-Nahversorgers gibt es daher eine starke Diskrepanz zwischen den Wünschen der Konsumenten und dem tatsächlichen Einkaufsverhalten: „Bei Umfragen geben die Menschen an, dass sie regionale Lebensmittel kaufen oder Wert auf Bioqualität legen. In der Praxis sieht das anders aus.“ Um ­diese Tatsachen zu ändern, sind laut dem Branchenvertreter Ausdauer und eine ständige Aufklärung durch geschultes Personal notwendig: „Ich habe in meinem Geschäft die Kunden über Inhaltsstoffe, Qualität und Herkunft informiert. In den großen Handelsketten bleibt dazu keine Zeit mehr. Da fragt man die Mitarbeiter höchstens nur danach, wo ein Produkt zu finden ist.“ 

Der Beruf des Fleischers
Schlechtes Image: Der Beruf des Fleischers ist nicht besonders angesehen. Daher gibt es in diesem Bereich zu wenig Fachpersonal.

Fehler in der Vergangenheit 

Betriebe, die auf hochwertigere Lebensmittel setzen, haben aber noch mit einem zusätzlichen Problem zu kämpfen, wie Roman Hackl, Geschäftsführer der Fleischmanufaktur Hackl, erklärt: „In unserem Geschäft schätzen die Menschen die fachliche Beratung und wir nehmen uns auch genug Zeit dafür. Leider findet sich kaum mehr qualifiziertes Personal – keiner will mehr Fleischer werden.“ Wie man die Personalsituation verbessern kann, das kann auch Hackl nicht beantworten, denn: „Die Fehler wurden in der Vergangenheit begangen. Der Beruf des Fleischers galt etwa wegen der Arbeitsbedingungen oder der schlechten Bezahlung als wenig attraktiv. Auch wenn diese Behauptungen längst nicht mehr stimmen, gibt es eine Lücke an Fachkräften, die man nicht so schnell schließen kann.“ Und auch die von Benischko angesprochene „Geiz ist geil“-Mentalität setzt nach Hackl der Branche zu: „Man gibt lieber das Geld für ein teures Motoröl aus, als es gute Lebensmittel zu investieren.“

Zeit fehlt im Supermarkt 

Dass man mit Delikatessen oder Lebensmittelspezialitäten durchaus ­Umsätze erwirtschaften kann, haben hingegen die Handelsriesen längt erkannt, wie Benischko erklärt: „Große Supermarktketten haben eigene Bereiche, in denen sie regionale oder hochwer­tige Produkte anbieten. Doch wie schon erwähnt: Es fehlt meist an der Zeit, um dem Kunden zu erklären, wie man das Fleisch richtig zubereitet oder wie sich die eine Teesorte geschmacklich von einer anderen abhebt.“ Für Benischko hat der klein strukturierte LEH aber nicht nur die Aufgabe, eine Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Qualität von Nahrungsmitteln zu erwirken: „Geschäfte in kleinen Gemeinden erfüllen auch eine wichtige soziale Funktion.“

Roman Hackl Geschäftsführer Fleischmanufaktur Hackl

"Leider findet sich kaum mehr qualifiziertes Personal - keiner will mehr Fleischer werden."

Wichtig für gesundes Altern

Diese Meinung wird auch durch eine KMU-Austria-Forschung zum Thema „Die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels im Kontext der Nahversorgung in Österreich“ bestätigt. Sie kommt zu dem Schluss, dass insbesondere in abgelegenen ländlichen Gegenden ohne sonstige gewerbliche oder soziale Infrastruktur verbliebene LEH-Geschäfte eine wichtige Rolle für das Zusammenleben einnehmen. Nach der Studie sind vermehrt ältere Personen in diesen ländlichen Gemeinden auf die fußläufige Erreichbarkeit ihres täglichen Bedarfs angewiesen. Zum täglichen Bedarf zählen dann auch helfende Tätigkeiten mit dem Charakter bürgerschaftlichen Engagements. Angefangen mit der Animierung der älteren Bevölkerung zum täglichen Einkauf zu Fuß, der Nachfrage des Ladenpersonals nach dem Wohlbefinden und der allfälligen Aktivierung von Hilfeleistungen des dörflichen Zusammenlebens wird zur Vorbeugung von Einsamkeit und zum gesunden Altern beigetragen.

Wichtige Drehscheibe 

Auch wenn für diese Art der sozialen Nahversorgung, im Gegensatz zur Versorgung mit Waren, keine ­direkte Vergütung stattfindet, ist der ­Wegfall einer solchen Drehscheibe ­dörflichen Zusammenlebens mit negativen Auswirkungen für die ­nahversorgerlose Gemeinde verbunden.

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