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Alexander Van der Bellen richtet auf der Bühne der Bregenzer Festspiele einen flammenden Appell an die Besucher
Bundespräsident Alexander Van der Bellen appelliert für mehr Miteinander.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen appelliert für mehr Miteinander.
DIETMAR STIPLOVSEK / APA / picturedesk.com

"Endgenervt": VdB warnt vor "Schwurbler oder Schlafschaf"

18.07.2024 um 08:33, Stefanie Hermann
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Die Eröffnung der Bregenzer Festspiele nützt Bundespräsident Van der Bellen für einen flammenden Appell: Er warnt vor Spaltung und mahnt mehr Gelassenheit ein.

Die Bregenzer Festspiele haben begonnen! Traditionell hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen das kulturelle Highlight am Bodensee eröffnet – ein Akt, den er mittlerweile auf besondere Art zu nützen weiß.

"Zwölftonmusik der Festpielreden"

"Die Eröffnung der Bregenzer Festspiele ist für mich jedes Jahr aufs Neue eine wunderbare Gelegenheit, kurz ein bisschen unbequem zu werden. Quasi die Zwölftonmusik der Festspielreden. Thematisch ist das keine große Herausforderung, wo doch beinahe alles gerade entweder aufregt oder frustriert." Anders als im letzten Jahr schlägt das Staatsoberhaupt diesmal aber deutlich versöhnlichere Töne ein.

"Endgenervt vom Diskurs"

Von Klima über Politik bis zu einfachen Doppelpunkten und Sternchen: Alles würde aktuell frustrieren, weltweit würde sich der politische Frust in Gewalt entladen. Dabei seien es nicht die – durchaus wichtigen – Themen, die aufregen würden. "Vielleicht sind Sie, sind wir nur 'endgenervt' von der Art und Weise, wie wir darüber sprechen", mutmaßt VdB. "Die Welt, über die wir öffentlich sprechen, ist ganz einfach. Sie ist blitzschnell erklärt. Sie ist eindeutig. Etwas ist entweder schwarz oder weiß, groß oder klein, oben oder unten, gut oder böse."

Entweder Klimaterrorist oder Luftverpester. Entweder Wutbürger oder Gutmensch. Entweder Schwurbler oder Schlafschaf. Entweder Freund oder Feind.

Alexander Van der Bellen, Eröffnung Bregenzer Festspiele 2024

Gefährliches Schubladendenken

Eindringlich warnt Van der Bellen vor dem gefährlich-spaltendem "Entweder-Oder"-Denken. Schubladendenken sei zwar praktisch, aber gefährlich. "Es stellt uns an gegenüberliegende Pole und verhindert, dass wir uns zusammentun." Genau diese Mentalität spalte die Gesellschaft und blockiere (konstruktive) Kommunikation. Dazu kommt: So einfach ist es auch nicht immer. "Ich frage Sie: In welche Schublade kommt denn bei Ihnen zum Beispiel jemand, der eigene Biogurken erntet und ein Schweinsschnitzel dazu isst? Wie sieht es mit jemandem aus, der Mustafa heißt und im harten Tiroler Dialekt redet? Oder jemand, der bei jedem Zeltfest vorne dabei ist, in der Kantine dann aber strikt das Veggie-Menü bestellt? Was ist mit jemandem, der überzeugt Krachlederne trägt – und genauso überzeugt gendert? Oder jemandem, dem Grenzen wichtig sind, und der sich für die örtliche Flüchtlingsfamilie einsetzt?", wird der Präsident plakativ. "Ist doch nicht einfach in schwarz-weiß, oder? Nicht jeder, der auf einem Rad sitzt, ist ein Ökofanatiker. Und nicht jeder, der ein Schnitzel isst, ist ein Klimasünder."

 

Ruf nach mehr Gelassenheit

"Wo ist unsere Gelassenheit geblieben?", will er wissen. "Spaltung ist kein Naturgesetz. Sie passiert, weil viele mitspielen." Gegen die Spaltung müsse man sich aktiv stellen. Seine Lösung: "Nicht mitzuspielen." Denn: "Wir alle haben in der Hand, ob die Stimmung zwischen uns vertrauensvoll ist oder vergiftet."

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