Autoaggressiv
Österreich hat wieder einen Autohersteller, naja fast – Volta. Die schwedischen E-Trucks werden bei Steyr Automotive gebaut. Fast wäre der Deal, 14.000 Voltas bis 2027 zu bauen, gescheitert. Dem Startup ging das Geld aus. Der Hedgefonds Luxor rettet das Unternehmen in letzter Sekunde und sorgte damit für ein Weihnachtsmärchen für die rund 200 Beschäftigten in Steyr. Auch ein weiterer Neuling am Automarkt, der Fisker Ocean, ist „made in Austria“. Das E-SUV des Dänen Henrik Fisker wirbt damit, das nachhaltigste Auto der Welt zu sein. Volta, Fisker: Nie gehört? Gewöhnen Sie sich an neue Namen in der Automobilszene. Namen wie Nio, Vinfast, XPENG, Aiways, Roewe oder Lynk & Co, Maxus, Ora, Wey oder BYD. Allesamt chinesische Autobauer, die in den Massenmarkt drängen. Auch Transporter von Maxus sind bereits erhältlich. Dazu könnte die türkische Marke TOGG und US-Exoten wie Lucid, Rivan oder Faraday Future ins Land rollen. Es wird also bunt.
Autos bei Amazon kaufen?
Bunt wird es auch im Vertrieb. Schon bald könnten sich in einem Amazon Warenkorb Unterhosen, Druckerpatronen und ein Auto befinden. Der US-Onlinehandelsgigant verkündete das kürzlich im Rahmen einer Pressekonferenz. Erster Partner ist Hyundai. Mitte 2024 sollen die ersten Autos verkauft werden. Amazon betont dabei, dass der stationäre Handel eingebunden sein soll. Auch der chinesische Hersteller Lynk & Co geht neue Wege. Das einzige Modell in Europa, den „01“, kann man ausschließlich mieten. Lynk & Co bietet dieses Mietmodell ab einem Monat an. Ein Autoabo ist zwar nicht neu, Lynk & Co denkt aber weiter. Wenn Sie etwa einen „01“ mieten, können Sie ihn als Carsharingauto an Kunden des Lynk & Co Clubs weitervermieten und so Ihre Rate senken.
OÖ ist E-Auto-Bundesland Nr. 1
Der 01 von Lynk & Co ist, Sie erraten es wahrscheinlich, ein elektrisches SUV. Der Trend gibt dem recht. Europaweit wurden erstmals mehr E-Autos als Dieselfahrzeuge zugelassen (Stand: Oktober 2023). Auch in Österreich wurden in diesem Zeitraum so viele Stromer wie noch nie verkauft: 39.272. Im Vergleich dazu lagen die Neuzulassungen für Elektroautos im gesamten Jahr 2022 bei 26.764. Oberösterreich ist im nationalen Vergleich übrigens die Nummer eins, vor Niederösterreich und sogar Wien. Doch dann kommt ein Partycrasher um die Ecke, sprich aus dem Nachbarland. So meinte der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe Thomas Peckruhn im Handelsblatt zur aktuellen deutschen E-Auto-Lage der Nation: „Die Auftragseingänge bei Elektroautos liegen branchenweit 30 bis 50 Prozent unter dem Vorjahr“, um dann hinzuzufügen: „Die Party ist vorbei, bei Neuwagen genauso wie bei Gebrauchten.“ Warum Peckruhn derart bremst? Weil in unserem Nachbarland die staatlichen Förderungen für gewerbliche E-Autos im September 2023 ausliefen. Fehlen die Förderungen, verliert das Elektroauto schnell seinen Glanz. Ein Beispiel: Der günstigste Neuwagen in Österreich, der Mitsubishi Space Star, ist ab 10.990 Euro zu haben. Das günstigste E-Auto des Landes ist der Dacia Spring um knapp das Doppelte.
Ist die „Elektro-Party“ vorbei?
Peckruhn spricht aber auch von den Gebrauchten, und hier haben sich die Hersteller selbst ein Tor geschossen. Die radikalen Preissenkungen von Tesla, bei manchen Modellen um bis zu 20.000 Euro, sorgten nicht nur bei Bestandskunden für Unmut, sie hatten massive Auswirkungen auf den Handel mit gebrauchten Stromern. Ein Brancheninsider, der nicht genannt werden will, erklärt warum. „Wenn jemand ein drei Jahre altes Elektroauto gegen ein Neues eintauschen will, bekommt er nicht die Preise, die er bei Verbrennern bisher gewohnt war.“ Der Volkswagen-Konzern zog mit Tesla mit. Die Wolfsburger senkten ebenso die Preise für ihre ID-Modelle stark.
Verunsicherungen bei den Kunden hält an
Der Hintergrund der Preissenkungen der E-Modelle von Tesla und VW ist das aktuelle Rittern um den niedrigsten Einstiegspreis in die E-Mobilität. Exakt zu dem Zeitpunkt, an dem die chinesischen Hersteller in Europa auf Kundenfang gehen. Das hat natürlich Folgen, vor allem für den Gebrauchtwagenhandel. Ist ein Neuwagen „über Nacht“ 20.000 Euro billiger, wird ein Gebrauchter wohl nicht mehr um den ursprünglich vorgesehenen Preis zu verkaufen sein. Das letzte Glied in der Kette, der Händler, ist der Leidtragende eines globalen Preiskampfs und Prellbock der Kunden. Sie müssen gebrauchte E-Autos mit einem herben Verlust an die Kundschaft bringen. Ein Preiskampf, der zu einer weiteren Verunsicherung der Kunden führt. Sind Verbrenner noch zukunftssicher? Mit welchem Wertverlust muss ich bei einem Elektroauto rechnen? Wie lange muss ich warten, bis E-Mobilität wirklich preiswert ist? Verunsicherungen, welche die Nachfrage nach Autoabos oder Langzeitmieten befeuern. Der Kunde mietet sein Fahrzeug zum Fixpreis und muss sich um den Wiederverkauf nicht kümmern. Ein Trend, weg vom Besitz, der dem stationären Handel wehtut. Manche Händler setzen daher selbst auf dieses Modell, so steht hinter dem Autoabo-Anbieter „Checkdrive“ der Händler „Lietz“.
Gebrauchtwagenpreise sinken wieder
Der klassische Gebrauchtwagenhandel profitierte zuletzt von stark steigenden Preisen. In den Pandemiejahren, in denen die Lieferketten still standen und Neuwagen durch horrende Wartezeiten stigmatisiert waren, stieg die Nachfrage nach „Second-“ oder „Thirdhandfahrzeugen“ und damit hoben auch die Preise ab. Gebrauchtwagenplätze waren wie leer gefegt, Autohändler wurden zu Autokäufern, um ihren Kunden ein Angebot zu bieten. Die Marge wurde durch das knappe Angebot daher nicht größer. 2023 stieg das Angebot wieder. Aktuell sind über 143.000 Gebrauchte auf willhaben zu finden, so viele wie seit drei Jahren nicht mehr. Mit eben jenen großen Plattformen wie willhaben, Autoscout, Gebrauchtwagen.at und anderen muss sich der Handel matchen. Ein Kampf mit ungleichen Waffen. Während Händler die volle Gewährleistung bieten müssen, ist dies bei Privatverkäufen deutlich lockerer. Private können diese im Kaufvertrag ausschließen.
Autofahren „über“ der Inflation?
Doch nicht überall droht massiver Wertverlust. Man kann Autos auch wertstabil, wenn nicht sogar wertsteigernd fahren. Old- und Youngtimer waren lange eine versteckte alternative Wertanlage bzw. ein Mittel, um gegen die Inflation zu kämpfen – vorausgesetzt man hat den Platz dafür. Selbst in dieser Szene gibt es einen Paradigmenwechsel. Während Autos der 1950er- und 1960er-Jahre im Schnitt im Wert um 4,8 Prozent zunahmen – also unter der Inflation lagen, stiegen „Brot-und-Butter-Autos“ der 1970er-/1980er- und 1990er-Jahre teilweise raketenhaft. Das liegt zum einen an den niedrigen bisherigen Bewertungen, zeigt aber auch einen klaren Trend auf. Hand aufs Herz: Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen, dass schrullige Tatort-Kommissare, hippe Serienhelden oder schlichtweg in der Werbung ständig Autos aus dem letzten Jahrtausend vorkommen? Während die traditionelle Oldtimerszene mit Nachwuchssorgen kämpft, entdecken junge Menschen Youngtimer. Ein kleiner Trend gegen die Datensammler und Vernetzer der Mobilität. Das Auto wird zu einem analogen Ort, an dem der Fahrer und nicht ein digitaler Assistent die Kontrolle hat. So stiegen Modelle des Ford Capri II innerhalb eines Jahres im Wert um 100 Prozent. Ein VW Golf II, nicht gerade ein prätentiöses Fahrzeug, um 50 Prozent. Und es sind jene jungen Menschen, welche die Zukunft der Mobilität und damit all das, was mit ihr zusammenhängt, prägen wird. Automobilhersteller sehen sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert: weg vom Besitz, hin zu mehr „On-demand-Service“. Der stationäre Autohandel ist dabei nur Passagier. Ein Wechsel, der still und heimlich passiert und der einen der global wichtigsten Technologietreiber – die Automobilindustrie – zu einem Umdenken zwingen wird. Wer dieses Denken am schnellsten verinnerlicht, wird auch in Zukunft bestehen können. Das Auto im Amazon-Warenkorb ist da wohl erst der Anfang.