Baumpflege - Astreines Business
Ödön von Horváts erfolgreichstes Bühnenstück widmete er seinen geliebten Bäumen: „Geschichten aus dem Wienerwald“. Doch ein Baum sollte ihm zum Verhängnis werden. Der abergläubische Schriftsteller verzichtete am 1. Juni 1938 auf eine Taxifahrt ins Hotel, weil er Autos misstraute. Er ging zu Fuß durch Paris während eines Gewitters. Auf den Champs-Élysées wurde er von einem herabstürzenden Ast erschlagen. Ein tragischer Tod, der selten vorkommt, der aber deutlich macht, welche Verantwortung Baumbesitzer tragen. Damit das nicht passieren kann, gibt es Spezialisten wie Hannes Frank. Frank ist studierter Betriebswirt, gründete aber vor neun Jahren sein Unternehmen Baum.Art e.U. „Während des Studiums habe ich schon in diesem Bereich gearbeitet. Ich erkannte schnell, dass Baumpflege und Baumkontrolle immer relevanter werden. Ich meinte zu meinem ehemaligen Chef: Wenn wir das jetzt aufziehen, sind wir die Ersten. Wenn man den Zug selbst lenkt, sitzt man schließlich vorne.“
Bäume stehen unter Stress.
Ein strategisch kluger Schach„zug“, denn das Geschäft brummt. „Jeden Tag, wenn jemand unsere Autos stehen sieht, kommt ein weiterer Tag Arbeit auf uns zu.“ Frank führt das auf die gestiegene Wertigkeit von Bäumen zurück. „Vor allem im urbanen Raum. Ein Schattenbaum ist ein hoher Wohlfühlfaktor und ist Gold wert. Das ist nicht mit einem Sonnensegel oder einer Markise zu vergleichen. Hinzu kommt der optische Faktor.“ Dennoch stehen unsere Bäume unter Stress. „Es wird wärmer, es gibt weniger Niederschläge, Trockenheit, Hitze oder auch Salz im Winter, das alles setzt unseren Bäumen zu.“ Bäume, die – wenn sie nicht regelmäßig gepflegt werden – zu Gefahrenquellen werden können. Kommt es zu einem Personen- oder Sachschaden, so regelt das seit einigen Wochen ein neues Gesetz im ABGB. „Bisher wurde ein Baum wie ein Gebäude behandelt. Es griff die Gebäudehaftung.“ Jetzt ist der Besitzer stärker in der Pflicht, und das geht bis zur groben Fahrlässigkeit, nämlich dann, wenn er den Schaden hätte erkennen müssen.
Pickerl für den Baum
Doch wie sollen Laien einen Schaden des Baums erkennen können? „Wenn vor 20 Jahren jemand unter einem Baum geparkt hat und es ist etwas passiert, hieß es: ,Naja, selber schuld‘. Heute geht es mehr in die US-Richtung.“ Und das kann für Baumbesitzer extrem teuer werden. Durch immer ausgeprägtere Haftungsfragen sind Spezialisten wie Frank mehr denn je gefragt. Er vergibt ein „Pickerl für den Baum“. „Einen lange schon abgestorbenen Ast erkennt auch ein Laie. Aber oft höre ich, da waren Schwammerln auf dem Stamm, die habe ich immer weggetan. Dabei könnten diese Schwämme ein Zeichen auf innere Fäule sein.“ Wenn sich Baumbesitzer sicher sein bzw. sich absichern wollen, dann lassen sie den Baum begutachten.
30.000 Linzer Bäume
„Wir schauen uns den ganzen Baum an, kontrollieren die Stand- und Bruchsicherheit und führen fachgerechte Maßnahmen durch.“ Der Besitzer bekommt dann schwarz auf weiß, dass sein Baum sicher ist. Das macht auch die Stadt Linz. Die rund 30.000 Bäume sind im Baumkataster eingetragen. Jeder Einzelne wird regelmäßig kontrolliert. Ein hoher Aufwand. „Das gab es vor 30 Jahren nicht und es gab trotzdem nicht mehr Unfälle. Doch es gibt den spannenden Spagat, dass es ein theoretisches Risiko geben kann.“ Dabei wird in den Regulatorien nicht unterschieden, wie Frank kritisiert: „Die Ö-Norm regelt genau, ab wann Totholz entfernt werden muss. Das gilt für den Baum am Rande eines Feldwegs, wo zwei Wanderer täglich vorbeigehen, genauso, wie für den Baum, der bei einer Bushaltestelle steht in der sich 250 Kinder pro Tag befinden.“
Des einen Freud, des anderen Leid
Und Bäume sorgen nicht nur für Freude. Einer der häufigsten Gründe für Nachbarschaftsstreitigkeiten sind die angrenzenden Pflanzen. Der eine freut sich über Schatten, der andere ärgert sich über abfallendes Laub und Nadeln. „In Österreich gibt es den sehr fortschrittlichen Überhangsparagrafen im AGBG. Die Äste, die in meinem Luftraum hängen, darf ich abschneiden – allerdings mit dem kleinen Zusatz, dass das fachgerecht passieren muss. Laien wissen nicht, wie man Äste so schneidet, dass sie auch wieder gut verheilen können.“ Wird es dennoch laienhaft gemacht, könnte es weitere Streitigkeiten geben, etwa wenn der Baum durch falschen Schnitt beschädigt wird und stirbt. „Da kann einem Baum mit potenziell 200 Lebensjahren gut 80 dieser Jahre genommen werden.“ Der Schaden tritt aber nicht plötzlich auf, sondern schleichend. Dann nachzuweisen, dass des Nachbars Laienschnitt dafür verantwortlich ist, ist schwer. „Ein Baum ist eine spezifische Materie. Wenn ein Elektriker oder ein Installateur einen Pfusch baut, regt sich jeder auf. Bäume werden hingegen aber oft nicht fachgerecht bearbeitet und sie funktionieren anders. Wenn man einen Sendemast baut, wird genau gerechnet wie viel Beton es braucht, damit ihn kein Sturm knicken kann. Ein Baum arbeitet hingegen auf einen Impuls hin, sprich, wenn er immer Seitenwind abbekommt, baut er Wurzeln und Druckäste auf.“ Fegt ein Orkan über das Land, ist der Baum nicht vorbereitet. Dennoch beruhigt Frank: „Man sollte da keine Panik machen. Herabfallende Äste oder umstürzende Bäume sind ja nicht die Todesursache Nummer eins. Wir haben Angst vor Bäumen, steigen aber trotzdem jeden Tag ins Auto.“ Wer gesunde Bäume haben will, so rät Frank, soll bei der Jungbaumpflege beginnen. „Das ist die sinnvollste Arbeit. Mit kleinen Eingriffen kann ich dafür sorgen, dass spätere Probleme nicht entstehen.“ Welche Bäume das künftig sein werden, ist noch nicht sicher, denn der Klimawandel setzt heimischen Gehölzen immer mehr zu. „Birken oder Buchen etwa, die fühlen sich nicht mehr superheimisch. In 50 Jahren wird es Bäume geben, die wir bisher in Österreich noch nicht gesehen haben.“
70 Jahre in der Branche
Vor 50 Jahren war Ernst Matula bereits zwei Jahrzehnte in der elterlichen Baumschule aktiv. Wohl kaum einer im Lande kann über den Wandel der Branche mehr berichten. Der heute 85-Jährige hat knapp 70 Jahre Berufserfahrung hinter sich. Sein Vater, Doktor der Bodenkultur, gründete das Unternehmen 1934. Die Anforderungen waren damals ganz andere. „Mein Vater pachtete einen 3.000 Quadratmeter großen Garten von einem Obstbauspezialisten in St. Magdalena. Er fuhr mit dem Fahrrad und einem kleinen Anhänger herum, um seine Obstbäume und Beerensträucher zu verkaufen.“ Fruchtgehölze bedeuteten lange eine gewisse Unabhängigkeit, Autarkie. „Damals wurden nur Bäume und Sträucher angepflanzt, die Nahrungsmittel abwarfen.“ Beim Verkaufen in Wilhering stieß Vater Ernst auf einen Wegmacher, der ihm den Tipp gab, dass ein ehemaliger Sparkassendirektor seinen Bauernhof samt Feldern verkaufen möchte. Das Kapital von 200 Schilling reichte aber nicht. Per Handschlag wurde ausgemacht, dass er es abzahlen konnte. Aus dem 3.000-Quadratmeter-Garten wurde eine 29-Hektar-Baumschule, eine der größten im Lande.
Vom Obstbaum zum Zierstrauch
Vor 50 Jahren übernahm sein Sohn Ernst den Betrieb. Seitdem hat sich vieles gewandelt. „1974 habe ich 40.000 Obstbäume verkauft. Im letzten Jahr waren es nur noch 2.000. Es geht mehr in Richtung Ziergehölz und Sträucher.“ Auch das Geschäftsmodell wandelte sich. „Heute machen wir nur noch die Hälfte unseres Umsatzes mit der Pflanzenproduktion, die andere Hälfte mit Dienstleistungen.“ Immer mehr Menschen legen Wert auf einen schönen Garten und lassen ihn von Profis pflegen. Die großen Baumärkte, Pflanzenzentren und Co., die sich in den 1980er-Jahren flächendeckend ausbreiteten, sieht Ernst Matula aber nicht als Konkurrenz. „Ein durchschnittlicher bellaflora-Kunde gibt 20 Euro pro Einkauf aus, bei sind das 200 Euro.“ Auch Matula sieht den Trend zur höheren Wertigkeit aller Pflanzen. „Gerade die jüngere Generation will nicht mehr, dass Bäume gefällt werden.“
Auch Pflanzen unterliegen der Mode
Aktuell produziert die Baumschule auf sechs Hektar ihrer Gesamtfläche von 29 Hektar. „Der Rest ist Brachland oder wird mit Klee bewirtschaftet, der als Tiefwurzler den Boden lockert.“ Aus dem einst saisonalen Betrieb wurde einer, der ganzjährig verkauft, und sogar „Modetrends“ haben sich im Business breitgemacht: „Wir tragen ein gewisses Risiko. Im Schnitt dauert es fünf Jahre, bis eine von uns produzierte Pflanze verkaufsfertig ist. In diesen fünf Jahren kann viel passieren, sogar die Farben von Rosen können der Mode unterliegen.“ Und dann kam auch noch der Buchsbaumzünsler. „Den hätte man fachgerecht ausrotten können. Nur werden oft Spritzmittel verwendet, die in etwa so wirken wie Kamillentee bei einer schweren Lungenentzündung.“ Die meisten Gartenbesitzer vermieden eine fachgerechte Behandlung der Buchsbäume und so breitete sich der Schädling massiv aus. „Buchs kauft heute niemand mehr.“
Exotische Pflanzen ante portas?
Dazu machen klimatische Risiken wie Dürre, Frost und Co. den Baumschulen zu schaffen. Matula nimmt das aber locker: „Das gehört zu unserem Alltag.“ Überhaupt treibt der Klimawandel sonderbare Blüten.
„Mittlerweile wachsen bei uns Pflanzen, die vor einigen Jahren nicht überlebt hätten.“ Die produziert Matula allerdings nicht selbst. Die Baumschule kann dennoch jeden noch so exotischen Wunsch erfüllen. „Wir haben in ganz Europa unsere Partner. Wir beraten, kaufen ein und organisieren den Transport. Wir können den Kunden alles besorgen, was sie möchten.“ Auch große Laubbäume. „Die gehen bis 40 cm Stammumfang. Der wird bei einem Meter Höhe gemessen.“ Will also ein Kunde einen alten, großen Baum in seinem Garten, wird dieser einfach umgepflanzt. Das kostet Geld. Eine Linde in dieser Größenordnung schlägt mit etwa 3.000 Euro zu Buche. Dazu kommt – meist mit weit höheren Kosten verbunden – der Transport und die fachgerechte Verpflanzung. Alles ist möglich. Nur von einer Art von Gärten lässt Ernst Matula die Finger. „Gärten, die nur mehr mit Steinen ausgelegt sind.“ Diese trenden auch in den sozialen Medien und werden als „Gärten des Grauens“ oder „Horror Gardening“ betitelt. Doch das ist ohnehin nicht die Klientel der 90 Jahre alten Baumschule, die nun sein Sohn – wie sollte es anders sein – Ernst in dritter Generation führt.