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Lisa Schmid mit Gitarre im Treppenhaus eines Wiener Hauses | Credit: Fabian Orner
Lisa Schmid
Lisa Schmid
Fabian Orner

Sängerin Lisa Schmid im großen Weekend-Interview

11.04.2022 um 16:22, Ute Daniela Rossbacher
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Wer das gute alte morbide Wien sucht, wird musikalisch bei der Sängerin Lisa Schmid fündig. Was sie bewegt und umtreibt, hat sie Weekend erzählt.

Grant - nicht als Fassade, um in den Augen anderer cool zu wirken, sondern aus Überzeugung. Wienerin - nicht als Attitüde, sondern, weil "frau" gar nicht anders kann. Und dazu noch eine, die nicht untergeht. Lisa Schmid verkörpert all das. Ihr Lebensgefühl ist nachtschwarz. Da ist es nur konsequent, wenn das erste Album, das dieser Tage erscheint, genauso so heißt. Taghell war es übrigens, als wir mit der Sängerin sprachen - über Wien, musikalische Einflüsse und künstlerischen Mut.

Anno dazumal hieß es noch "Ein echter Wiener geht nicht unter" und dann höre ich "Wien gegen die Welt", ein Abgesang auf die "gute alte Unfreundlichkeit". Wie sehr geht es dir im Alltag ab, das typisch Wienerische?

Lisa Schmid: Naja, ich mag das schon sehr. Diese charismatische, sympathische Wiener Unfreundlichkeit. Seit längerem schon hat sich aber vermehrt so ein freundlicher Ton in Wien eingeschlichen. Vor allem in den Wiener Traditionskaffeehäusern. Ich bin kein großer Fan von Anglizismen – also wenn man dann mit einem übermotivierten „Bye“ im Kaffeehaus verabschiedet wird, frag‘ ich mich schon, ob das der Untergang Wiens ist. Deshalb habe ich auch „Wien gegen die Welt geschrieben“. Ein Loblied auf die Wiener Unfreundlichkeit.

Wer dich sucht, findet dich rasch im Netz. Mit Blick auf die vielen Kanäle, die Künstler heute zur Verfügung stehen, könnte man meinen, es war nie einfacher, seinen Traum zu leben. Gleichzeitig war es nie schwerer, Aufmerksamkeit zu bekommen angesichts des enormen Angebots. Woraus schöpfst du deinen Mut für diesen Weg?

Lisa Schmid: Mut ist eine Sache, die nicht schlecht ist, wenn man seiner Berufung folgen will. Durchhaltevermögen aber ist das, was man braucht. Ich glaube, sobald man keine andere Wahl mehr hat, geht man einfach seinen Weg. Dann gibt es kein Zurück. Ich muss das einfach tun. Es ist unaufhaltsam.

Das zeigt ein bisheriger Lebensweg eindrucksvoll. Du hast dein bilinguales Schauspielstudium für Theater & Film mit Auszeichnung abgeschlossen. Das heißt, du hättest auch noch eine andere Sprache für deine Songs zur Hand gehabt. Worin liegen aus deiner Sicht die Vorteile, nicht nur in Deutsch, sondern im Dialekt zu singen?

Lisa Schmid: Ich bin Wienerin. Und ich liebe meine Sprache. Im Schauspielstudium hatten die Dozenten wenig‘ Freud‘ mit mir. Im deutschen Theaterunterricht habe ich dauernd im Dialekt gesprochen, im englischen Theaterunterricht ständig Deutsch. Ich lebe hier und werde hier sterben. Und meine Kunst kommt aus meinem Herzen, aus meiner Seele. Und die ist tiefschwarz und wienerisch. Ich will mich nicht verstellen. Ich red‘ so wie ich red‘, und ich sing‘ so wie ich sing‘. Ich denke nicht darüber nach.

Die Sprache ist die eine, der eingeschlagene Weg eine andere Sache. Kabarett, Schauspiel, Musik - inwieweit profitiert man künstlerisch davon, breiter aufgestellt zu sein?

Lisa Schmid: Zuerst war das Schauspiel da, dann das Kabarett – und dann kam die Musik. Ich finde, wenn man sich treu bleibt, kann man diese Künste auch miteinander verbinden. Mein Kabarettprogramm „Ehrengrab“ handelt vom Tod. In den Liedern die ich schreibe, geht es viel um die eigene Endlichkeit. Beides ist sehr unterschiedlich. Das Kabarett betrachtet den Tod humoristisch, die Lieder setzten sich ernsthafter mit dem Thema auseinander. Und trotzdem gibt es Veranstaltungen, bei denen ich beides miteinander kombiniere.

Endlichkeit - ein gutes Stichwort. Welchen Einflüssen bzw. geistigen Müttern und Vätern schreibst du deinen Sinn fürs Morbide zu?

Lisa Schmid: Ich schreibe das vor allem dieser Stadt zu. Und meiner Großmutter.

Die Songs deines Erstlings "NACHTSCHWARZ", das Mitte April erscheint, sind von deinem musikalischen Wegbegleiter David Poglin geschrieben. Wieweit stimmt ihr euch ab, damit am Ende seine Texte zu deinen Worten werden?

Lisa Schmid: Also, das ist ein bisschen anders. Es ist ein gemeinsames Projekt unter dem Namen „Lisa Schmid“. David war eigentlich mein Gitarrenlehrer, bis wir draufgekommen sind, dass wir als Musikanten total gut gemeinsam funktionieren. Er ist ein großartiger Komponist und Gitarrist. Oft komme ich mit Melodien oder ein paar Akkorden und „Textfetzen“ – dann komponiert David die Musik dazu. Oder er kommt mit einem fertig komponierten Lied, und ich schreibe den Text dazu. Die Texte stammen aber schon alle aus meiner Feder. Ich könnte auch schwer Texte von anderen singen. Außer vielleicht vom Georg Danzer oder vom Ernst Molden. Letzterer hat auf unserem Album auch zwei Lieder eingespielt. Die Texte der beiden gehen mir sehr nah. Der Text muss für mich wahr sein, dann kann ich es singen. Ich mag meine Zuhörer nämlich nicht anlügen.

Lisa Schmid und ihr Kollege David Poglin | Credit: Fabian Orner
Lisa Schmid und David Poglin

Interessant, weil du gerade Georg Danzer erwähnst: In deinen Songs klingt die gute alte Wiener Musiktradition seiner Machart nach, die Erinnerung an ein Wien, das man heutzutage nur noch an ausgesuchten Orten der Stadt findet. Denkst du dir manchmal, dass es schön gewesen wäre, zu dieser oder jener Zeit in Wien gelebt zu haben - und wenn, in welcher?

Lisa Schmid: Ich glaube, jede Zeit hat ihre guten und ihre schlechten Seiten. Am Ende hat es seinen Sinn, wieso ich genau jetzt hier bin. Aber natürlich wäre es zu der Zeit, als meine Eltern jung waren, auch cool gewesen.

Dank Kabarett und Schauspiel hattest du schon Bühnenerfahrung. In welcher Weise war es dennoch eine neue Erfahrung, als Musikerin und Sängerin vor ein Publikum zu treten?

Lisa Schmid: Die Musik ist das ehrlichste, das ich je gemacht habe. Ich glaube nicht, dass man viel mehr über mich in Erfahrung bringen kann, wenn man zwischen den Zeilen liest. Manchmal ist das schon auch beängstigend. Ich spiele eben keine Figur, sondern bin ich selbst.

Womit wir wieder bei dem Thema Mut wären, den du damit zweifelsfrei beweist. Deine Wünsche für die Zukunft, liebe Lisa?

Lisa Schmid: Dass es weitergeht.

Album-Tipp

Lisa Schmid: NACHTSCHWARZ
Erschienen bei soda